VwGH vom 09.11.2010, 2007/21/0558
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 160/07, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides aus, der Beschwerdeführer sei im Juni 2001 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Sein Asylverfahren sei seit "rechtskräftig negativ abgeschlossen". Der Beschwerdeführer habe im Ausweisungsverfahren zwar auf seine Ehe mit einer niederländischen Staatsangehörigen hingewiesen und es sei festgestellt worden, dass er mit ihr in Linz gelebt habe, jedoch habe er mit Schreiben vom bekannt gegeben, dass seine Ehefrau am verstorben sei.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde in ihren rechtlichen Schlussfolgerungen - halte sich seit mangels irgendeiner Aufenthaltsberechtigung rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weshalb die Erlassung einer Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG zulässig sei.
Des Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach auch § 66 FPG der Ausweisung nicht entgegenstehe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 2329/07-3, ablehnte und die Beschwerde über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom , C-127/08, Rs. Metock u. a., klargestellt und im Beschluss vom , C- 5512/07, Rs. Sahin, bekräftigt hat, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG dahingehend auszulegen ist, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der Ehepartner eines Unionsbürgers, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, ist und diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen kann, wann und wo die Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist. Demzufolge haben Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, eine aus dem Gemeinschaftsrecht erfließende Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet auch dann, wenn sie sich schon vor Begründung der familiären Beziehung im Bundesgebiet aufgehalten haben (vgl. dazu weiters etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0379, mwN).
Die belangte Behörde geht in ihrer Beurteilung davon aus, der Beschwerdeführer halte sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens und dem damit verbundenen Verlust der nach asylrechtlichen Bestimmungen gewährten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dabei lässt die belangte Behörde aber außer Acht, dass der Beschwerdeführer - unbestritten - bis zum Tod seiner niederländischen Ehefrau am , die sich der Aktenlage zufolge jedenfalls zumindest seit September 2004 in Österreich aufgehalten hatte, mit dieser in Österreich gelebt hat.
Den Zeitpunkt der Eheschließung hat die belangte Behörde - offensichtlich in der Meinung, dass dieser nicht weiter relevant wäre - nicht ausdrücklich festgestellt. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist diesbezüglich zu entnehmen, dass diese am erfolgt war.
Diesem Umstand kommt für das vorliegende Verfahren Relevanz zu. Gemäß Artikel 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG führt nämlich der Tod des Unionsbürgers für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen und die sich im Aufnahmemitgliedstaat als Familienangehörige vor dem Tod des Unionsbürgers mindestens ein Jahr lang aufgehalten haben, nicht zum Verlust ihres (wie zu ergänzen ist: nach Gemeinschaftsrecht, nunmehr: Unionsrecht, erworbenen) Aufenthaltsrechts. Nach Unterabsatz 3 dieses Artikels behalten die betreffenden Familienangehörigen ihr (unionsrechtliches) Aufenthaltsrecht ausschließlich auf persönlicher Grundlage.
Ausgehend von den aus dem Verwaltungsakt ersichtlichen Daten zur Dauer der Ehe des Beschwerdeführers sowie zur Dauer seines gemeinsam mit seiner Ehefrau erfolgten Aufenthalts im Bundesgebiet kann demnach nicht davon ausgegangen werden, er hielte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, zumal ihm nach Art. 12 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG ein - national bloß zu beurkundendes -
Aufenthaltsrecht zukommt. Dann aber stellt sich die Erlassung einer auf § 53 Abs. 1 FPG gestützten Ausweisung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts als rechtlich verfehlt dar. Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am