VwGH vom 25.04.2013, 2012/10/0044

VwGH vom 25.04.2013, 2012/10/0044

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/10/0090

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerden des W.D. in M., vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2, gegen die Bescheide des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit 1.) vom , Zl. D 2/2009 (protokolliert zur hg. Zl. 2012/10/0044), betreffend Disziplinarverfahren nach dem Apothekerkammergesetz 2001, und

2.) vom , Zl. D 2/2009 (protokolliert zur Zl. 2012/10/0090), betreffend Berichtigung des genannten Bescheides vom , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Österreichischen Apothekerkammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.221,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Apothekerkammer (der Behörde erster Instanz) vom wurde der Beschwerdeführer von der Anschuldigung freigesprochen, er habe am in M. in der Zeit von 0:20 bis ca. 0:50 Uhr für die Einhaltung der Bestimmung des § 8 Abs. 5 Apothekengesetz (ApG), wonach der Apothekenleiter oder ein anderer vertretungsberechtigter Apotheker während des von der Bezirksverwaltungsbehörde turnusmäßig eingeteilten Bereitschaftsdienstes zur Abgabe von Arzneimitteln anwesend sein müsse, nicht gesorgt und dadurch - entgegen Art. I der Berufssitte des Apothekerstandes - gegenüber einem Kunden das Ansehen der Apothekerschaft beeinträchtigt und überdies Berufspflichten verletzt, zu deren Einhaltung er nach § 8 Abs. 5 ApG verpflichtet sei, und dadurch ein Disziplinarvergehen nach § 39 Abs. 1 Z. 1 Apothekerkammergesetz 2001 (AKG) begangen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe vom 12. (am Abend) bis zum (in der Früh) als einziger Pharmazeut in der W.-Apotheke in M. Dienst versehen. Am 14. und habe der Beschwerdeführer an einem schweren grippalen Infekt gelitten, weshalb er Arzneimittel eingenommen habe. Deswegen und weil der Beschwerdeführer mehr als 70 Stunden Dienst versehen habe, sei er sehr müde gewesen.

Am um ca. 0:20 Uhr seien K.V. und F.V. zur W.-Apotheke gekommen, welche aufgrund der von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gemäß § 8 Abs. 5 ApG erlassenen Verordnung turnusmäßig Bereitschaftsdienst gehabt habe. F.V. habe die Nachtglocke betätigt. Als keine Reaktion erfolgt sei, sei die Glocke erneut für längere Zeit betätigt worden. Gegen 0:40 Uhr habe F.V. mit seinem Mobiltelefon die Festnetz-Rufnummer der W.- Apotheke angerufen. Es sei "keine telefonische Verbindung hergestellt" worden und weiterhin aus der unbeleuchteten Apotheke keine Reaktion erfolgt. Daraufhin habe F.V. - wiederum vergeblich -

die Nachtglocke betätigt; die beiden hätten den Vorplatz der W.- Apotheke schließlich um 0:50 Uhr verlassen.

Der Beschwerdeführer habe im Bereitschaftsraum der W.- Apotheke eine Art Feldbett, um sich kurzfristig ausruhen zu können. Die Wohnung des Beschwerdeführers befinde sich im zweiten Stock des Apothekenhauses. Einige Zeit nach Mitternacht des sei der Beschwerdeführer in seine Wohnung gegangen, um sich ein Essen zuzubereiten.

Der Beschwerdeführer habe im Dezember 2008 zwei gleich aussehende Handys besessen, und zwar eines für den dienstlichen und eines für den privaten Gebrauch. Das Diensthandy, welches mit der Apothekenglocke verbunden gewesen sei, sei am 14. und defekt gewesen. Der Beschwerdeführer habe die SIM-Karte aus dem Diensthandy genommen und in das Privathandy gesteckt. Als der Beschwerdeführer in seine Wohnung gegangen sei, habe er sein Privathandy mitgenommen. Den Anruf von F.V. habe er nicht gehört.

Aus den getroffenen Feststellungen ergebe sich zweifelsfrei ein Verstoß gegen Artikel I der Berufssitte und § 8 Abs. 5 ApG. Das Beweisverfahren habe keinen Hinweis auf ein vorsätzliches Vorgehen des Beschwerdeführers ergeben; gemäß § 39 Abs. 4 AKG genüge fahrlässiges Verhalten für die Strafbarkeit.

Allerdings könne nicht geklärt werden, warum der Beschwerdeführer den Anruf von F.V. nicht gehört oder empfangen habe (wofür viele Gründe denkbar seien). Die Frage, ob dem Beschwerdeführer die Beachtung der gebotenen Sorgfalt in seiner besonderen Situation, insbesondere unter Berücksichtigung seiner damaligen körperlichen, seelischen und geistigen Verfassung und Übermüdung, zumutbar gewesen sei, könne jedenfalls im Zweifel mit der für einen Schuldspruch gebotenen Sicherheit nicht bejaht werden. Es sei somit mit einem Freispruch vorzugehen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Disziplinaranwalt Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben und die Disziplinarstrafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die im erstbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen würden eine Verurteilung des Beschwerdeführers nicht tragen. Allerdings sei die Berufung insofern im Recht, als im erstbehördlichen Bescheid entscheidungswesentliche Tatsachen nicht erhoben und festgestellt worden seien.

Aufgrund diverser, vom Beschwerdeführer vorgelegter fachärztlicher Stellungnahmen habe die Behörde erster Instanz von einer ergänzenden Vernehmung des Beschwerdeführers abgesehen, allerdings auch auf die Einholung eines Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen verzichtet. Als Begründung dafür habe die Behörde erster Instanz angeführt, dass es keinen Rechtszwang zur Ablegung einer Aussage für den Beschwerdeführer gebe.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - habe allerdings nie zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit sei, eine ergänzende Aussage zu machen. In einem Privatgutachten vom habe der Facharzt für Psychiatrie Dr. W.L. vielmehr ausgeführt, der Beschwerdeführer sei aufgrund einer depressiven Anpassungsstörung und Belastungsreaktion "derzeit nicht verhandlungsfähig"; es sei jedoch "durch eine adäquate Behandlung mit einer wesentlichen Verbesserung der affektiven Symptomatik zu rechnen".

Nach einem Ersuchen des Beschwerdeführervertreters um Vertagung der Verhandlung sei von der Behörde erster Instanz im Sitzungsprotokoll vom ein ergänzender Fragenkatalog verfasst worden, der Dauer, Ausmaß und Auswirkungen des grippalen Infekts, die eingenommenen Medikamente sowie die Frage des nichtfunktionierenden Mobiltelefons zu Recht genauer habe hinterfragen sollen. Diese Fragen sollten durch den Erhebungskommissär außerhalb einer Verhandlungssituation gestellt werden. Da sich der Beschwerdeführer neuerlich außerstande gesehen habe, die Fragen zum festgesetzten Termin zu beantworten, habe sein Rechtsvertreter am eine weitere fachärztliche Stellungnahme von Dr. W.L. vorgelegt und neuerlich ersucht, die Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen; die fachärztliche Stellungnahme habe von einer neuerlichen ausgeprägten depressiven Symptomatik beim Beschwerdeführer gesprochen und eine Befragung im Rahmen eines Einzelgesprächs empfohlen, die aus fachärztlicher Sicht möglich und einer kommissionellen Befragung vorzuziehen sei.

In der Verhandlung vom "" habe sich der Beschwerdeführer schließlich "wegen Arbeitsüberlastung" entschuldigen lassen.

Aus diesem Vorbringen - so die belangte Behörde schließlich - gehe hervor, dass der Beschuldigte zwar grundsätzlich bereit gewesen sei, sich den ergänzenden Fragen der Behörde erster Instanz zu stellen, sich allerdings aufgrund seiner psychischen Befindlichkeit außerstande gesehen habe, die Verhandlungssituation ohne gröbere Probleme zu meistern. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum sich die Behörde erster Instanz auf das Argument, ein Rechtszwang zur Aussage bestehe nicht, zurückziehe und keine weiteren amtswegigen Erhebungen zur Verhandlungsfähigkeit und insbesondere zur Frage, wann diese wiederhergestellt werden könnte, gepflegt habe. Dazu sei insbesondere darauf zu verweisen, dass die Beiziehung eines Privatgutachters dem Gesetz fremd sei und die Auswahl des Sachverständigen ausschließlich dem Gericht zukomme.

Es wäre daher schon im Verfahren vor der Behörde erster Instanz abzuklären gewesen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich nicht vernehmungsfähig sei bzw. wann und unter welchen Umständen mit einer Besserung seines Zustandes zu rechnen sei.

Im zweiten Rechtsgang sei jedenfalls abzuklären, seit wann der Beschwerdeführer an einem grippalen Infekt gelitten und wie sich dieser konkret ausgewirkt habe. Der Beschwerdeführer sei im fortgesetzten Verfahren unter anderem auch darüber zu befragen, ob und wann er sich in ärztliche Behandlung begeben habe, welche Medikamente von ihm eingenommen worden seien und wie deren Wirkungsweise gewesen sei. Auch seien der Umfang der im Vorfeld des Bereitschaftsdienstes tatsächlich verrichteten Dienste und die näheren Umstände des Versagens des Mobiltelefons abzuklären; weiters sei die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers von einem unabhängigen Sachverständigen zu beurteilen. Darüber hinaus werde der Beschwerdeführer zu gegebener Zeit und in angemessenem Rahmen dazu anzuhalten sein, die ergänzenden Fragen zu erörtern, sodass die Behörde erster Instanz eine tragfähige Basis für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite gewinnen könne.

3. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom berichtigte die belangte Behörde den erstangefochtenen Bescheid gemäß § 270 Abs. 3 StPO wie folgt:

"Auf Seite 2 des Disziplinarberufungserkenntnisses hat der erste Satz richtig zu lauten: 'Nach den wesentlichen Feststellungen des Disziplinarrates war der Disziplinarbeschuldigte bereits mit Disziplinarerkenntnis vom sowie vom jeweils wegen Verstößen gegen die Bestimmung des § 8 Abs. 5 Apothekengesetz, im zweiten Fall auch wegen eines Verstoßes gegen § 8 Abs. 3 Apothekengesetz zu Disziplinarstrafen verurteilt worden'.

Der letzte Satz auf Seite 3 des Disziplinarberufungserkenntnisses hat richtig wie folgt zu lauten:

In der Disziplinarverhandlung vom ließ sich (der Beschwerdeführer) schließlich entschuldigen.

Schließlich hat auf Seite 4 des Disziplinarberufungserkenntnisses der in der drittletzten Zeile des ersten Absatzes beginnende Klammerausdruck wie folgt richtig zu lauten:

(siehe z.B. 11 Os 96/11v bzw. Ratz, WK-StoPO § 281 Rz 351)"

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Interesse - aus, gemäß § 270 Abs. 3 StPO, welcher im Disziplinarverfahren analog anzuwenden sei, seien Schreib- und Rechenfehler sowie solche Formgebrechen und Auslassungen, die nicht den Ausspruch beträfen, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden worden, welche strafbare Handlung dadurch begangen worden und zu welcher Strafe der Angeklagte verurteilt worden sei, durch den Vorsitzenden jederzeit zu berichtigen. Die Berichtigung könne sowohl über Antrag als auch von Amts wegen erfolgen.

Bei dem auf S. 3 des erstangefochtenen Bescheides berichtigten Datum handle es sich um einen Schreibfehler. Dieser Fehler betreffe nicht den Spruch des Erkenntnisses an sich und stelle auch keinen Widerspruch zu diesem dar; er sei daher einer amtswegigen Berichtigung analog zu § 270 Abs. 3 StPO zugänglich.

3. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:

1. zu dem erstangefochtenen Bescheid :

1.1. Die Beschwerde bringt zunächst vor, der angefochtene Bescheid habe ganz erhebliche Mängel. So beginne die Seite 2 des angefochtenen Bescheides "mitten in einem Satz". Auf Seite 3 werde von einer Disziplinarverhandlung vom gesprochen, welche "mit Sicherheit nicht stattgefunden" habe. Auf Seite 4 werde in einem Klammerausdruck auf ein "oberstgerichtliches Straferkenntnis" verwiesen, wobei das Zitat zweifach unrichtig dargestellt werde.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Der erstangefochtene Bescheid bildet mit dem zweitangefochtenen Bescheid, einem Berichtigungsbescheid, eine Einheit. Der Berichtigungsbescheid tritt - jedenfalls in dem Umfang, in dem er durch den Beschwerdeführer nicht bekämpft wurde (s. dazu unten Punkt 2.2.) - an die Stelle des berichtigten Bescheides, der somit in diesem Umfang (infolge der Änderung durch den Berichtigungsbescheid) nicht mehr Beschwerdegegenstand ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/10/0095, mwN).

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers zur Unvollständigkeit auf S. 2 des erstangefochtenen Bescheides und zu dem unrichtigen Zitat auf dessen Seite 4 genügt somit der Hinweis, dass der erstangefochtene Bescheid durch den zweitangefochtenen Bescheid entsprechend abgeändert wurde (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom ).

Die Feststellung des letzten Satzes auf S. 3 des erstangefochtenen Bescheides (deren Berichtigung durch den zweitangefochtenen Bescheid der Beschwerdeführer bekämpft) bezieht sich auf ein früheres Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0167) und ist somit für das vorliegende Beschwerdeverfahren ohne Relevanz.

1.2. Soweit die Beschwerde rügt, die Berufung des Disziplinaranwaltes sei verspätet erfolgt, ist dem zu entgegnen, dass aus dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein hervorgeht, dass der erstbehördliche Bescheid dem Disziplinaranwalt am zugestellt wurde. Die Berufungsfrist von vier Wochen (vgl. § 57 Abs. 2 AKG) endete somit am . Die bei der Behörde am eingelangte Berufung ist somit rechtzeitig.

1.3. Die Beschwerde bringt weiters vor, die von der belangten Behörde ausgesprochene Aufhebung und Zurückweisung zur ergänzenden Befragung des Disziplinarbeschuldigten sei gesetzwidrig. Die Behörde erster Instanz habe zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers keine Feststellung getroffen. Diese Frage sei für die Behörde erster Instanz gar nicht von Bedeutung gewesen, weil die Darstellung des Beschwerdeführers vor dem Erhebungskommissär als glaubwürdig erachtet worden sei (sodass dessen Teilnahme an einer späteren Verhandlung irrelevant sei).

Auch der Disziplinaranwalt habe keinen Antrag gestellt, die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers prüfen zu lassen. Die Einholung des Gutachtens wäre nur dann geboten gewesen, wenn aus der Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten von einer Verhandlung von der Behörde erster Instanz negative Schlüsse gezogen worden wären.

Die belangte Behörde ziehe die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz "insgesamt irgendwie in Zweifel" und behaupte, dass der Beschwerdeführer noch intensiver befragt hätte werden müssen. Die belangte Behörde stelle aber "keineswegs konkret dar, welche Feststellung bekämpft wird bzw. welche andere Feststellung gewünscht wird". Die belangte Behörde übersehe, dass die Behörde erster Instanz weitere genauere Fragen an den Beschwerdeführer überlegt habe, aber offenbar zum Schluss gekommen sei, dass es gar keine Zwangsmittel gebe, um diese Fragen auch beantwortet zu erhalten. Werde allerdings eine intensivere Befragung des Beschwerdeführers gewünscht, hätte sich die belangte Behörde "wohl die Mühe selbst machen müssen, den Beschwerdeführer zu hören".

Auch damit gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Gemäß § 50 Abs. 1 erster Satz AKG kann die Verhandlung (vor dem Disziplinarrat) in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt und das Disziplinarerkenntnis gefällt werden, wenn der Beschuldigte bereits vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hatte, ihm die Ladung ordnungsgemäß zugestellt wurde und er ohne ausreichende Entschuldigung der Verhandlung fernbleibt.

Gemäß § 62 Abs. 1 AKG kann der Disziplinarberufungssenat ohne Anberaumung einer mündlichen Verhandlung das Erkenntnis des Disziplinarrates ganz oder zum Teil aufheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Disziplinarrat zurückverweisen, wenn die Erhebung des Sachverhalts oder das Verfahren erster Instanz mangelhaft ist, so dass es ganz oder zum Teil wiederholt oder ergänzt werden muss.

Zeigt sich erst in der mündlichen Berufungsverhandlung ein in § 62 Abs. 1 AKG erwähnter Mangel, so kann der Disziplinarberufungssenat das Erkenntnis des Disziplinarrates ganz oder zum Teil aufheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Disziplinarrat zurückverweisen (§ 62 Abs. 2 zweiter Satz AKG).

Wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich ist, war die Behörde erster Instanz nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in einer Sitzung am der Auffassung, dass - nach erfolgten Befragungen u.a. des Beschwerdeführers durch den Erhebungskommissär - weitere Erhebungen durchzuführen seien, weshalb sie beschloss, das Verfahren an den Erhebungskommissär zurückzuleiten, damit dieser dem Beschwerdeführer weitere, zu neun Punkten detailliert ausgearbeitete Fragen (u.a. zu dessen grippalem Infekt und psychischer Verfassung, dem genauen Ablauf der Nacht vom 14. auf den und mögliche Ursachen des Überhörens des Anrufes des F.V.) stelle.

Nach einem Aktenvermerk vom teilte der Beschwerdeführervertreter dem Erhebungskommissär mit, der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, sich ergänzenden Fragen durch den Erhebungskommissär zu stellen.

Eine ergänzende Befragung des Beschwerdeführers durch den Erhebungskommissär ist - unbestritten - auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.

Mit Faxschreiben vom ersuchte der Beschwerdeführervertreter um Verlegung der für den anberaumten Verhandlung "auf einen späteren Zeitpunkt (wenn Verhandlungsfähigkeit wieder gegeben ist)", wobei er die von der belangten Behörde wiedergegebene weitere "Fachärztliche Stellungnahme" des Dr. W.L. vorlegte; dieser zufolge sei der Beschwerdeführer wegen einer erneuten "ausgeprägten depressiven Symptomatik (…) derzeit nicht in der Lage, einer kommissionellen Befragung ohne gesundheitliche Gefährdung beizuwohnen".

Der Beschwerdeführer hat sich somit unter näherer Darlegung gesundheitlicher Gründe von der Verhandlung entschuldigt und um deren Vertagung ersucht (vgl. zu einer Verhandlung vor dem UVS etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0051).

Dessen ungeachtet hat die Behörde erster Instanz am in Abwesenheit des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durchgeführt und - wie die belangte Behörde zutreffend hervorhebt - ohne weitere Befragung des Beschwerdeführers im Sinne ihres zuvor gefassten Beschlusses ihren - den Beschwerdeführer freisprechenden - Bescheid verkündet.

Wie die belangte Behörde weiters zu Recht ausgeführt hat, enthält der erstbehördliche Bescheid gerade zu Umständen, die Gegenstand des am beschlossenen weiteren Fragenprogramms gewesen wären (etwa den Gründen für das "Überhören" des Anrufs von F.V. und zu der körperlichen, seelischen und geistigen Verfassung des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt), mangels ergänzender Befragung des Beschwerdeführers Negativfeststellungen, welche mit Blick auf die "innere Tatseite" im Zweifel zum Freispruch führten. Die Behörde erster Instanz begründete allerdings nicht im Ansatz, weshalb sie die Entschuldigung des Beschwerdeführers von der Verhandlung nicht als "ausreichend" iSd § 50 Abs. 1 erster Satz AKG und eine Verhandlung in dessen Abwesenheit als zulässig erachtete.

Aufgrund des Gesagten kann es daher nicht als rechtswidrig angesehen werden, dass die belangte Behörde den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 62 AKG aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen hat.

1.4. Die Beschwerde gegen erstangefochtenen Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. zu dem zweitangefochtenen Bescheid (Berichtigungsbescheid) :

2.1. Gemäß § 270 Abs. 3 erster Satz StPO hat der Vorsitzende Schreib- und Rechenfehler, ferner solche Formgebrechen und Auslassungen, die nicht die im § 260 Abs. 1 Z. 1 bis 3 und Abs. 2 StPO erwähnten Punkte betreffen, jederzeit, allenfalls nach Anhörung der Beteiligten, zu berichtigen.

Wird der Angeklagte schuldig befunden, so muss das Strafurteil gemäß § 260 Abs. 1 StPO u.a. aussprechen, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände (Z. 1), welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird, unter gleichzeitigem Ausspruch, ob die strafbare Handlung ein Verbrechen oder ein Vergehen ist (Z. 2) und zu welcher Strafe der Angeklagte verurteilt wird (Z. 3).

Gemäß § 260 Abs. 2 StPO ist, wenn der Angeklagte wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wird (Z. 1), im Anschluss an den Strafausspruch festzustellen, ob auf eine oder mehrere vorsätzlich begangene Straftaten eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe entfällt, bzw. wenn der Angeklagte wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wird (Z. 2), im Anschluss an den Strafausspruch festzustellen, ob auf eine oder mehrere vorsätzlich begangene Straftaten eine nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten entfällt.

2.2. Die Beschwerde bekämpft lediglich die mit dem zweitangefochtenen Bescheid vorgenommene Berichtigung des letzten Satzes auf S. 3 des erstangefochtenen Bescheides.

Sie bringt dazu im Wesentlichen vor, die Auffassung der belangten Behörde, es liege ein berichtigungsfähiger Schreibfehler vor, sei unrichtig. Im ursprünglichen Satz sei eine Begründung für die Entschuldigung (des Beschwerdeführers von einer Verhandlung) angeführt worden, und zwar "wegen Arbeitsüberlastung". Diese Begründung fehle im berichtigten Beschluss.

Die Frage, weshalb der Beschwerdeführer der Ladung nicht gefolgt sei, sei eine Frage der Beweiswürdigung, die aber nach Vorliegen der schriftlichen Entscheidung nicht mehr veränderbar sei. Dem Umstand, weshalb der Beschwerdeführer den Ladungen keine Folge geleistet habe, werde von der belangten Behörde in Hinblick auf die Beweiswürdigung und die weitere Vorgangsweise erhebliche Bedeutung zugemessen. Eine diesbezügliche Feststellung dürfe nicht von der Vorsitzenden des Senates nach Abschluss des Verfahrens nachträglich abgeändert werden.

2.3. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde allerdings nicht zum Erfolg:

Aus den zur Zl. 2012/10/0044 vorgelegten Verwaltungsakten ist ersichtlich, dass am tatsächlich (zu früher erhobenen Disziplinarvorwürfen) eine Disziplinarverhandlung stattgefunden hat, bei welcher sich der Beschwerdeführer "wegen Arbeitsüberlastung" entschuldigen ließ. Dem Protokoll der Verhandlung am ist wiederum keine Entschuldigung im eigentlichen Sinn, sondern ein Vertagungsgesuch des Beschwerdeführers zu entnehmen.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der im erstangefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung über eine Entschuldigung "wegen Arbeitsüberlastung" in der Disziplinarverhandlung am um einen Schreibfehler iSd § 270 Abs. 3 StPO handelt, entspricht doch diese Feststellung der Aktenlage.

Die vom Beschwerdeführer bekämpfte Berichtigung erweist sich somit als rechtswidrig. Sie ist allerdings nicht geeignet, den Beschwerdeführer in Rechten zu verletzen, weil die von ihr betroffene Feststellung unerheblich war (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.).

2.4. Auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am