VwGH vom 26.06.2018, Ra 2017/04/0151
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Lienz (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG-2017/29/2511-1, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (mitbeteiligte Partei: Mag. M T, vertreten durch MMag. Dr. Verena Rastner, Rechtsanwältin in 9900 Lienz, Johannesplatz 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz (Revisionswerberin) vom wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten zu haben, dass seitens der S GmbH (im Hinblick auf näher dargestellte Umstände) das Gewerbe der Immobilientreuhänder in der Form Bauträger ausgeübt worden sei, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Gewerbeberechtigung zu sein. Dadurch habe der Mitbeteiligte § 9 Abs. 1 VStG in Verbindung mit § 366 Abs. 1 Z 1 und § 94 Z 35 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 3.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe: elf Tage und zwölf Stunden) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, behob das bekämpfte Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die S GmbH seit über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe Immobilientreuhänder, eingeschränkt auf Bauträger, verfüge, die aber seit ruhend gemeldet sei. Der Mitbeteiligte sei Eigentümer der Liegenschaft gewesen, auf der die S GmbH eine Wohnanlage mit Eigentumswohnungen errichtet habe. Auf der Homepage der S GmbH sei aufgelistet, welche Wohnungen dieser Anlage verkauft bzw. reserviert seien und welche offensichtlich noch zum Kauf angeboten würden. Diesbezügliche Anfragen seien an die S GmbH zu richten. Zudem sei an der Wohnanlage ein Schild der S GmbH mit einem Hinweis auf noch freie Wohnungen angebracht. 4 Durch das Betreiben der Homepage mit dem dargestellten
Inhalt und das Aufhängen des bezogenen Schildes werde - so das Verwaltungsgericht in seinen rechtlichen Erwägungen - objektiv der Eindruck erweckt, dass die S GmbH im Rahmen ihrer Bauträgertätigkeit eine gewerbliche Tätigkeit ausübe, zumal Leistungen aus dem Gewerbe des Bauträgers einem größeren Kreis von Personen angeboten würden. Die festgestellten Werbemaßnahmen seien objektiv als das Anbieten von Leistungen des Bauträgergewerbes zu verstehen.
5 Das Verwaltungsstrafverfahren sei dennoch einzustellen gewesen, weil die Tatanlastung falsch gewesen sei. Auch wenn das "Gewerbe (...) ruhend gemeldet" worden sei, bleibe der Gewerbeinhaber im Besitz seiner Gewerbeberechtigung. Es fehle daher der im § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 angeführte Tatbestand "ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben". Die S GmbH habe sich daher keiner unbefugten Gewerbeausübung im Sinn des § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 schuldig gemacht. Allenfalls wäre dem Mitbeteiligten die Unterlassung der Anzeige der Wiederaufnahme der Gewerbeausübung oder die Unterlassung der Anzeige über die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nach § 39 Abs. 4 GewO 1994 vorzuwerfen. Dafür wären aber andere Straftatbestände (§ 368 bzw. § 367 Z 1 GewO 1994) maßgeblich. Die ihm hier vorgeworfene Verwaltungsübertretung habe der Mitbeteiligte nicht begangen, weshalb das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung der Revision, in eventu deren Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit unter anderem vor, das Verwaltungsgericht sei von der eindeutigen Anordnung des § 93 Abs. 3 letzter Satz GewO 1994 abgewichen, wonach die Ausübung des Immobilientreuhändergewerbes während des Ruhens gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 zu bestrafen sei. Indem das Verwaltungsgericht ungeachtet dessen von der Unanwendbarkeit dieser Strafbestimmung ausgegangen sei, habe es die Rechtslage grob fehlerhaft beurteilt.
9 Die Revision ist im Hinblick darauf zulässig und auch berechtigt.
10 § 93 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 155/2015, lautet auszugsweise:
"§ 93. (1) Der Gewerbetreibende muß das Ruhen und die Wiederaufnahme der Gewerbeausübung binnen drei Wochen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft anzeigen.
(...)
(3) Bei Immobilientreuhändern im Sinne des § 117 sind das Ruhen und die Wiederaufnahme der Gewerbeausübung der Behörde im Vorhinein anzuzeigen; eine Anzeige im Nachhinein ist unzulässig und unwirksam. Die Behörde hat ab Einlangen der Mitteilung das Ruhen im GISA einzutragen; eine Gewerbeausübung während des im GISA berücksichtigten Ruhens ist unzulässig. (...) Ab Einlangen der Meldung der Wiederaufnahme ist die Eintragung des Ruhens im GISA durch die Behörde zu löschen, sofern der Gewerbetreibende gleichzeitig mit der Meldung der Wiederaufnahme den wirksamen Bestand einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung im Sinne des § 117 Abs. 7 sowie die Erfüllung aller übrigen Eintragungserfordernisse - mit Ausnahme eines neuerlichen Nachweises der notwendigen Befähigung des Gewerbetreibenden - mit Wirkung spätestens ab Ende des Ruhens nachweist. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmung des zweiten Satzes, zweiter Halbsatz, sind gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 zu bestrafen.
(...)"
11 § 93 Abs. 3 GewO 1994 enthält eine Sonderregelung für die Gewerbeausübung bei Immobilientreuhändern, die gemäß § 117 Abs. 1 GewO 1994 auch die Tätigkeit der Bauträger umfasst. Nach der Regelung des letzten Satzes in Verbindung mit dem zweiten Satz des § 93 Abs. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeausübung während des im GISA berücksichtigten Ruhens nach § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 - und somit wegen unbefugter Gewerbeausübung (vgl. dazu Pöschl, System der Gewerbeordnung (2016) Rz. 406) - zu bestrafen. Die Revisionswerberin hat daher zutreffend § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 als maßgebliche Strafbestimmung herangezogen. Der Umstand, dass bei den Rechtsgrundlagen § 93 Abs. 3 GewO 1994 nicht genannt wurde, führt fallbezogen zu keinem anderen Ergebnis, zumal im Straferkenntnis auf den Umstand der Ruhendmeldung hingewiesen wurde. Zudem lässt sich weder dem Straferkenntnis noch dem Vorbringen des Mitbeteiligten in der Beschwerde bzw. in der Revisionsbeantwortung entnehmen, dass der Mitbeteiligte durch die hier erfolgte Tatumschreibung nicht in die Lage versetzt worden wäre, seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen (vgl. dazu , mwN).
12 Der Mitbeteiligte bringt in seiner Revisionsbeantwortung u. a. vor, die Behebung des Straferkenntnisses durch das Verwaltungsgericht sei - wenn auch aus einem anderen Grund, als dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen - im Ergebnis zu Recht erfolgt, weil im inkriminierten Tatzeitpunkt er selbst - und nicht die S GmbH (die das fragliche Gebäude als Bauträger errichtet habe) - alleiniger grundbücherlicher Eigentümer der noch nicht verkauften Wohnungen gewesen sei und somit die S GmbH das Gewerbe des Bauträgers nicht ausgeübt habe. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht - auch wenn dies für die hier angefochtene Behebung des Straferkenntnisses letztlich nicht entscheidungserheblich war - zum Tatbestandselement der Ausübung des Gewerbes in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen ist, dass die festgestellten "Werbemaßnahmen" (das Betreiben der Homepage sowie das Aufhängen des Schildes mit jeweils näher dargestelltem Inhalt) als Anbieten von Leistungen des Bauträgergewerbes durch die S GmbH zu werten seien (vgl. zum Bauträgergewerbe auch , mwN).
13 Indem das Verwaltungsgericht die Regelung des § 93 Abs. 3 GewO 1994 außer Acht gelassen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040151.L00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.