VwGH vom 17.12.2018, Ra 2017/05/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des J D in R, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Mag. Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-150980/4/AL, betreffend Nichterteilung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Gemeinderat der Gemeinde R; weitere Partei: Oö. Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Ried im Traunkreis hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber beantragte mit der am beim Gemeindeamt der Gemeinde R. eingelangten Eingabe die Erteilung der Baubewilligung für die "Tieferlegung und Neueindeckung einer Scheune" auf dem näher angeführten Grundstück in der KG V. Dabei ist die Tieferlegung des Daches um etwa ein Drittel der bisherigen Höhe des Firstes und der Außenwände vorgesehen.
2 In der Folge fand am ein Lokalaugenschein durch die erstinstanzliche Baubehörde auf dem Baugrundstück statt. In der dazu erfolgten Niederschrift sind folgende Feststellungen der Bausachverständigen Ing. S. H. über den Zustand der Scheune festgehalten:
"Das Gebäude besteht aus einer reinen Holzkonstruktion. Es konnte augenscheinlich festgestellt werden, dass der westliche Bereich des Dachstuhls (im Walmbereich) bereits eingestürzt ist. Die restliche Dachkonstruktion ist ebenfalls sehr baufällig, Dachziegel sind bereits abgerutscht oder durch Windereignisse zerstört. Das Wasser gelang somit in die Dachkonstruktion der Scheune und das Holz ist dadurch morsch und verfault. Ein Betreten der Scheune war u.a. durch die herabgefallene Verschalung der Scheune nicht möglich.
Aus technischer Sicht ist es nicht nachvollziehbar, wie eine Neueindeckung der vorhandenen Dachkonstruktion möglich sei. Des Weiteren ist es nicht realistisch, dass die morsche Grundkonstruktion der Scheune einer Tieferlegung des Dachstuhles standhält. Aus fachlicher Sicht wird der Baubehörde empfohlen, dass für die gegenständliche Scheune ein Abbruchbescheid ausgestellt wird, da das Bauwerk einsturzgefährdend ist."
3 Dieser Niederschrift sind Fotos der Scheune, die an diesem Tag gemacht wurden, beigelegt.
4 In einem Mandatsbescheid vom wurde gemäß § 57 Abs. 1 AVG iVm § 48 Abs. 6 und 7 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) die weitere Benützung der baulichen Anlage mit der Bezeichnung "Scheune" auf dem näher angeführten Grundstück und der näher angeführten Baufläche dem Revisionswerber untersagt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde in Spruchpunkt II. die umgehende Absicherung der baulichen Anlage z. B. mit einem Zaun wegen Gefahr im Verzug aufgetragen. Die Absicherung müsse vom Gebäude soweit entfernt sein, dass herabstürzende Bauteile sich innerhalb der Absperrung befänden.
5 Mit Bescheiden vom trug der Bürgermeister der Gemeinde R. einerseits gemäß § 48 Abs. 1 und 2 Oö. BauO 1994 dem Revisionswerber die Abtragung der Scheune innerhalb von drei Monaten nach Zustellung dieses Bescheides auf und wies andererseits das Ansuchen des Revisionswerbers vom um baubehördliche Bewilligung für die Tieferlegung und Neueindeckung einer Scheune gemäß § 30 Abs. 6 Oö. BauO 1994 iVm § 3 Abs. 1 Z 1 Oö. Bautechnikgesetz 2013 (Oö. BauTG 2013) ab.
6 Der baupolizeiliche Auftrag wurde nach Wiedergabe der Feststellungen der Bausachverständigen Ing. S.H. beim Lokalaugenschein vom damit begründet, dass, wenn die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens erlange, sie die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich sei oder so weitgehend wäre, dass sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen habe. Die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage weise nach den Feststellungen der Bausachverständigen ein Baugebrechen auf. Auf Grund der morschen Grundkonstruktion der Scheune sei ein Instandsetzungsauftrag nicht möglich, da dies einer Erneuerung der Scheune gleichkommen würde.
7 Die Abweisung des Bauansuchens wurde unter Verweis auf § 30 Abs. 6 Oö. BauO 1994 und nach Wiedergabe der Feststellungen der Bausachverständigen beim Lokalaugenschein vom damit begründet, dass das geplante Bauvorhaben zwingenden baurechtlichen Bestimmungen widerspreche. § 3 Abs. 1 Oö. BauTG 2013 normiere, dass Bauwerke und alle ihre Teile so geplant und ausgeführt sein müssten, dass sie unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit gebrauchstauglich seien und die in Folge angeführten bautechnischen Anforderungen erfüllten. Bautechnische Anforderungen an Bauwerke seien gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 Oö. BauTG 2013 die mechanische Festigkeit und die Standsicherheit. Wie bereits ausgeführt, entspreche die Scheune auf Grund der morschen und verfaulten bzw. baufälligen Dachkonstruktion und der morschen Grundkonstruktion nicht den bautechnischen Anforderungen des § 3 Abs. 1 Z 1 Oö. BauTG. Dieser Widerspruch liege nach wie vor vor. Das Ansuchen sei daher abzuweisen.
8 Der Gemeinderat der Gemeinde R. wies die vom Revisionswerber gegen den angeführten baupolizeilichen Auftrag erhobene Berufung mit Bescheid vom mit der Maßgabe ab, dass die Abtragung des Gebäudes "innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides" zu erfolgen habe.
9 Der Gemeinderat der Gemeinde R. wies mit Bescheid vom selben Tag die vom Revisionswerber im Baubewilligungsverfahren erhobene Berufung als unbegründet ab. Dies wurde nach Wiedergabe der Feststellungen der Bausachverständigen am insbesondere damit begründet, auf Grund der Tatsache, dass die mechanische Festigkeit und Standsicherheit durch die morsche und verfaulte Grundkonstruktion der Scheune, wie ausgeführt, nicht gegeben sei, habe eine Aufforderung zu einer Änderung des Projektes nicht zu erfolgen gehabt. Die Baubehörde sei nur dann verpflichtet, den Bauwerber zu einer Änderung des Projektes aufzufordern, wenn durch die Änderung des Projektes nicht das Wesen des Projektes verändert werde. Eine Projektänderung (in diesem Fall "Sanierung") würde einem Abbruch und Neubau gleichkommen, wodurch das Wesen des Projektes jedenfalls verändert werden würde. Es sei daher im Berufungsverfahren die Möglichkeit zur Projektänderung nicht zu geben gewesen. Ob eine Erneuerung der Anlage durch Abbruch und Neubau der Scheune aus baurechtlicher und raumordnungstechnischer Sicht möglich sei bzw. wäre, sei in einem gesonderten Verfahren zu beurteilen, in dem jedenfalls ein agrartechnisches Gutachten einzuholen sei.
10 Weiters sei eine Stellungnahme des Revisionswerbers zu der übermittelten Niederschrift über den Lokalaugenschein vom nicht erfolgt. Aus der Niederschrift gehe eindeutig der schlechte Zustand des betreffenden Gebäudes hervor. Der Revisionswerber habe ein bestehendes Baugebrechen nicht bestritten. Vorhandene Baugebrechen und deren Behebung durch einen eventuellen Instandsetzungsauftrag gemäß § 48 Oö. BauO 1994 seien in einem gesonderten Verfahren mittels baupolizeilichen Auftrages und nicht im Vorprüfungsverfahren betreffend ein Bauansuchen zu behandeln.
11 Die Eingabe vom habe ein Ansuchen um Baubewilligung gemäß § 28 Oö. BauO 1994 und einen Plan mit Datum vom umfasst. Die Behandlung als Bauansuchen sei daher rechtmäßig.
12 In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde insbesondere geltend gemacht, dass die bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ausreichten, um davon auszugehen - wie es die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht getan habe -, dass die Grundkonstruktion der Scheune derartig gravierende Gebrechen aufweisen solle, dass die Standsicherheit nicht mehr gegeben wäre. Eine derartige Beurteilung erfordere ein entsprechendes Gutachten eines Bausachverständigen und ein solches liege nicht vor, sondern eine bloße Niederschrift über einen Lokalaugenschein. In dieser Niederschrift seien weder ein konkreter Befund noch nachvollziehbare Schlussfolgerungen eines Sachverständigen enthalten. Nur dann, wenn ein schlüssiges oder nachvollziehbares Gutachten vorliege, könne der Revisionswerber dazu verpflichtet sein, dieses auf gleicher fachlicher Ebene zu widerlegen. Schlichte Feststellungen, die in einer Niederschrift festgehalten seien, bedürften keiner Entkräftung durch ein Privatgutachten. Weiters wurde die Einholung eines bautechnischen Gutachtens eines Amtssachverständigen zum Beweis dafür beantragt, dass der vorhandene und verbleibende Baubestand des gegenständlichen Gebäudes, an welchem die geplanten Änderungen und Instandsetzungen durchgeführt werden sollen, keine Mängel solcher Art aufweise, dass die Standsicherheit des Gebäudes nach Durchführung der geplanten Änderungen beeinträchtigt oder gefährdet wäre. Es wurde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
13 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wies die Beschwerde in Spruchpunkt I. als unbegründet ab und erklärte in Spruchpunkt II. eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof als unzulässig.
14 Das Verwaltungsgericht führte im Wesentlichen aus, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt auf Grund der Aktenlage habe geklärt werden können. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, zumal die Akten erkennen ließen, dass durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten gewesen sei. Dem Entfall der Verhandlung stünden auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen. Das Beschwerdevorbringen betreffe ausschließlich Rechtsfragen, die anhand der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und der im Beschwerdefall maßgeblichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet werden könnten.
15 Es stehe folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt fest:
Der Revisionswerber habe die "Tieferlegung und Neueindeckung einer Scheune" auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, die als Grünland gewidmet sei und im Eigentum des Revisionswerbers stehe, beantragt. Dem Revisionswerber sei hinsichtlich dieser Scheune mit rechtskräftigem baupolizeilichem Bescheid die Abtragung gemäß § 48 Abs. 1 und Abs. 2 Oö. BauO 1994 binnen einer Frist von drei Monaten aufgetragen worden. Aus den Ausführungen des Bausachverständigen in der Niederschrift vom , der Fotodokumentation dazu und dem baupolizeilichen Abtragungsbescheid ergebe sich unzweifelhaft, dass sich die in Rede stehende Scheune in einem desolaten Zustand befinde.
16 Der Revisionswerber habe ein Ansuchen auf Erteilung einer Baubewilligung für das beabsichtigte Projekt beantragt. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung bestimme der Inhalt eines Antrages den Gegenstand des Verfahrens. Von diesem Prozessgegenstand habe die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht von sich aus nicht abweichen dürfen. Es sei auch nicht zutreffend, wenn der Revisionswerber von einer bloßen Anzeigepflicht in Bezug auf das vorliegende Bauvorhaben im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b Oö. BauO 1994 ausgehe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes liege allein durch die geplante - erhebliche -
Tieferlegung der Scheune jedenfalls ein Umbau im Sinne des § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 iVm § 2 Z 28 Oö. BauTG 2013 vor.
17 Die belangte Behörde sei im Recht, wenn sie davon ausgehe, dass unter Zugrundelegung der Ausführungen der Bausachverständigen die Realisierung des in Rede stehenden Projektes einem Abbruch und Neubau gleichkommen würde. Schon auf Grund der im erstinstanzlichen Akt einliegenden Fotodokumentation seien die Ausführungen der Bausachverständigen in der Niederschrift vom 3. Mai (richtig: November) 2015 schlüssig und nachvollziehbar und es wäre demnach eine Realisierung des vorliegenden Bauprojekts aus technischer Sicht mit dem Bestand nicht möglich. Auch für das Verwaltungsgericht sei es nachvollziehbar, wenn die Bausachverständige ausführt, dass eine "neue Eindeckung der vorhanden Dachkonstruktion" technisch nicht möglich sei und es nicht realistisch sei, "dass die morsche Grundkonstruktion der Scheune einer Tieferlegung des Dachstuhles standhält". Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers seien die niederschriftlich festgehaltenen Ausführungen der Bausachverständigen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes sehr wohl als hinreichendes Sachverständigengutachten zu werten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien für die Erstellung eines Gutachtens keine besonderen Formvorschriften notwendig. Das Festhalten in einer Niederschrift sei daher jedenfalls zulässig (Hinweis auf in Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 (2014) in Rz 400 angeführte hg. Judikatur). Auch seien unter Zugrundelegung der aussagekräftigen Fotodokumentation des Gebäudes sowohl die Tatsachenfeststellung als auch der Befund hinreichend nachvollziehbar dargelegt.
18 Im Übrigen brauchte auf diese vom Revisionswerber als Verfahrensfehler geltend gemachte Behauptung insofern nicht mehr eingegangen zu werden, als das genannte Bauprojekt schon aus einem anderen Grund nicht zulässig sei:
19 Ein bewilligungspflichtiger Umbau nach § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 setze - wie im Übrigen auch eine bloße anzeigepflichtige Änderung oder Instandsetzung im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b Oö. BauO 1994 - jedenfalls das Bestehen eines Baukonsenses für das zu ändernde Gebäude begrifflich voraus. Im vorliegenden Fall sei mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde R. vom die Abtragung der in Rede stehenden Scheune bestätigt worden. Dieser sei in Rechtskraft erwachsen. Für das verfahrensgegenständliche - baupolizeilich abzutragende - Gebäude bestehe somit kein Baukonsens. Wenn es für das zu ändernde Gebäude keinen Baukonsens gebe, könne damit aber auch eine Änderung desselben nicht zulässig sein.
20 In der dagegen erhobenen Revision wird insbesondere die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
21 Die vorliegende Revision ist im Hinblick auf die aufgeworfenen Rechtsfragen, dass ein rechtskräftiger Abtragungsauftrag entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes einen Baukonsens für das betreffende Gebäude nicht untergehen läßt und dass im vorliegenden Fall entgegen dem in der Beschwerde gestellten Antrag zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, zulässig und auch begründet.
22 Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Bewilligung für die verfahrensgegenständliche Scheune mit der Erlassung des angeführten rechtskräftigen Abbruchauftrages für das Gebäude untergegangen ist (vgl. u.a. , VwSlg 8771 A, mwN, und , mwN). Das Argument des Verwaltungsgerichtes, sich mit dem Tatsachenfragen aufwerfenden vorgebrachten Verfahrensfehler jedenfalls nicht abschließend auseinandersetzen zu müssen, traf somit nicht zu.
23 Der Revisionswerber meint zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung in der Begründung der Zulässigkeit, es hätte aufgezeigt werden können, dass sich große Teile des Gebäudes in einem brauchbarem Zustand befänden, weiters, dass das Sanierungsvorhaben nur einen Teil des Gesamtgebäudes betreffe. Das Verwaltungsgericht wäre dann zur Ansicht gelangt, dass die Ermittlungen der Baubehörden nicht ausreichend seien. Auch die nicht sehr aufschlussreiche Sachverhaltsannahme, dass die "Scheune in einem desolaten Zustand" sei, wäre entfallen.
24 Gemäß § 24 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, in der hier maßgeblichen Stammfassung, BGBl. I Nr. 33/2013, kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen stehen.
25 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einer Reihe von Entscheidungen im Hinblick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann und keine übermäßig komplexen Rechtsfragen zu lösen sind (vgl. dazu , mwH u.a. auf EGMR , Schädler-Eberle/Liechtenstein 56422/09, Z 97 ff; EGMR , Sagvolden/Norwegen 21682/11, Z 120).
26 Die Entscheidung über den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung einer Baubewilligung für eine Änderung eines Bauvorhabens auf seinem Grundstück fällt unter Art. 6 EMRK ("civil right"; vgl. u.a. , mwN).
27 Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass in der Beschwerde des Revisionswerbers nur Rechtsfragen aufgeworfen worden seien, hat der Revisionswerber in der Beschwerde die auf die Ausführungen der Bausachverständigen beim Lokalaugenschein gegründete Feststellung, dass die Grundkonstruktion der Scheune morsch sei und einer Tieferlegung des Dachstuhles nicht standhalten würde, bestritten. Er hat in diesem Zusammenhang Verfahrensfehler geltend gemacht, auf die das Verwaltungsgericht unter der - wie dargelegt - unzutreffenden Annahme, ein rechtskräftiger baupolizeilicher Auftrag beseitige den Baukonsens für das Gebäude, nicht abschließend eingegangen ist. Zur Feststellung, dass die "Grundkonstruktion" der Scheune statisch unzureichend oder gar morsch und verfault sei, ergebe sich nach Ansicht des Revisionswerbers aus der dazu herangezogenen Niederschrift vom weder ein konkreter Befund noch ein eigentliches Gutachten. Der Revisionswerber beantragte in der Beschwerde im Übrigen die Einholung eines bautechnischen Gutachtens eines Amtssachverständigen zum Beweis dafür, dass der vorhandene und verbleibende Baubestand des gegenständlichen Gebäudes, an dem die geplanten Änderungen und Instandsetzungen durchgeführt werden sollten, keine Mängel solcher Art aufwiese, dass die Standsicherheit des Gebäudes nach Durchführung der geplanten Änderungen beeinträchtigt oder gefährdet wäre. Damit sind vom Revisionswerber Tatsachenfragen in der Beschwerde aufgeworfen worden, auf Grund derer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK geboten war. Es war aber auch mit der Frage, ob ein Umbau gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 Oö BauO 1994 oder eine bloß anzeigepflichtige Änderung gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 vorliege, eine komplexere Rechtsfrage aufgeworfen, für deren Behandlung gleichfalls eine mündliche Verhandlung geboten war (vgl. nochmals ).
28 Angemerkt wird, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Feststellungen der Bausachverständigen am zum Zustand der Scheune und ihre Schlussfolgerung zur Grundkonstruktion der Scheune auch im Lichte der an sich sehr aussagekräftigen Fotodokumentation, auf die die Revision in keiner Weise eingeht, nicht als schlüssiges und vollständiges Gutachten zur Frage der Standfestigkeit der Grundkonstruktion, also der tragenden Teile der Scheune, qualifiziert werden kann. Zum Zustand dieser Grundkonstruktion liegt zwar die Fotodokumentation, aber kein schriftlicher Befund vor; der sehr wohl erstattete Befund der Bausachverständigen betraf das Dach bzw. die Dachkonstruktion der Scheune.
29 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050008.L00 |
Schlagworte: | Baubewilligung BauRallg6 |
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