VwGH vom 30.04.2019, Ra 2017/04/0128
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Kufstein gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG- 2017/25/1721-5, betreffend Übertretung der GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: H W in K, vertreten durch Dr. Gerhard Thaler, Rechtsanwalt in 6322 Kirchbichl, Lärchenweg 14), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1 1. Die Mitbeteiligte ist Obfrau des Vereines A, der eine näher bezeichnete Hütte in K betreibt.
2 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom wurde der Mitbeteiligten zur Last gelegt, sie habe es als Obfrau des genannten Vereines zu verantworten, dass im Zeitraum bis am verfahrensgegenständlichen Standort eine bewilligungspflichtige Betriebsanlage mit Gewinnabsicht und regelmäßig betrieben worden sei, ohne hierfür eine entsprechende gewerberechtliche Genehmigung eingeholt zu haben. Die Anlage sei unter anderem betrieben worden, indem das Nächtigen von Bergsteigern ermöglicht und Speisen zubereitet worden seien. Die Genehmigungspflicht ergebe sich bereits aus der abstrakten Eignung, die Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 zu beeinträchtigen, konkret das Leben oder die Gesundheit der Gewerbetreibenden oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufgesucht hätten (zB bei einem Brand). Die Mitbeteiligte habe dadurch § 74 Abs. 2 in Verbindung mit § 366 Abs. 1 Z 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verletzt, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 750,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 180 Stunden) verhängt worden sei.
3 2.1. Das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten mit Erkenntnis vom Folge, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
4 2.2. Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, dass der Verein A nach seinen Statuten nicht auf Gewinn gerichtet sei. Die Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes seien nach den Statuten durch Mitgliedsbeiträge, allfällige Einnahmen aus Veranstaltungen, Subventionen, Spenden, Vermächtnisse und Erträge aus nutzbringenden Anlagen eines allfälligen Vereinsvermögens zu erzielen. Der Verein habe in den Jahren 2014 bis 2017 näher angeführte Gewinne und Verluste erwirtschaftet.
5 Der Verein habe die gegenständliche Hütte im Weg einer Bittleihe erhalten und betreibe sie jeweils von 1. Mai bis 31. Oktober; im Winter sei sie geschlossen. Die Bewirtung und Beherbergung stehe ausschließlich den Vereinsmitgliedern zu. Bis Mai 2016 habe es allerdings noch sogenannte "Tagesmitgliedschaften" für EUR 3,00 gegeben. Sämtliche Arbeiten auf der Hütte erfolgten durch Vereinsmitglieder, Dienstnehmer gebe es keine. Eine Speise- oder Getränkekarte existiere nicht. Das Angebot richte sich vielmehr danach, was gerade gekocht werde bzw. vorrätig sei. Es gebe "immer wieder" Pressknödelsuppe um EUR 3,50. Ein Kaffee koste EUR 2,00, eine Limonade EUR 1,50, eine Flasche Bier EUR 2,00 und ein "Gröstl" ungefähr EUR 4,50. Für eine Nächtigung werde von den Vereinsmitgliedern für das Wäschewaschen ein Betrag von EUR 3,50 pro Person verlangt. Bis zu dreimal im Jahr werde auf der Hütte ein Vereinsfest veranstaltet, bei dem auch Nichtvereinsmitglieder bewirtet bzw. beherbergt würden. 6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Preise für Getränke und Speisen eindeutig unter jenen lägen, die in vergleichbaren Schutzhütten verlangt würden. Die Angabe der Mitbeteiligten, dass die Preise lediglich die Kosten für den Einkauf der Lebensmittel, den Transport zur Hütte und den mit dem Kochen verbundenen Sachaufwand deckten, sei nachvollziehbar. Zur Bestreitung der Erhaltungskosten der Hütte dienten die Mitgliedsbeiträge und die Einnahmen aus Vereinsfesten. Die Vereinsbuchhaltung zeige, dass in den letzten vier Jahren zweimal ein Verlust und zweimal ein Gewinn erwirtschaftet worden sei. Daraus könne jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass der Verein mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werde. 7 Im Ergebnis sei es der Mitbeteiligten gelungen, die mangelnde Gewinnerzielungsabsicht trotz Entgeltlichkeit darzutun, womit es am Kriterium der Gewerbsmäßigkeit nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 fehle, das wiederum eine Voraussetzung für das Vorliegen einer gewerblichen Betriebsanlage bilde. Da die Tat nicht erwiesen habe werden können, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. 8 3. Gegen dieses Erkenntnis erhob die belangte Behörde die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
9 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 1. Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision unter anderem ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die Absicht, einen Ertrag oder wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann gegeben sei, wenn (bloß) die Absicht bestehe, den Vereinsmitgliedern aus der Tätigkeit in sonstiger Weise (irgend)einen vermögenswerten Vorteil zuzuwenden. Durch das Anbieten von Speisen und Getränken zu Preisen, die unter jenen von vergleichbaren Schutzhütten lägen, sei es zur Zuwendung eines vermögenswerten Vorteiles an die Mitglieder gekommen. 11 Die Revision ist vor dem Hintergrund dieser Ausführungen zulässig und auch berechtigt.
12 2.§ 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194,
lautet auszugsweise wie folgt:
"1. Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die § 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.
(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.
(3) bis (5) (...)
(6) Bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Übt ein Verein gemäß dem Vereinsgesetz 1951 eine Tätigkeit, die bei Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fiele, öfter als einmal in der Woche aus, so wird vermutet, daß die Absicht vorliegt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen."
13 Gemäß § 111 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 bedarf es keiner Gewerbeberechtigung (seit der Novelle BGBl. I Nr. 85/2013: keines Befähigungsnachweises) für das Gastgewerbe für
"die Beherbergung von Gästen, die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen, den Ausschank von Getränken und den Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen im Rahmen eines einfach ausgestatteten Betriebes, der in einer für den öffentlichen Verkehr nicht oder nur schlecht erschlossenen Gegend gelegen und auf die Bedürfnisse der Bergsteiger und Bergwanderer abgestellt ist (Schutzhütte)".
14 3. Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner Begründung in erster Linie damit auseinandergesetzt, ob eine Absicht des Vereines, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne des § 1 Abs. 2 GewO 1994 zu erzielen, vorgelegen sei. Dies wurde im Ergebnis verneint und daraus gefolgert, dass es sich um keine gewerbsmäßige Tätigkeit handle. Eine Auseinandersetzung mit § 1 Abs. 6 GewO 1994 erfolgte dabei nicht.
15 Nach § 1 Abs. 6 erster Satz GewO 1994 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, bei Vereinen auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Das Merkmal der Ertragsabsicht wird damit gegenüber der allgemeinen Grundregel des § 1 Abs. 2 GewO 1994 weiter gefasst, wobei die allgemeine Bestimmung des § 1 Abs. 2 GewO 1994 daneben weiterhin anwendbar ist (vgl. , mwN).
16 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind die Bewirtung sowie die Beherbergung - ausgenommen bei Vereinsfesten - ausschließlich den Vereinsmitgliedern zugestanden, wobei es bis Mai 2016 "Tagesmitgliedschaften" für EUR 3,00 gegeben habe. Das Verwaltungsgericht hielt in Zusammenhang mit der nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 vorgenommenen Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht des Vereins fest, dass die Preise für Getränke und Speisen "eindeutig" unter jenen lägen, die in "vergleichbaren Schutzhütten" verlangt würden. Diesem Umstand kommt auch unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 6 GewO 1994 Relevanz zu. 17 So indiziert nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die den Vereinsmitgliedern eröffnete Möglichkeit, Leistungen billiger als bei Inanspruchnahme einschlägiger Gewerbebetriebe zu erhalten, einen diesen zufließenden vermögenswerten Vorteil (vgl. zuletzt VwGH Ra 2017/04/0088, mwN; siehe auch schon ; , 90/04/0036). In dem das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall allein auf die Gewinnerzielungsabsicht des Vereins abstellte, hat es verkannt, dass es nach der Sonderregelung des § 1 Abs. 6 GewO 1994 nicht erforderlich ist, dass zugunsten des Vereines selbst ein Gewinn erzielt wird (vgl. , mwN).
18 Darüber hinaus scheint das Verwaltungsgericht - jedoch ohne entsprechende Sachverhaltsfeststellungen - von einer "Vergleichbarkeit" der gegenständlichen Hütte mit anderen Schutzhütten ausgegangen zu sein. Nach § 111 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 stellt der Betrieb einer Schutzhütte ein freies Gewerbe dar (vgl. etwa ). Würde die Hütte des Vereines aber ein ähnliches Angebot und eine ähnliche Ausstattung wie eine Schutzhütte - und damit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes - aufweisen, so wäre auch das zweite Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 6 GewO 1994 erfüllt. 19 Das Verwaltungsgericht hat in Verkennung der Rechtslage Feststellungen zu diesem Beweisthema sowie eine Auseinandersetzung mit den dargestellten Kriterien des § 1 Abs. 6 GewO 1994 unterlassen.
20 4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040128.L00 |
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