VwGH 13.12.2011, 2010/05/0148
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauRallg; |
RS 1 | Vorschriftswidrig iSd § 129 Abs. 10 BauO für Wien ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues ist im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BauO für Wien nicht zu prüfen. Es hinderte auch ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch nicht die Erlassung eines Auftrages, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung nicht vollstreckt werden, freilich ebenso wenig im Falle der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung (siehe dazu die in Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 4. Auflage, in E 10a, Seite 761, und E 100 ff, Seite 780 wiedergegebene hg. Judikatur). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2003/05/0224 E RS 1 |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §60 Abs1 litc; BauO Wr §62 Abs4; BauO Wr §62a; |
RS 2 | Die gegenständliche Baumaßnahme, nämlich die Entfernung der Wand zwischen Loggia und Aufenthaltsraum stellt unabhängig davon, ob die Verglasung der Loggia als Außenwand zu qualifizieren ist, schon wegen der Änderung der Raumeinteilung im Hinblick auf § 60 Abs. 1 lit c Wr BauO und § 62 Abs. 4 Wr BauO jedenfalls kein bewilligungsfreies Bauvorhaben gemäß § 62a Wr BauO dar. Diese Beseitigung bewirkt jedenfalls eine Vergrößerung des hinter der Wand befindlichen Raumes und damit eine Änderung der Raumeinteilung. |
Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauRallg; |
RS 3 | Gemäß § 129 Abs. 10 Wr BauO können Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige als auch für anzeigepflichtige Baumaßnahmen erteilt werden (Hinweis E vom , 2000/05/0011). Ausschlaggebend für die Erteilung eines Bauauftrages ist nur die Tatsache, dass keine Baubewilligung bzw. Bauanzeige vorlag, obwohl eine solche zur Zeit der Durchführung der Maßnahme erforderlich war und auch weiterhin erforderlich ist. Folglich besteht eine Abweichung von der Bauordnung, die gemäß § 129 Abs. 10 Wr BauO zu beheben ist (Hinweis E vom , 2006/05/0185). Unter dem Titel der Behebung von Abweichungen von den Bauvorschriften kann auch ein Auftrag zur (Wieder-) Herstellung erteilt werden (Hinweis E vom , 94/05/0014). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der LB in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Doschek, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB- 141/10, betreffend Erteilung eines Bauauftrages (weitere Partei: Wiener Landesregierung), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) der Beschwerdeführerin als Wohnungseigentümerin der Wohnung Top 9 eines näher bezeichneten Mehrfamilienwohnhauses den Auftrag, binnen der Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die ohne Baubewilligung abgetragene, an die verglaste Loggia anschließende Außenwand der Wohnung Nr. 9 wieder herstellen zu lassen. Begründend wurde ausgeführt, dass durch die Entfernung der Außenwand des Aufenthaltsraumes die (konsensgemäß) verglaste Loggia in den dahinterliegenden Aufenthaltsraum einbezogen worden sei, wofür entgegen § 60 Abs. 1 lit. c BO keine Baubewilligung gemäß § 70 BO erwirkt worden sei.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher sie vorbrachte, dass die geringfügige Änderung in der Wohnung keine Veränderung des äußeren Ansehens des Gebäudes darstelle, weshalb auch keine Baubewilligung nach § 70 BO zu erwirken, sondern lediglich eine Bauanzeige gemäß § 62 BO zu erstatten sei. "Um diese Bauanzeige würde (sie) sofort ansuchen."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, die Beschwerdeführerin bestreite weder ihre Stellung als Wohnungseigentümerin der gegenständlichen Wohnung und Miteigentümerin der Baulichkeit noch die Entfernung der Außenwand zwischen dem Aufenthaltsraum der Wohnung und der verglasten Loggia.
Die im Rahmen einer Bauanzeige bei der Baubehörde erster Instanz zur Anzeige gebrachte bauliche Maßnahme der Entfernung der Außenwand zwischen der verglasten Loggia und dem anschließenden Aufenthaltsraum der gegenständlichen Wohnung sei von der Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom untersagt worden. Begründend sei in diesem Bescheid ausgeführt worden, dass für die zur Anzeige gebrachte Maßnahme eine Bauanzeige nicht genüge, sondern eine Baubewilligung erforderlich sei, da die Bauführung unter keine der unter § 62 Abs. 1 BO angeführten Baumaßnahmen falle. Eine Berufung gegen diesen Bescheid sei nicht erhoben worden, und dieser Bescheid sei somit in Rechtskraft erwachsen. Es liege daher keine rechtswirksam erlegte Bauanzeige mit der Wirkung vor, dass die Bauführung zur Entfernung der Außenwand entsprechend § 62 Abs. 6 BO als gemäß § 70 BO bewilligt angesehen werden könne.
Von der Beschwerdeführerin unbestritten sei jedoch nicht um Baubewilligung für die Entfernung der gegenständlichen Außenwand angesucht worden. Es liege somit zweifelsfrei kein Konsens für die auftragsgegenständliche Baumaßnahme vor. Die Frage der nachträglichen Anhängigkeit eines Bauansuchens oder der nachträglichen Erstattung einer Bauanzeige sei ebenso wie jene der Bewilligungsfähigkeit bzw. Anzeigefähigkeit in einem Bauauftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Ebensowenig sei es im Bauauftragsverfahren von Relevanz, ob eine ausgeführte Baumaßnahme bewilligungspflichtig sei oder bauanzeigepflichtig, ausschlaggebend für die Erlassung eines Bauauftrages sei allein, ob ein Konsens gegeben sei oder nicht.
Angemerkt werde schlussendlich auch, dass während der Anhängigkeit eines Verfahrens betreffend die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für die Abweichung vom Konsens der Bauauftrag nicht vollstreckt werden könne. Sollte die nachträgliche Bewilligung erteilt werden, werde der Bauauftrag gegenstandslos.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, dass angesichts der Tatsache, dass die belangte Behörde "jedenfalls nur gegebenenfalls Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 BO erteilen könne", die Erlassung des Auftrages zur Wiederherstellung der abgetragenen Außenwand entbehrlich sei. Wie in § 129 Abs. 10 BO angeführt sei, handle es sich bei der Möglichkeit seitens der Baubehörde, Aufträge zu erlassen, um eine "Kann-" und nicht um eine "Muss"- Bestimmung. Darüber hinaus handle es sich bei der gegenständlichen Wand nach konsensgemäßer Verglasung der gesamten Loggia nicht mehr um eine Außenwand, da nunmehr die Vollverglasung der Loggia die Außenwand sei. Aus diesem Grund könne die Entfernung der gegenständlichen Wand keine Änderung eines Bauwerkes iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO darstellen, zumal dadurch das äußere Ansehen desselben mangels Vorliegens eines nach außen in Erscheinung tretenden Bauwerksteiles nicht geändert werde. Im Übrigen stelle die Entfernung der Wand auch aus statischen Belangen keine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit von Menschen oder des Eigentums dar. Die Decke des gegenständlichen Gebäudes sei eine solche mit Scheibenwirkung in Deckenebene (schubsteife Deckenscheibe), und die Glas-Holzkonstruktion diene nicht der Aussteifung des Gebäudes. Beim Bau des Gebäudes seien Fertigteilüberlager verwendet worden, die ohne Mitwirkung des darüber liegenden Mauerwerkes tragsicher und gebrauchstauglich seien, und demnach seien Wanddurchbrüche in Wänden wie im gegenständlichen Fall möglich, die nicht zur Aussteifung des Gebäudes dienen würden. Bei einer solchen statischen Konstruktion seien nicht nur bloße Wanddurchbrüche, sondern auch die gänzliche Entfernung solcher Wände statisch und bautechnisch unbedenklich. Aufgrund der irrigen Rechtsansicht, dass es sich bei der entfernten Wand trotz Verglasung der Loggia um eine Außenwand handle, habe die belangte Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur mangelhaft erhoben und es unterlassen, ein bautechnisches Sachverständigengutachten zur Frage der Eigenschaft als Außenwand einzuholen. Es handle sich bei der beseitigten Wand vielmehr nur mehr um eine nicht tragende Zwischenwand, nachdem eine Vollverglasung der Loggia erfolgt sei, die die Kriterien der Außenwand erfülle. Das Bauvorhaben bedürfe weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige, sondern sei auf Grund des § 62a Abs. 1 Z 1 BO bewilligungsfrei. Im Übrigen sei der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet.
Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.
Nach § 60 Abs. 1 lit. c BO sind, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a BO zur Anwendung kommen, Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks bewilligungspflichtig.
Gemäß § 62 Abs. 1 BO genügt eine Bauanzeige für u. a. Loggienverglasungen (Z. 2) und für alle sonstigen Bauführungen, die keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirken, nicht die Umwidmung von Wohnungen betreffen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösen (Z. 4).
Bei nicht unter §§ 60, 61 und 62 BO fallenden Bauvorhaben ist gemäß § 62a Abs. 1 Z 1 BO weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich.
Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues ist im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Es hindert auch ein allfälliges, noch nicht erledigtes Baubewilligungsgesuch nicht die Erlassung eines Auftrages, wohl aber könnte - wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat - ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung nicht vollstreckt werden (siehe dazu die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften5, Seite 800 unter E 10a sowie Seite 822 unter E 101 ff wiedergegebene hg. Judikatur).
Abgesehen davon, dass sich die seinerzeitige Bauanzeige im Sinne des § 62 Abs. 1 BO nur auf die Verglasung der Loggia, nicht aber, wie in der Verhandlung vorgebracht, auf die Beseitigung der Außenwand bezogen haben kann, stellt die gegenständliche Baumaßnahme, nämlich die Entfernung der Wand zwischen Loggia und Aufenthaltsraum, unabhängig davon, ob die Verglasung der Loggia als Außenwand zu qualifizieren ist, schon wegen der Änderung der Raumeinteilung im Hinblick auf § 60 Abs. 1 lit c BO und § 62 Abs. 4 BO jedenfalls kein bewilligungsfreies Bauvorhaben gemäß § 62a BO dar. Diese Beseitigung bewirkt jedenfalls eine Vergrößerung des hinter der Wand befindlichen Raumes und damit, entgegen dem Vorbringen in der Verhandlung, eine Änderung der Raumeinteilung. Ausgehend davon kann es dahingestellt bleiben, ob das Bauvorhaben bewilligungspflichtig oder bloß bauanzeigepflichtig ist. Gemäß § 129 Abs. 10 BO können nämlich Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige als auch anzeigepflichtige Baumaßnahmen erteilt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0011). Ausschlaggebend für die Erteilung eines Bauauftrages ist hier entsprechend den obigen Ausführungen nur die Tatsache, dass keine Baubewilligung bzw. Bauanzeige vorlag, obwohl eine solche zur Zeit der Durchführung der Maßnahme erforderlich war und auch weiterhin erforderlich ist. Folglich besteht eine Abweichung von der Bauordnung, die gemäß § 129 Abs. 10 BO zu beheben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0185). Unter dem Titel der Behebung von Abweichungen von den Bauvorschriften kann auch ein Auftrag zur (Wieder-) Herstellung erteilt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/05/0014). Die Erteilung des Bauauftrages durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht. Die Einholung eines bautechnischen Sachverständigengutachtens war entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht erforderlich.
Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung im § 129 Abs. 10 BO, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 BO einen Auftrag zu erteilen hat, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0149). Es liegt nur insoweit ein Gestaltungsspielraum der Behörde vor, als ihr die Möglichkeit gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten, und dieses vorläufige Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0269). Sachliche Gründe für ein solches Zuwarten mit der Erlassung des Bauauftrages hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §60 Abs1 litc; BauO Wr §62 Abs4; BauO Wr §62a; BauRallg; |
Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2010050148.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAE-72570