VwGH vom 08.08.2018, Ra 2017/04/0115
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision 1. der A G sowie 2. des J G, beide in K und beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG- 2015/32/2036-35, betreffend gewerberechtliches Betriebsanlagenverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel; mitbeteiligte Partei: S GmbH in K, vertreten durch Dr. Anneliese Lindorfer, Mag. Dr. Bernhard Feichtner und Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Josef-Pirchl-Straße 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Der vorliegenden Revision liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde (zum Änderungsgenehmigungsverfahren betreffend die vorliegende Betriebsanlage, das dem hier gegenständlichen Änderungsanzeigeverfahren vorausgegangen ist, vgl. , 0098; sowie , Ra 2015/04/0019):
2 Die S GmbH (mitbeteiligte Partei) betreibt am gegenständlichen Standort einen Lebensmittelgroßhandel und verfügt dafür über eine (bereits mehrfach abgeänderte) Betriebsanlagengenehmigung.
3 Mit Eingabe vom (ergänzt mit Schreiben vom und vom ) zeigte die mitbeteiligte Partei eine Änderung dieser Betriebsanlage an. Die angezeigten Änderungen betrafen neue Anlagenteile (einen Schranken und lärmdämmende Rolltore) sowie einen modifizierten Betriebsablauf. Die mitbeteiligte Partei ging in der Anzeige davon aus, dass die beabsichtigten Maßnahmen nach § 81 Abs. 2 Z 7 und 9 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) genehmigungsfrei seien.
4 Mit Bescheid vom nahm die belangte Behörde diese Änderungen gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 und 9 sowie § 345 Abs. 6 GewO 1994 zur Kenntnis und sprach aus, dass der Bescheid einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides bilde. Nach Ansicht der belangten Behörde sei das eingeholte Sachverständigengutachten großteils nachvollziehbar. Soweit der Sachverständige die Auffassung vertreten habe, dass einzelne Änderungen das Emissionsverhalten der Anlage nachteilig beeinflussen würden, erachtete die belangte Behörde die dagegen vorgebrachten Ausführungen der S GmbH als begründet. Die angezeigten Änderungen würden somit die Voraussetzungen gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 und 9 GewO 1994 erfüllen.
5 Im Hinblick auf deren beschränkte Parteistellung wurde den revisionswerbenden Parteien, nachdem ihnen im Verfahren bereits Parteiengehör eingeräumt worden war, der Bescheid zugestellt. Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der sie u.a. vorbrachten, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines Änderungsanzeigeverfahrens nicht erfüllt seien.
6 Auf Aufforderung zur Stellungnahme durch das Verwaltungsgericht, der die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zugrunde lag, teilte die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom mit, die verfahrensgegenständliche Anzeige dahingehend einzuschränken, dass die (ursprünglich enthaltenen) zwei Ausfahrten aus der Garage Nord zwischen 05.00 Uhr und 06.00 Uhr nicht mehr angezeigt würden.
7 Mit Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien insofern statt, als der bekämpfte Bescheid in dem Umfang, in dem das Ausfahren von maximal zwei LKW aus der Garage Nord zur Kenntnis genommen worden sei, ersatzlos aufgehoben wurde.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes sei es zulässig, eine Maßnahme, die zu einer Erhöhung der Emissionen der gegenständlichen Betriebsanlage geführt hätte, aus der Anzeige herauszunehmen. Eine derartige Einschränkung sei im Rahmen eines Projektverfahrens zulässig und es bestünden keine Bedenken im Zusammenhang mit § 13 Abs. 8 AVG. Es sei daher ein Teilerkenntnis zu erlassen gewesen, wonach die von der Einschränkung erfasste Maßnahme nicht mehr vom bekämpften Bescheid umfasst sei.
Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien außerordentliche Revision, die zu hg. Ra 2017/04/0090, 0091 protokolliert ist.
8 Mit Schriftsatz vom schränkte die mitbeteiligte Partei ihre Anzeige ein weiteres Mal - diesmal um die ausnahmsweise Warenauslieferung an Sonn- und Feiertagen - ein.
9 Im Hinblick auf das Inkrafttreten der Novellierung der Gewerbeordnung 1994 durch BGBl. I Nr. 96/2017, der zufolge Änderungen gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 nicht mehr anzuzeigen seien, ersuchte das Verwaltungsgericht die mitbeteiligte Partei um Mitteilung, ob und gegebenenfalls welche der Änderungen nach § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 angezeigt würden.
10 Mit Schriftsatz vom teilte die mitbeteiligte Partei (wie von ihr vorgebracht: klarstellend) mit, dass die Anzeige auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestützt werde. Die angezeigten Änderungen seien emissionsneutral, eine Vorschreibung von Auflagen sei nicht erforderlich.
11 2. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien insofern statt, als der bekämpfte Bescheid in dem Umfang, in dem die ausnahmsweise Warenauslieferung an Sonn- und Feiertagen an sieben Tagen zur Kenntnis genommen worden sei, ersatzlos aufgehoben wurde (Spruchpunkt 1.). Im Übrigen wurde der bekämpfte Bescheid, soweit er nicht bereits ersatzlos aufgehoben worden sei, behoben (Spruchpunkt 2.).
Weiters wurde mit Beschluss die nunmehr ausschließlich auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestützte Anzeige von Änderungen der gegenständlichen Betriebsanlage zurückgewiesen (Spruchpunkt 3.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (Spruchpunkt 4.).
12 Zu Spruchpunkt 1. ging das Verwaltungsgericht - der Sache nach wie in seinem Erkenntnis vom (siehe Rn. 7) - davon aus, dass die zulässige Einschränkung der von der Anzeige erfassten Maßnahmen durch die mitbeteiligte Partei zur ersatzlosen Behebung des bekämpften Bescheides insoweit führe, als über die nicht mehr angezeigte Maßnahme abgesprochen worden sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass die vorgenommene Einschränkung für die revisionswerbenden Parteien von Nachteil sein könne, weil jene Immissionen, die mit der nicht mehr angezeigten Maßnahme verbunden wären, vermieden würden.
13 Zu den Spruchpunkten 2. und 3. hielt das Verwaltungsgericht fest, die (durch BGBl. I Nr. 96/2017) geänderte Rechtslage sei auf das anhängige Verfahren anzuwenden. Bei der Mitteilung, wonach die Anzeige nur auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestützt werde, handle es sich um eine zulässige Modifikation. Da eine ausschließlich auf die Z 9 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 gestützte Anzeige von Änderungen unzulässig sei, sei der bekämpfte Bescheid (soweit nicht bereits aus anderen Gründen eine ersatzlose Behebung erfolgt sei) zu beheben und die Anzeige zurückzuweisen gewesen.
14 3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
15 Zur Zulässigkeit wird vorgebracht, es gebe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, ob eine Änderungsanzeige nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 nachträglich eingeschränkt werden könne. Nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien sei für das Änderungsanzeigeverfahren - ähnlich wie für das Anmeldeverfahren nach den §§ 339 f GewO 1994 und die Anzeige eines Gastgartens nach § 76a GewO 1994 - davon auszugehen, dass bei der Beurteilung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anzeige abzustellen sei. Angesichts der kurzen Entscheidungsfristen könne eine Anzeige nicht beliebig abgeändert bzw. eingeschränkt werden. Da die angezeigten Änderungen eine Erweiterung des Betriebsverkehrs beinhalten würden, hätte das Verwaltungsgericht den bekämpften Bescheid abändern und die angezeigten Maßnahmen untersagen müssen.
16 Zudem liege keine Rechtsprechung dazu vor, ob eine vor dem Inkrafttreten der GewO-Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 erstattete und ursprünglich auf § 81 Abs. 2 Z 7 und 9 GewO 1994 gestützte Anzeige nachträglich dahingehend eingeschränkt werden könne, dass die Anzeige nur mehr auf die Z 9 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 gestützt werde. Nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien sei dies nicht zulässig.
17 3.2. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie - unter Zuspruch von Aufwandersatz - die Zurückweisung der Revision, in eventu deren Abweisung beantragt.
18 Darin bringt sie zunächst vor, dass die revisionswerbenden Parteien durch die angefochtene Entscheidung, mit der die Anzeige der mitbeteiligten Partei zurückgewiesen worden sei, nicht in Rechten verletzt worden seien. Am "Genehmigungsstand" habe sich durch dieses Verfahren nichts geändert. Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Parteien habe das Verwaltungsgericht die aktuelle Rechtslage anzuwenden gehabt. Das in der Revision ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2014/04/0005, zu § 76a GewO 1994 lasse keine Rückschlüsse auf die hier gegenständliche Frage zu, weil die zugrunde liegenden Regelungen nicht vergleichbar seien. Eine Änderungsanzeige könne jederzeit eingeschränkt oder zurückgezogen werden. Auch die revisionswerbenden Parteien hätten anerkannt, dass eine vollständige Zurückziehung der Anzeige zulässig gewesen wäre. Daher sei eine Beeinträchtigung durch eine Einschränkung der Anzeige auszuschließen.
19 3.3. Die belangte Behörde erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung der Revision, in eventu deren Abweisung beantragt.
20 Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dass § 353 GewO 1994 im Änderungsanzeigeverfahren anwendbar sei und daher die Möglichkeit des Anzeigers bestehe, das Projekt entsprechend abzuändern. Da die mitbeteiligte Partei klar zum Ausdruck gebracht habe, keine Änderung gestützt auf § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 zu begehren, habe das Verwaltungsgericht die Anzeige angesichts der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage (die GewO-Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 sehe keine Übergangsbestimmung vor) zurückzuweisen gehabt, weil Änderungen gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 nicht mehr anzuzeigen seien. Somit könnten die revisionswerbenden Parteien durch das angefochtene Erkenntnis nicht beschwert sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
21 4. Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194 in der Fassung vor der GewO-Novelle BGBl. I Nr. 96/2017, lauteten wie folgt:
"§ 81. (1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
(2) Eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 ist jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:
...
7. Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den
Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden,
...
9. Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht
nachteilig beeinflussen,
...
(3) Der Ersatz solcher gleichartiger Maschinen, Geräte oder Ausstattungen gemäß Abs. 2 Z 5, wegen deren Verwendung die Anlage einer Genehmigung bedurfte, sowie Änderungen gemäß Abs. 2 Z 7, Z 9 und Z 11 sind der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Das ersetzte Gerät, die ersetzte Maschine, die ersetzte Ausstattung oder die dem Nachweis der Gleichartigkeit dienenden Belege sind bis zur Erlassung des Bescheides gemäß § 345 Abs. 6 aufzubewahren.
...
c) Anzeigeverfahren
§ 345. ...
...
(5) Wenn die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet worden ist unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff dies mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen.
(6) Die Behörde hat die Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 binnen zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Der Bescheid bildet einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, hat die Behörde innerhalb von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige einen Bescheid im Sinne des Abs. 5 zu erlassen. Für die den Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 anzuschließenden Belege gilt § 353. Im Fall einer Änderung gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 darf mit dem Betrieb der geänderten Betriebsanlage erst nach Erlassung des Bescheides im Sinne des ersten Satzes begonnen werden."
22 Durch die am in Kraft getretene GewO-Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 wurden - soweit vorliegend von Relevanz - § 81 Abs. 3 und § 345 Abs. 6 GewO 1994 geändert. Die geänderten Bestimmungen sowie die entsprechende Inkrafttretensvorschrift lauten in dieser Fassung wie folgt:
"§ 81. ...
...
(3) Änderungen gemäß Abs. 2 Z 7 sind der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen.
...
c) Anzeigeverfahren
§ 345. ...
...
(6) Die Behörde hat Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 binnen zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Der Bescheid bildet einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, hat die Behörde innerhalb von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige einen Bescheid im Sinne des Abs. 5 zu erlassen. Für die den Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 anzuschließenden Belege gilt § 353. Mit dem Betrieb der geänderten Betriebsanlage darf erst nach Erlassung des Bescheides im Sinne des ersten Satzes begonnen werden.
...
§ 382. ...
...
(89) § 52 Abs. 1, § 71b Z 10 und 11, § 74 Abs. 1, § 77a Abs. 7 bis 9, § 81 Abs. 3, § 84l Abs. 5, § 113 Abs. 5, § 345 Abs. 6, § 353 Z 2, § 353b, § 356a Abs. 1, § 356b Abs. 1, § 356d, § 359a, § 359b, § 371c und § 376 Z 60 und 61 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 96/2017 noch nicht abgeschlossene Verfahren betreffend Betriebsanlagen ist § 356b Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 96/2017 nicht anzuwenden; für diese Verfahren ist die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 96/2017 geltende Rechtslage weiterhin anzuwenden. Auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 96/2017 bereits abgeschlossene strafbare Tätigkeiten oder strafbares Verhalten, das zu diesem Zeitpunkt bereits aufgehört hat, ist § 371c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 96/2017 nicht anzuwenden, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 96/2017 betreffend diese Tätigkeiten oder dieses Verhalten bereits eine Verfolgungshandlung gesetzt worden ist.
..."
23 5. Sowohl die mitbeteiligte Partei als auch die belangte Behörde bringen in ihren Revisionsbeantwortungen vor, die revisionswerbenden Parteien können durch die angefochtene Entscheidung, mit der die Anzeige der mitbeteiligten Partei zurückgewiesen worden sei, nicht in Rechten verletzt werden. Dazu ist anzumerken, dass die revisionswerbenden Parteien behaupten, über die nicht zurückgezogene Anzeige wäre anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Einbringung zu entscheiden und dementsprechend wären die (auch) gemäß der Z 9 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 angezeigten Maßnahmen (in ihrer ursprünglich angezeigten Form) zur Gänze zu untersagen gewesen. Damit wird aber - das Zutreffen dieser Argumentation vorausgesetzt - zumindest die Möglichkeit einer Rechtsverletzung dargetan, weil mit der Zurückweisung der Anzeige diesem Begehren nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird (siehe allgemein zur Rechtsverletzungsmöglichkeit ).
24 Ausgehend davon ist die vorliegende Revision im Hinblick auf das unter den Rn. 15 f dargestellte Vorbringen zulässig.
25 6.1. Durch die GewO-Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 wurden die hier maßgeblichen Bestimmungen der §§ 81 und 345 GewO 1994 dahingehend geändert, dass hinsichtlich der genehmigungsfreien Änderungen nach den Z 5, 9 und 11 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 die Anzeigepflicht entfallen ist. Die Erläuterungen zu dem der Novelle zugrunde liegenden Ministerialentwurf, 269/ME 25. GP 8, begründen dies damit, dass die betreffende Anzeigepflicht von der Wirtschaft als unnötig belastend empfunden werde und der Entfall auch eine Entlastung der Behörden mit sich bringe. Dementsprechend werde das Anzeigeverfahren gemäß § 345 Abs. 6 GewO 1994 auf den noch verbliebenen Fall des § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 eingeschränkt. Eine Übergangsbestimmung betreffend anhängige Änderungsanzeigeverfahren, die auf einer (nun nicht mehr anzeigepflichtigen) Änderung gemäß den Z 5, 9 oder 11 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 beruhen, enthält die Regelung des § 382 Abs. 89 GewO 1994 (anders als für andere anhängige Verfahren) nicht.
26 In Ermangelung einer solchen Übergangsbestimmung kann ein auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestütztes Änderungsanzeigeverfahren (anders als ein Verfahren betreffend eine nach wie vor anzeigepflichtige Änderung nach § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994) nach Inkrafttreten dieser Novellierung nicht mehr mittels Bescheides nach § 345 Abs. 6 GewO 1994 (somit im positiven Fall durch Kenntnisnahme der Anzeige bzw. im negativen Fall durch eine Untersagung der angezeigten Maßnahme) erledigt werden. Als Folge der Änderung der Rechtslage durch die genannte Novellierung kommt den Nachbarn in Ermangelung eines Verfahrensgegenstandes, der einem Anzeigeverfahren zu unterziehen ist, insoweit auch keine eingeschränkte Parteistellung mehr zu (vgl. diesbezüglich auch Bergthaler, Anlagenänderung ohne Verfahren? in ÖZW 2017, 167 (170); Pinter, GewO-Novelle 2017 - Verwaltungsvereinfachung durch Entfall von Anzeigepflichten, in ecolex 2018, 375 (378)). Ausgehend davon ist das Verwaltungsgericht dem Grunde nach zutreffend davon ausgegangen, dass ein anhängiges Verfahren betreffend eine auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestützte Änderungsanzeige dahingehend zu erledigen ist, dass der (diese Anzeige erledigende) Bescheid nach § 345 Abs. 6 GewO 1994 zu beheben und die Anzeige - auf Grund des Wegfalls der Anzeigepflicht während des laufenden Verfahrens - zurückzuweisen ist.
27 6.2. Zu prüfen ist allerdings, ob der mitbeteiligten Partei die Möglichkeit offen stand, ihre Anzeige während des laufenden Verfahrens dahingehend zu modifizieren, dass diese nur auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestützt werde, bzw. ob das Verwaltungsgericht nicht unter Außerachtlassung dieser Mitteilung der mitbeteiligten Partei vom über die auch auf die Z 7 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 gestützte Anzeige in ihrer ursprünglichen Form zu entscheiden hatte. Dazu ist Folgendes festzuhalten:
28 Durch die Anzeige nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 wird ein Verfahren eingeleitet, das nach § 345 Abs. 6 GewO 1994 jedenfalls mittels Bescheid zu beenden ist (siehe auch Pöschl, System der GewO (2016), Rn. 656). Daran vermag der Umstand, dass der Anzeige nach der Rechtslage vor der GewO-Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 - soweit es sich nicht um eine Änderung gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 handelte - insoweit konstitutiver Charakter zukam, als die Änderung bereits vor Erlassung des Bescheides über die Kenntnisnahme, nämlich mit der Anzeige, in Betrieb genommen werden durfte, nichts zu ändern (vgl. in diesem Zusammenhang Ennöckl/Kaserer, § 345, in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), Kommentar zur Gewerbeordnung 1994, Rz. 14; Bergthaler/Holzinger, Die "nachbarneutrale" Änderung - ein trojanisches Pferd im Betriebsanlagenrecht? in ÖZW 2014, 30).
29 Im vorliegenden Fall wurde mit der hier gegenständlichen Anzeige eine Reihe von Änderungen angezeigt. Die Anzeige wurde (undifferenziert) auf die Tatbestände der Z 7 und 9 des § 81 Abs. 2 GewO 1994 gestützt. Wenn nun während des anhängigen Verfahrens die Zuständigkeit (hier) des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich eines dieser Tatbestände weggefallen ist und eine Zuordnung der in der verfahrenseinleitenden Anzeige genannten Änderungen zum jeweils maßgeblichen Tatbestand aus der Anzeige nicht hervorgeht, dann ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, den Anzeiger insoweit zur Aufklärung aufzufordern. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht diesfalls (wie die revisionswerbenden Parteien offenbar meinen) die Anzeige in ihrer ursprünglichen Form durch Bescheid nach § 345 Abs. 6 GewO 1994 zu erledigen hätte. Dies würde nämlich bedeuten, dass das Verwaltungsgericht (soweit der Anzeige Änderungen gemäß § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 zugrunde liegen) eine Zuständigkeit zur Sachentscheidung in Anspruch nimmt, die ihm nicht mehr zukommt. Eine Übergangsbestimmung, die eine Fortführung eines auch auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestützten Verfahrens nach Wegfall der die Durchführung eines derartigen Verfahrens normierenden Bestimmung vorsieht, enthält die GewO-Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 aber, wie dargestellt, nicht. Ebenso wenig ist anzunehmen, dass eine derartige Anzeige nach Änderung der Rechtslage ohne vorherigen Aufklärungsversuch zur Gänze mit der Begründung zurückzuweisen wäre, dass die Anzeige teilweise keine Zuständigkeit zur Sachentscheidung mehr begründet (abgesehen davon wäre mit einer derartigen Zurückweisung der Anzeige für die revisionswerbenden Parteien im vorliegenden Fall ohnehin nichts gewonnen).
30 6.3. Dem steht die Judikatur zur mangelnden Verbesserungsmöglichkeit einer Gewerbeanmeldung nach den §§ 339 f GewO 1994 nicht entgegen (vgl. im Zusammenhang mit dem Fehlen von Unterlagen , mwN). Im vorliegenden Zusammenhang geht es nämlich nicht darum, dass Mängel der Anmeldung zu Lasten des Einschreiters gehen und daher eine negative Entscheidung nach sich ziehen. Entscheidend ist vielmehr, ob bzw. in welchem Umfang infolge einer Änderung der Rechtslage noch eine Zuständigkeit besteht, in der Sache über eine Anzeige abzusprechen. Diese für den Umfang der Entscheidungsbefugnis wesentliche Frage ist aber von der Behörde (bzw. im vorliegenden Fall vom Verwaltungsgericht) jedenfalls zu klären. Dementsprechend hat der Einschreiter eine - vor dem Hintergrund der geänderten Rechtslage: unklare - Anzeige zu modifizieren.
31 6.4. Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass infolge der Mitteilung der mitbeteiligten Partei der bekämpfte Bescheid (soweit er nicht bereits aus anderen Gründen behoben worden ist) zu beheben und die Anzeige zurückzuweisen war.
32 7. Aber auch mit ihrem Vorbringen betreffend Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses vermag die Revision keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Der Revision ist zwar darin Recht zu geben, dass eine auf § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 gestützte Anzeige - wie bereits ausgeführt (siehe Rn. 28) - insofern konstitutiv wirkt, als mit dem Betrieb in der geänderten Form bereits mit der Anzeige (und nicht erst mit der bescheidmäßigen Kenntnisnahme) begonnen werden darf.
33 Von der - in der Revision ins Treffen geführten - Gewerbeanmeldung nach den §§ 339 f GewO 1994 bzw. der Anzeige eines Gastgartens nach § 76a GewO 1994 unterscheidet sich die hier gegenständliche Änderungsanzeige aber dadurch, dass darüber - wie ebenfalls bereits ausgeführt (siehe Rn. 28) - jedenfalls ein Bescheid (positiv als Kenntnisnahme, negativ als Untersagung der Maßnahme) zu ergehen hat. Entgegen der Auffassung der revisionswerbenden Parteien ist das Änderungsanzeigeverfahren somit nicht mit der Anzeige abgeschlossen und insoweit kann die Anzeige als verfahrenseinleitender Antrag im Sinn des § 13 Abs. 8 AVG angesehen werden. Zudem ist zu beachten, dass Gegenstand einer Änderungsanzeige - anders als die Anmeldung bloß eines Gewerbes - mehrere, einer getrennten Beurteilung zugängliche Änderungsmaßnahmen sein können.
34 Aus dem in der Revision herangezogenen, die Gastgartenregelung des § 76a GewO 1994 betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2014/04/0005, lässt sich für den vorliegenden Fall nichts gewinnen, weil es dort darum ging, ob eine Verschärfung der Rechtslage auf eine bereits zuvor entstandene Erlaubnis zum Betrieb eines Gastgartens durchschlägt, und nicht (wie hier) darum, ob ein Anbringen während des laufenden Verfahrens eingeschränkt werden kann.
35 Entgegen dem Revisionsvorbringen lässt sich auch aus der kurzen (zweimonatigen) Entscheidungsfrist für die Frage der Zulässigkeit einer Abänderung der Anzeige nichts ableiten, weil eine (wie hier) Einschränkung der Anzeige nicht bedeutet, dass die Anzeige als bereits ursprünglich im eingeschränkten Umfang eingebracht anzusehen ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/04/0082, im Zusammenhang mit einer Anzeige nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 festgehalten hat, dass der Gegenstand des antragsbedürftigen Verfahrens durch das Anbringen festgelegt ist und somit der Antragsteller (hier Anzeiger) bestimmt, was Gegenstand des Verfahrens ist. Im zitierten Erkenntnis wurde ebenfalls festgehalten, dass es dem Einschreiter unbenommen ist, seine Anzeige vor Erledigung zurückzuziehen und ein anderes Anbringen einzubringen. Ausgehend davon spricht aber nichts gegen eine Dispositionsmöglichkeit des Anzeigers dahingehend, die Anzeige nur hinsichtlich einzelner angezeigter, einer eigenständigen Beurteilung zugänglicher Maßnahmen zurückzuziehen.
36 8. Die vorliegende Revision war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
37 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040115.L00 |
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