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VwGH vom 19.12.2012, 2012/10/0061

VwGH vom 19.12.2012, 2012/10/0061

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des MP in Graz, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid des Senates der Karl-Franzens-Universität Graz vom , Zl. 39/9/52 ex 2010/11, betreffend Erlass und Rückerstattung von Studienbeiträgen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Entscheidung über die Studienbeiträge für das Sommersemester 2009, das Wintersemester 2009/2010 und das Sommersemester 2010 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Senates der Karl-Franzens-Universität Graz vom wurde folgenden Anträgen des Beschwerdeführers nicht stattgegeben:

a) vom auf Erlass des Studienbeitrags für das Wintersemester 2007/08,

b) vom auf Erlass des Studienbeitrags für das Sommersemester 2008,

c) vom auf Erlass des Studienbeitrags für das Wintersemester 2008/09,

d) vom , und auf Fristerstreckung bis für die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2008 im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlass des Studienbeitrages für das Sommersemester 2009,

e) vom und auf Fristerstreckung bis für die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2008 im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlass des Studienbeitrages für das Wintersemester 2009/10,

f) vom auf Fristerstreckung bis für die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2009 im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlass des Studienbeitrages für das Sommersemester 2010,

g) vom auf Fristerstreckung bis für die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2009 im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlass des Studienbeitrages für das Sommersemester 2010,

h) vom , , , und vom auf Erlass des Studienbeitrags für das Sommersemester 2009,

i) vom , , , und vom auf Erlass des Studienbeitrags für das Wintersemester 2009/10,

j) vom auf Erlass des Studienbeitrags für das Sommersemester 2010,

k) vom und vom auf Erlass des Studienbeitrags für das Wintersemester 2010/11,

l) vom und vom auf Rückzahlung des Studienbeitrags für das Wintersemester 2008/09,

m) vom , , , und vom auf Rückzahlung des Studienbeitrags für das Sommersemester 2009,

n) vom , , und vom auf Rückzahlung des Studienbeitrags für das Wintersemester 2009/10,

o) vom , und vom auf Rückzahlung des Studienbeitrags für das Sommersemester 2010 und

p) vom und vom auf Rückzahlung des Studienbeitrags für das Wintersemester 2010/11.

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Z. 5 und Abs. 3 Universitätsgesetz 2002 - UG 2002 iVm § 2b Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 Studienbeitragsverordnung 2004 - StubeiV 2004 iVm § 13 Abs. 3 AVG.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Interesse - aus, entscheidend für die Zurückweisung der Anträge auf Erlass der Studienbeiträge sowie auf Rückzahlung von Studienbeiträgen sei, dass die Formulierung des § 2b Abs. 4 Z. 3 StubeiV 2004 keinen Spielraum dafür lasse, für den Erlass des Studienbeitrags andere Nachweise als einen Einkommensteuerbescheid anzuerkennen. Am sowie am habe der Beschwerdeführer zwar Einkommensteuerbescheide für 2008 und 2009 vorgelegt. Die Vorlage der Einkommensteuerbescheide sei jedoch nicht rechtzeitig erfolgt.

Die Vorlage von Gehaltsnachweisen bzw. Gehaltszetteln stelle keinen tauglichen Nachweis im Sinne der genannten Bestimmung dar. Der Beschwerdeführer habe somit den Nachweis der Erwerbstätigkeit nicht erbracht.

Darüber hinaus habe keine Veranlassung für einen Verbesserungsauftrag und eine Fristverlängerung für die Vorlage bestanden, weil zumindest der Versuch des Antragstellers erkennbar sein müsse, einen rechtskonformen Antrag einzubringen.

Die auf Rückzahlung der Studienbeiträge für das Sommersemester 2009, das Wintersemester 2009/2010 und das Sommersemester 2010 gerichteten Anträge hätten sich als verspätet erwiesen, weil die nach der StubeiV 2004 vorgeschriebenen Einkommenssteuerbescheide für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr nicht fristgerecht vorgelegt worden seien.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 980/11, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerdeergänzung wendet sich ihrer Anfechtungserklärung nach gegen den angefochtenen Bescheid in seinem gesamten Umfang. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, dass ihm "trotz Vorliegens der Voraussetzungen die Studienbeiträge nicht zurückerstattet bzw. erlassen wurden". Somit richtet sich die Beschwerde auch nach dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) gegen den gesamten angefochtenen Bescheid, wobei der Beschwerdeführer allerdings durch die lediglich Verfahrensanordnungen nach § 63 Abs. 2 AVG darstellenden Abweisungen seiner Fristverlängerungsanträge allein nicht in selbständigen Rechten verletzt sein kann (vgl. etwa die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 63 Rz 59 und den hg. Beschluss vom , Zl. 2009/07/0161, mwN).

2. Mit Blick auf den Erlass und die Rückzahlung der Studienbeiträge für das Wintersemester 2007/08, das Sommersemester 2008, das Wintersemester 2008/09 und das Wintersemester 2010/11 - somit hinsichtlich der Erledigung der oben unter lit. a) bis c), k), l) und p) wiedergegebenen Anträge - wendet sich die Beschwerde allerdings weder gegen die tatsächlichen Annahmen (hinsichtlich der Zurückzahlung des Studienbeitrages für das Wintersemester 2010/11 am ) noch gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde (wonach betreffend die Studienbeiträge für das Wintersemester 2007/08, das Sommersemester 2008 und das Wintersemester 2008/09 noch keine gesetzliche Regelung bestand, die Erlass und Rückzahlung vorsah); insoweit führt die Beschwerde daher nicht zum Erfolg.

3. Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 5 erster Satz UG 2002 ist der Studienbeitrag Studierenden, die die Voraussetzungen gemäß § 91 Abs. 1 UG 2002 erfüllen, auch bei Überschreitung des in § 91 Abs. 1 UG 2002 festgelegten Zeitraumes zu erlassen, wenn sie im Kalenderjahr vor dem jeweiligen Semesterbeginn durch eine Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen waren, durch die sie ein Jahreseinkommen zumindest in der Höhe des 14-fachen Betrages gemäß § 5 Abs. 2 ASVG erzielt haben.

Dem Antrag auf Erlass des Studienbeitrages sind gemäß § 92 Abs. 3 UG 2002 die für den Erlass des Studienbeitrages erforderlichen Nachweise beizufügen.

Gemäß § 2b Abs. 1 StubeiV 2004 kann die oder der Studierende, wenn ein Grund für einen Erlass des Studienbeitrages gemäß § 92 Abs. 1 UG 2002 vorliegt, einen Antrag auf Erlass des Studienbeitrages stellen.

Gemäß § 2b Abs. 3 StubeiV 2004 ist der Antrag auf Erlass des Studienbeitrages längstens bis 31. Oktober bzw. 31. März des betreffenden Semesters zu stellen, soferne von der jeweiligen Universität keine abweichende Regelung getroffen wird. Können die Nachweise für den Erlass des Studienbeitrages nicht fristgerecht nachgewiesen werden, so ist der Studienbeitrag zu entrichten. Ein Antrag auf Rückzahlung des Studienbeitrages für das Wintersemester ist bis zum nächstfolgenden 31. März, ein Antrag auf Rückzahlung des Studienbeitrages für das Sommersemester ist bis zum nächstfolgenden 30. September zulässig; die Dauer eines allfälligen Verbesserungsauftrages darf eine zur Behebung des Mangels erforderliche angemessene Frist nicht überschreiten.

Gemäß § 2b Abs. 4 Z. 3 erster Satz StubeiV 2004 ist die Inanspruchnahme durch Erwerbstätigkeit (§ 92 Abs. 1 Z. 5 UG 2002) durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über jenes Kalenderjahr, das dem jeweiligen Semesterbeginn vorangeht, nachzuweisen.

4. Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang im Wesentlichen vor, ihm hätte - etwa im Wege eines Verbesserungsauftrages nach § 13 Abs. 3 AVG - die Vorlage von Einkommensteuerbescheiden ermöglicht werden müssen, und verweist auf die von ihm tatsächlich vorgelegten Einkommensteuerbescheide.

Mit diesem Vorbringen bekämpft der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung über den Erlass und die Rückzahlung der Studienbeiträge für das Sommersemester 2009, das Wintersemester 2009/10 und das Sommersemester 2010. 5.1. Insoweit beruht der angefochtene Bescheid nämlich im Ergebnis auf der Auffassung, ein auf Erlass bzw. Rückzahlung des Studienbeitrages gerichteter Antrag sei zur Wahrung der in § 2b Abs. 3 StubeiV 2004 normierten Fristen nur dann geeignet, wenn der nach § 2b Abs. 4 Z. 3 erster Satz StubeiV 2004 zum Nachweis der Inanspruchnahme durch Erwerbstätigkeit vorgesehene Einkommensteuerbescheid dem Antrag beigelegt werde. Da aber der Beschwerdeführer die betreffenden Einkommensteuerbescheide erst am und am vorgelegt habe und eine Fristerstreckung nicht habe erfolgen können, seien die Anträge verspätet.

5.2. Damit aber hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Sie unterstellt den hier anzuwendenden Vorschriften den Inhalt, dass die Beurteilung der Voraussetzungen für den Erlass bzw. die Rückzahlung der Studienbeiträge bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung, und zwar (ausschließlich) nach Lage der mit dem Antrag erbrachten Nachweise, zu erfolgen hätte.

Darin kann ihr aber nicht gefolgt werden: Zwar normiert § 92 Abs. 3 UG 2002, dass dem Antrag die für den Erlass des Studienbeitrages erforderlichen Nachweise beizufügen seien, darin kann aber - zumal angesichts des Umstandes, dass § 2b Abs. 4 Z. 3 StubeiV 2004 die Nachweisführung ausnahmslos an die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über jenes Kalenderjahr, das dem jeweiligen Semesterbeginn vorangeht, bindet - keine Regelung gesehen werden, die die Beifügung des Nachweises als Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrages bestimmt (und solcherart einer Berücksichtigung eines später als der Antrag überreichten Einkommensteuerbescheides entgegenstünde).

5.3. Zwar vertritt der Verwaltungsgerichtshof zu verwandten Regelungen (§§ 7 Abs. 2, 11 Abs. 1, 39 Abs. 1, 41 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG) die Auffassung, dass die Anspruchsvoraussetzungen (dort das Vorliegen sozialer Bedürftigkeit) bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung und zwar nach Lage der mit dem Antrag erbrachten Nachweise ohne weiteres Ermittlungsverfahren zu beurteilen ist (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2005/10/0172, und vom , Zl. 2003/10/0117 = VwSlg. 16.164 A).

Diese Auffassung beruht aber auf Regelungen, wonach für die Beurteilung der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend ist (§ 7 Abs. 2 StudFG), das Einkommen grundsätzlich durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides nachzuweisen ist (§ 11 Abs. 1 StudFG), für die Anträge Formblätter zu verwenden (§ 39 Abs. 4 StudFG), den Anträgen die erforderlichen Nachweise anzuschließen sind (§ 39 Abs. 6 StudFG) und aufgrund des vorgelegten Formularantrages ohne weiteres Ermittlungsverfahren zu entscheiden ist (§ 41 Abs. 3 StudFG).

5.4. Im vorliegenden Zusammenhang (§ 92 UG 2002 iVm § 2b StubeiV 2004) fehlt insbesondere eine der Bestimmung des § 41 Abs. 3 StudFG vergleichbare Regelung, aus der - im Zusammenhalt mit anderen, den oben angeführten gesetzlichen Vorschriften ähnlichen Normen - abgeleitet werden könnte, später als der Antrag beigebrachte Nachweise wären unbeachtlich. Die belangte Behörde hat daher das Gesetz verkannt, soweit sie in Ansehung der Studienbeiträge für das Sommersemester 2009, das Wintersemester 2009/10 und das Sommersemester 2010 die nach den getroffenen Feststellungen am und (und somit der Erlassung des angefochtenen Bescheides) vorgelegten Einkommensteuerbescheide nicht beachtet hat.

6. Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid - in dem im Spruch ersichtlichen Umfang - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am