zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 31.01.2012, 2010/05/0128

VwGH vom 31.01.2012, 2010/05/0128

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/05/0009 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen

Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des SPL in Wien, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 1/9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-WBF/52/3976/2010-1, betreffend Wohnbeihilfe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Gewährung einer Wohnbeihilfe gemäß §§ 60 bis 61a Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (WWFSG) abgewiesen, da der Beschwerdeführer lediglich über eine Nutzungs- und Betreuungsvereinbarung für eine Wohnung an einer näher bezeichneten Adresse in Wien verfüge.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe mit dem Österreichischen Roten Kreuz einen Mietvertrag gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1a Mietrechtsgesetz (MRG) abgeschlossen. Dem Mietrechtsgesetz sei deutlich zu entnehmen, dass sozialpädagogisch betreutes Wohnen zwar vom Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes ausgenommen sei, dass dieses gleichwohl jedenfalls davon ausgehe, dass es sich dabei aber um eine Vermietung, also um einen Mietvertrag handle. Das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz knüpfe die Gewährung von Wohnbeihilfe nicht an die Voraussetzung, dass es sich um einen Mietvertrag handle, der dem Mietrechtsgesetz unterliege, sondern spreche ganz allgemein von Mietvertrag.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer habe mit dem Österreichischen Roten Kreuz eine Nutzungs- und Betreuungsvereinbarung über sozialpädagogisch betreutes Wohnen abgeschlossen. Schon in der Präambel dieses Vertrages sei ausdrücklich dargelegt, dass das Mietrechtsgesetz infolge dessen § 1 Abs. 2 Z. 1a nicht zur Anwendung komme. Vertragsgegenstand sei neben der Zurverfügungstellung von Wohnraum zur vorübergehenden Benutzung auch die regelmäßige Betreuung des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen durch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter des Roten Kreuzes, welche insbesondere den Umgang mit öffentlichen Institutionen und die praktische Lebensführung in Österreich betreffe.

Als Wohnungsaufwand nach dem hier maßgeblichen dritten Hauptstück des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes (Allgemeine Wohnbeihilfe) würde lediglich der in § 60 Abs. 5 WWFSG umschriebene Hauptmietzins gemäß Mietrechtsgesetz bzw. das Entgelt gemäß näher angeführter Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes in Betracht kommen. Da ein Anwendungsfall des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes unbestrittenermaßen nicht vorliege, verbleibe der Hinweis darauf, dass gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1a MRG Wohnungen oder Wohnräume, die von einer karitativen oder humanitären Organisation im Rahmen sozialpädagogisch betreuten Wohnens vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fielen. Demnach sei auch kein anrechenbarer Wohnungsaufwand iSd WWFSG festzustellen.

Somit sei nach der eindeutigen Anordnung des Gesetzes Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Wohnbeihilfe im Bereich des dritten Hauptstückes des WWFSG, dass ein Anwendungsfall des Mietrechtsgesetzes oder des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes entsprechend des für die antragsgegenständliche Wohnung abgeschlossenen Bestandvertrages vorliege. Da ein solcher Fall sowohl nach der klaren Gesetzeslage als auch nach dem Inhalt des mit dem Österreichischen Roten Kreuz abgeschlossenen Vertrages nicht gegeben sei, könne dem Beschwerdeführer schon aus diesem Grund keine Wohnbeihilfe gewährt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat parallel dazu den angefochtenen Bescheid auch beim Verfassungsgerichtshof bekämpft, der mit Beschluss vom , B 860/10-3, die Behandlung jener Beschwerde ablehnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die Annahme der belangten Behörde, dass für die Gewährung einer Wohnbeihilfe im Bereich des dritten Hauptstückes des WWFSG Voraussetzung sei, dass ein Anwendungsfall des Mietrechtsgesetzes oder des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes vorliege. Bei dem beschwerdegegenständlichen Mietverhältnis handle es sich unbestrittenermaßen um einen vom Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes ausgenommenen Mietvertrag gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1a MRG. Dies bedeute letztendlich auch, dass der Mietzins nicht dem Mietrechtsgesetz unterliege. Bei richtiger Interpretation des § 60 Abs. 5 WWFSG werde aber offenkundig, dass sich die Wortfolge "gemäß Mietrechtsgesetz" nicht auf die Wortfolge "der vereinbarte", sondern nur auf die Wortfolge "gesetzlich zulässig erhöhte" beziehe. Dass die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes auf das Mietverhältnis keine Voraussetzung der Gewährung von Wohnbeihilfe nach dem dritten Hauptstück sei, zeige sich auch daran, dass § 60 Abs. 1 WWFSG lediglich den "Mieter" einer nicht nach §§ 20 ff leg. cit. geförderten Wohnung erwähne, nicht jedoch das Mietrechtsgesetz. Dass ein Mietverhältnis nach dem Mietrechtsgesetz für die erfolgreiche Antragstellung nach dem dritten Hauptstück nicht vorliegen müsse, zeige sich auch daran, dass § 61 WWFSG ausdrücklich regle, wer keinen Anspruch auf Wohnbeihilfe habe. Aus der Bestimmung des § 60 Abs. 5 WWFSG lasse sich somit weder bei richtiger grammatikalischer noch teleologischer Interpretation ableiten, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Wohnbeihilfe nach dem dritten Hauptstück habe, weil sein Mietverhältnis aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1a MRG nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes falle.

Die im Beschwerdefall relevante Regelung des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1989 (WWFSG), in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 67/2006 lautet:

"III. HAUPTSTÜCK

Allgemeine Wohnbeihilfe

§ 60. (1) Wird der Mieter einer nicht nach §§ 20 ff geförderten Wohnung durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet, ist ihm auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren, sofern der Mieter und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden. Die Nutzflächeneinschränkung im Sinne des § 2 Z 1 ist nicht anzuwenden.

(…)

(5) Als Wohnungsaufwand gilt der vereinbarte oder gesetzlich zulässig erhöhte (Haupt)Mietzins (einschließlich des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages) gemäß Mietrechtsgesetz bzw. das Entgelt gemäß § 13 Abs. 4 und 6, § 14 Abs. 1 Z 1 bis 5 und 8, Abs. 2 bis 5 sowie Abs. 7a und § 39 Abs. 18 Z 1 bis 4 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, jedoch höchstens bis zu dem für das Bundesland Wien kundgemachten Richtwert ohne Zuschläge gemäß Richtwertgesetz. Ansonsten ist für Kategorie B-Wohnungen oder bei allen befristeten Mietverträgen von diesem Richtwert ein Abschlag von 25 vH, für Kategorie C- und D-Wohnungen ein Abschlag von 50 vH vorzunehmen. Für die Fälle des § 46 Mietrechtsgesetz ist auf die Ausstattungskategorien zum Zeitpunkt des Eintritts des Wohnbeihilfenwerbers in das Mietverhältnis (§ 15a Abs. 1 MRG), für alle anderen Fälle auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages (§ 15a Abs. 1 und 2 MRG) abzustellen. Aufwendungen für Refinanzierungen auf Grund von nachgewiesenen Sanierungsmaßnahmen am Gebäude oder zur Anhebung der Ausstattungskategorie gelten unabhängig von der Kategorie bis zur Höchstgrenze im Sinne des ersten Satzes als Wohnungsaufwand.

(…)"

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1a MRG fallen Wohnungen oder Wohnräume, die von einer karitativen oder humanitären Organisation im Rahmen sozialpädagogisch betreuten Wohnen vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes.

Im vorliegenden Fall geht es um eine Wohnbeihilfe für den Mieter einer nicht geförderten Wohnung, die im Einzelfall hoheitlich mit Bescheid zu gewähren ist (vgl. diesbezüglich anders die Oberösterreichische Rechtslage, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg.Nr. 13.140, zugrunde gelegen ist). Ein anderes Motiv der Gewährung als die soziale Hilfsbedürftigkeit ist nicht ersichtlich. Die Regelung konnte daher vom Landesgesetzgeber auf Grund des Kompetenztatbestandes "Armenwesen" gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 15 Abs. 6 B-VG getroffen werden (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg.Nr. 4609, und vom , Slg.Nr. 17.942; zur Kompetenzrechtslage vgl. auch Teschl/Hüttner , Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz, Kurzkommentar, S. 1ff, die allerdings offenbar - vertretbarerweise - davon ausgehen, dass sich die Kompetenzgrundlage in Art. 15 Abs. 9 B-VG als Annex zur Wohnbauförderungskompetenz gemäß Art. VII Abs. 1 der B-VG Novelle BGBl. Nr. 685/1988, nunmehr idF BGBl. I Nr. 2/2008, findet, vgl. Teschl/Hüttner, aaO, S. 3 und 144f, FN 4 und 7).

Wenn das Land nun eine solche Wohnbeihilfe wie die hier gegenständliche gewährt, ist es zwar möglich, hinsichtlich des relevanten Wohnungsaufwandes Festlegungen auch in Anknüpfung an bundesrechtliche Bestimmungen zu treffen. Dies hat der Landesgesetzgeber in § 60 Abs. 5 WWFSG getan, wonach entweder der vereinbarte oder der nach dem MRG zulässige Hauptmietzins als Wohnungsaufwand gilt. Aus dieser Regelung, die eine rechnerische Anknüpfung an das MRG enthält, kann aber nicht geschlossen werden, dass nicht dem MRG unterliegende Vermietungen von der Wohnbeihilfe nach dem WWFSG ausgenommen sind. Für einen solchen Ausschluss wäre auch keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu betonen, dass bereits § 60 WWFSG selbst darauf abstellt, dass ausschließlich die betroffene Wohnung zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses dient und regelmäßig verwendet wird.

Ausschlussgründe sind hingegen in § 61 WWFSG geregelt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit

seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den

§§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am