VwGH vom 23.07.2013, 2010/05/0133
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der Dipl. Ing. F M Co in Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-90/07, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei:
Ö AG in Wien, vertreten durch die Mayrhofer Rainer Rechtsanwälte OG in 1060 Wien, Theobaldgasse 19), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte kann auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0083, verwiesen werden. Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Baubewilligungsverfahrens ist das Bauansuchen der Mitbeteiligten vom auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 4 Stiegen und 28 Wohneinheiten und einem Geschäftslokal in Massivbauweise auf einer Liegenschaft in Wien, B.-Straße 234. Das Baugrundstück grenzt im Osten an die Liegenschaft B.-Straße 236 der beschwerdeführenden Partei, auf dem sie einen gewerbebehördlich bewilligten Bauhof errichtet hat, dessen Betrieb nach den Einwendungen der Beschwerdeführerin mit einer nicht vermeidbaren Entwicklung von Emissionen (Lärm, Abgase, Erschütterungen) verbunden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hob den im ersten Rechtsgang in diesem Baubewilligungsverfahren im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom mit dem angeführten Vorerkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete das von den Baubehörden durchgeführte Ermittlungsverfahren zu der Frage, ob und bejahendenfalls welche beim Betrieb der benachbarten gewerbebehördlichen Betriebsanlage zulässigerweise entstehenden Emissionen auf der zu bebauenden Liegenschaft als Immissionen eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Benützer oder Bewohner herbeiführen würden, als mangelhaft. Dazu führte er im Besonderen aus:
"Grundlage für die Entscheidungen der Baubehörden war das - offenbar von der mitbeteiligten Bauwerberin vorgelegte - als schalltechnische Beurteilung des zu erwartenden Immissionspegels bezeichnete Gutachten des Dipl. Ing. D. (oben wiedergegeben). Grundlage dieser schalltechnischen Beurteilung sind zwar auf Grund von Messungen ermittelte A-bewertete Schallimmissionspegel für Einzelereignisse, gemessen auf dem Grundstück B… Straße 234 in ca. 3 m Abstand von der Grundstücksgrenze B… Straße 236 (Bauhof), deren Richtigkeit von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten wird. Zweifel an der Richtigkeit dieser Messungen bestehen auf Grund der Aktenlage nicht. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass die gewählten Messpunkte nicht geeignet gewesen wären. Nicht erkennbar ist jedoch, ob im Rahmen der auf Grund der Ergebnisse der Lärmpegelmessungen vorgenommenen Schlussfolgerung neben dem ermittelten Schallpegel hinreichend auch die Lärmart in Bezug auf Tonhaltigkeit, Informationshaltigkeit und Impulshaltigkeit mitberücksichtigt wurde. Dies ist deshalb zweifelhaft, weil sich die schalltechnische Beurteilung des Dipl. Ing. D. auf ein Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, MA 22 Umweltschutz, vom stützt, welches ebenso wie das Schreiben der MA 15 vom auf das Widmungsmaß abstellt und auf Lärmmessungen beruht, die offenbar erst gegen 9 Uhr vormittags durchgeführt worden sind, die Betriebszeiten der gewerbebehördlichen Betriebsanlage der beschwerdeführenden Partei aber offenbar schon zu einem früheren Zeitpunkt beginnen. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht eindeutig nachvollziehbar, ob bei der Beurteilung der Auswirkungen der Lärmimmissionen im aufgezeigten Sinn auch ausreichend mitberücksichtigt wurde, dass bereits ab 6 Uhr früh in der Betriebsanlage der beschwerdeführenden Partei Tätigkeiten ausgeübt werden, die nach den vorhandenen Messergebnissen mit dem höchsten Schalldruckpegel ausgewiesen sind. Zutreffend verweist die beschwerdeführende Partei auch auf das im vorgelegten Verwaltungsakt erliegende Gutachten der MA 15 vom , welches in der schalltechnischen Beurteilung keinen Niederschlag findet. In diesem medizinischen Gutachten wird jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass durch die gemessenen Lärmimmissionen entscheidungsrelevante Gesundheitsgefährdungen der Benützer und/oder Bewohner der zu bebauenden Liegenschaft entstehen, wobei auch dem Grundgeräuschpegel, der sich nach den Behauptungen der beschwerdeführenden Partei seit der zu Grunde gelegten Messung verändert haben soll, Relevanz zuerkannt wurde.
Ergibt sich im fortgesetzten Verfahren nach Ermittlung der zulässigen Immissionsverhältnisse, dass auf Grund der durch die Betriebsanlagengenehmigung gedeckten Emissionen eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Bewohner bzw. Benützer der zu bebauenden Liegenschaft entsteht, sind 'entsprechende bauliche Maßnahmen' notwendig, um diesen Emissionen entgegen zu treten. Ob die Einrichtung nicht öffenbarer - der erforderlichen Qualität des Lärmschutzes entsprechenden - Fenster - wie angeordnet - eine ausreichende bauliche Maßnahme ist, kann ebenfalls nur durch entsprechende Sachverständigengutachten, insbesondere eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen geklärt werden, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass zum Grundstück der beschwerdeführenden Partei auch öffenbare Türen bestehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach § 89 Abs. 2 Bauordnung für Wien eine Belüftbarkeit der Aufenthaltsräume nicht allein dadurch gewährleistet ist, dass die Hauptfenster zum Öffnen eingerichtet sind."
In der Folge führte die belangte Behörde ein im Sinne der Aufhebungsgründe ergänzendes Ermittlungsverfahren durch und holte ergänzende lärmtechnische und medizinische Gutachten zu den im vorliegenden Fall maßgeblichen Fragen ein und räumte der beschwerdeführenden Partei dazu entsprechend Parteiengehör ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass sich dieser auf die zum Bestandteil des Berufungsbescheides erklärten (geänderten) Pläne beziehe.
Sie führte dazu im Wesentlichen aus, das ergänzend eingeholte lärmtechnische Gutachten vom sei auf der Grundlage einer Schallpegelmessung am in der Zeit von 6.00 bis 7.00 Uhr zu dem Ergebnis gekommen, dass der energieäquivalente Dauerschallpegel der betriebsspezifischen Schallimissionen 74 dB, A-bewertet, ausmache. Da es sich um Anlagengeräusche handle, sei für die Ermittlung des Beurteilungspegels der Schallimmissionen der generelle Anpassungswert von 5 dB gemäß ÖAL-Richtlinien Nr. 3 Blatt 1 auf den Wert für den energieäquivalenten Dauerschallpegel der betriebsspezifischen Schallimmissionen anzubringen, sodass dieser 79 dB, A-bewertet, betrage. Die betriebsspezifischen Immissionen aus der Betriebsanlage der beschwerdeführenden Partei würden daher nach diesem Gutachten das im gemischten Baugebiet anzunehmende Widmungsmaß von 60 dB um mehr als 15 dB überschreiten.
Die Mitbeteiligte habe darauf das ursprünglich eingereichte Bauvorhaben insofern abgeändert, als sie diverse bauliche Schallschutzmaßnahmen zusätzlich vorgesehen habe. Das dazu eingeholte lärmtechnische Gutachten vom sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich in den ostseitig angeordneten Wohnräumen eine betriebsspezifische Schallimmission von 22 dB für den A-bewerteten energieäquivalenten Dauerschallpegel und 33 dB für den A-bewerteten mittleren Spitzenpegel ergebe. Die errechneten spezifischen Schallimmissionen ausgehend vom benachbarten Betrieb würden sich daher innerhalb des Grenzwertes der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 45 dB halten. Zur Schirmwirkung durch die ostseitig geplante Schallschutzverglasung habe der lärmtechnische Amtssachverständige in einer weiteren Stellungnahme vom ausgeführt, dass näher angeführte östlich gelegene Wohnungseingänge nicht von Betriebsobjekten des Betriebes der beschwerdeführenden Partei lärmtechnisch abgeschirmt würden. Zur Abschirmung in diesem Bereich solle an den relevanten Wohnungseingangstüren eine zusätzliche Schallschutzfixverglasung aus ESG-Glas in der dreifachen Breite der Wohnungseingangstüren vorgesetzt werden, sodass die spezifischen Schallimmissionen vom Betriebsgelände abgeschirmt würden.
Nach dem in der Folge erstatteten umweltmedizinischen Gutachten vom könne bei der Umsetzung der projektierten baulichen schallschutztechnischen Maßnahmen eine erhebliche Belästigung sowie eine Gesundheitsgefährdung auf Grund der durch die Tätigkeiten im Bereich des Bauhofs verursachten Immissionen ausgeschlossen werden. Alle Beweisergebnisse des zweiten Rechtsganges wurden der Beschwerdeführerin vorgehalten; sie äußerte sich nicht.
In ihrer rechtlichen Begründung führte die belangte Behörde aus, gemäß der vorliegenden und angeführten Gutachten aus den Fachbereichen Lärmtechnik und Umweltmedizin, die von der Beschwerdeführerin unbestritten geblieben seien und sich aus der Sicht der belangten Behörde als schlüssig und nachvollziehbar darstellten, sei davon auszugehen, dass auf Grund der im fortgesetzten Verfahren getroffenen und projektierten baulichen Schallschutzmaßnahmen, die in den neuen geänderten Einreichplänen enthalten seien, eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Benützer oder Bewohner der zu bebauenden Liegenschaft durch die auf Grund der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung gedeckten gemessenen Emissionen des Betriebes der beschwerdeführenden Partei unter Berücksichtigung der Tonhaltigkeit, Informationshaltigkeit und Impulshaltigkeit der Lärmimmissionen ausgeschlossen werden könne. Die Beschwerdeführerin werde daher durch das nunmehr vorliegende (geänderte) Bauvorhaben in dem von ihr geltend gemachten subjektivöffentlichen Nachbarrecht gemäß § 134a Abs. 1 lit. f BO nicht verletzt.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die zunächst dagegen bei ihm erhobene Beschwerde mit Beschluss vom , B 470/10- 3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einleitung des beschwerdegegenständlichen Baubewilligungsverfahrens ist im Beschwerdefall § 134a Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) in der am in Kraft getretenen Fassung der Novelle LGBl. Nr. 36/2001 anzuwenden. Diese Bestimmung lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 134a.
(1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
...
f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen.
...
(3) Emissionen gemäß Abs. 1 lit. f sind nur solche, die auf der Grundlage eines behördlichen Bescheides zulässig sind. Durch solche Emissionen darf auf der zu bebauenden Liegenschaft keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Benützer oder Bewohner entstehen. Diesen Emissionen kann durch entsprechende bauliche Maßnahmen auf der zu bebauenden Liegenschaft oder mit Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) auf der Nachbarliegenschaft entgegen getreten werden."
Die beschwerdeführende Partei erachtet es als nicht mit § 134a Abs. 3 letzter Satz BO in Einklang stehend, dass eine zusätzliche Schallschutzfixverglasung aus ESG-Glas nur in jenem Bereich der Ostseite der Wohnhausanlage vorgesehen ist, der nicht von den Betriebsobjekten auf der Liegenschaft der beschwerdeführenden Partei lärmtechnisch abgeschirmt werde. Drei Viertel der gemeinsamen Grundgrenze seien auf ihrem Grundstück mit Betriebsgebäuden verbaut. Die Maßnahmen, die gemäß § 134a Abs. 3 BO gegen relevante Immissionen aus einem benachbarten Betrieb zu setzen seien, dürften grundsätzlich nur auf der zu bebauenden eigenen Liegenschaft erfolgen. Es sei unzulässig auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin befindliche Gebäude zu solchen Maßnahmen heranzuziehen. Es werde damit auch unzulässigerweise in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin eingegriffen. Wenn die Beschwerdeführerin diese Gebäude entfernen würde, wozu sie gemäß § 354 ABGB jederzeit berechtigt sei, gebe es in diesem Bereich entlang der gemeinsamen Grundgrenze keine geeigneten Schallschutzmaßnahmen im Sinne des § 134a BO. Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang neben der bereits angeführten unzulässigen Eigentumsverletzung auch eine unrichtige Anwendung des § 134a Abs. 3 BO geltend.
Dem Sachvorbringen, dass der Schallschutz überwiegend durch die Baulichkeiten auf dem Grundstück des Beschwerdeführers und nicht durch die neuen Maßnahmen der Bauwerberin bewirkt werde, muss das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegengehalten werden, sodass nicht auf die Frage eingegangen werden muss, inwieweit auch auf zukünftige, zulässige Veränderungen am Betriebsgrundstück Bedacht zu nehmen ist. Die Baubehörde hat, wie dies im Vorerkenntnis entsprechend ausgeführt wurde, im Fall einer Nachbareinwendung gemäß § 134a Abs. 1 lit. f BO zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche beim Betrieb der Betriebsanlage zulässigerweise entstehenden Emissionen als Immissionen auf der zu bebauenden Liegenschaft eine Gefährdung des Lebens der Benützer oder Bewohner herbeiführen würden. Gegebenenfalls ist diesen Emissionen durch entsprechende geeignete Baumaßnahmen entgegenzutreten. Bei der Beurteilung der sich aus einem solchen Nachbarbetrieb ergebenden Immissionsbelastung der Nachbarschaft ist von der tatsächlichen Belastungssituation auszugehen, soweit sie durch die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung gedeckt ist, sofern der Nachbar nicht höhere zulässige Immissionsbelastungen geltend macht (vgl. das angeführte Vorerkenntnis). Es sind danach nur jene Immissionen zu berücksichtigen, die von der Betriebsanlagengenehmigung für den Betrieb des Nachbarn gedeckt sind. Es kann somit eine Verletzung im Recht auf richtige Anwendung des § 134a Abs. 3 BO nicht erkannt werden.
Soweit die beschwerdeführende Partei auch eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes (Art. 5 StGG) geltend macht, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Frage der Einhaltung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG fällt. Der Verfassungsgerichtshof hat keinen Eingriff in das angeführte Grundrecht erkannt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am