VwGH vom 31.01.2012, 2010/05/0120
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen
Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der FA-G in Wien, vertreten durch Dr. Karin Prutsch und Mag. Erik Steinhofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-WBF/17/2802/2010-2, betreffend Wohnbeihilfe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Gewährung von Wohnbeihilfe gemäß §§ 20 bis 25 und 60 bis 61a Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (WWFSG) abgewiesen. Gemäß §§ 20 bis 25 WWFSG sei die Wohnbeihilfe dem Förderungswerber, bei Miet- und Genossenschaftswohnungen dem Mieter oder Nutzungsberechtigten, zuzuerkennen. Da dieser Tatbestand nicht erfüllt sei, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, laut beiliegender Abtretungsanzeige und Übernahme der Hauptmietrechte vom habe ihr ihr Ehegatte die Mietrechte mit abgetreten. Sie sei daher Kraft Mietrechtsgesetzes Hauptmieterin der Wohnung an näher bezeichneter Adresse in Wien.
Mit Schreiben vom forderte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, die Beschwerdeführerin auf, u. a. den Nachweis der Mietrechtsfortsetzung zu erbringen.
Die Beschwerdeführerin ersuchte mit Schreiben vom um Fristverlängerung zur Vorlage des Nachweises der Mietrechtsfortsetzung, da sie den entsprechenden Nachweis bei Wiener Wohnen angefordert habe, dieser jedoch erst ausgehoben und zugeschickt werden würde.
Mit Schreiben vom teilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, der Beschwerdeführerin mit, dass die Mietrechte gegenständlicher Wohnung ab April 2010 auf ihren Sohn übertragen worden seien, weshalb dieser einen Antrag auf Wohnbeihilfe stellen müsse.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte sie aus, dass dem Akteninhalt zu entnehmen sei, dass ein Antrag auf Übernahme der Mietrechte bei Wiener Wohnen gestellt, dieser jedoch von Wiener Wohnen nicht genehmigt worden sei, da es sich um eine behindertengerechte Wohnung handle und nur der Sohn einen Antrag auf Übernahme der Mietrechte stellen könne. Mittlerweile seien ab April 2010 die Mietrechte an der gegenständlichen Wohnung dem behinderten Sohn übertragen worden, wovon die Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt worden sei. Laut Auskunft von Wiener Wohnen hätten die Mietrechte bis einschließlich auf den geschiedenen Gatten der Beschwerdeführerin gelautet. Es sei bereits durch den Akteninhalt klargestellt, dass die Beschwerdeführerin zu keiner Zeit Hauptmieterin der gegenständlichen Wohnung gewesen sei, weshalb ihr auch keine Wohnbeihilfe zustehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bestreitet im Wesentlichen die Feststellung der belangten Behörde, dass sie nicht Mieterin der gegenständlichen Wohnung sei. Tatsächlich sei sie ordnungsgemäß in die Hauptmietrechte ihres geschiedenen Gatten entsprechend den Vorschriften des § 12 MRG eingetreten. Ihr geschiedener Gatte hätte ihr mit Scheidungsvergleich vor dem Bezirksgericht F vom das Recht zum Eintritt als Hauptmieterin der gegenständlichen bisherigen Ehewohnung übertragen. Ihr geschiedener Gatte als bisheriger Mieter und die Beschwerdeführerin als Eintrittswerberin hätten die Übernahme der Hauptmietrechte - aktenkundig und unbestritten - der Vermieterin auch mit Abtretungsanzeige vom angezeigt. Da sämtliche Voraussetzungen einer Abtretung des Mietrechts gemäß § 12 MRG vorgelegen seien, sei das Bestandrecht ex lege auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Selbst für den Fall, dass die Beschwerdeführerin keine ordnungsgemäße Anzeige der Abtretung der Hauptmietrechte an die Vermieterin übermittelt hätte, sei davon auszugehen, dass von Gesetzes wegen sie als Hauptmieterin zu betrachten sei, da der Anzeige lediglich deklarative Wirkung zukomme. Keinesfalls bedürfe es jedoch für die Abtretung einer ausdrücklichen Zustimmung des Vermieters. Ebenso wenig könnten die Mietrechte einseitig von der Vermieterin auf den behinderten Sohn der Beschwerdeführerin übertragen werden. Es liege keine Zustimmungs- bzw. Annahmeerklärung des behinderten Sohnes vor, was auch weder von der belangten Behörde festgestellt noch von der Vermieterin behauptet worden sei. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Dem bekämpften Bescheid seien weder Feststellungen noch eine ordentliche Begründung zu entnehmen.
Die im Beschwerdefall relevante Bestimmung des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz, LGBl. Nr. 18/1989 (WWFSG), in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 67/2006 lautet:
"§ 20. (1) Wird der Mieter einer Wohnung, deren Errichtung im Sinne des I. Hauptstückes gefördert wurde, durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet, ist ihm auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren, sofern er und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden."
Gemäß § 12 Abs. 1 MRG darf der Hauptmieter einer Wohnung, der die Wohnung verlässt, seine Hauptmietrechte an der Wohnung u. a. seinem Ehegatten oder Verwandten in gerader Linie abtreten, falls der Ehegatte oder die Verwandten in gerader Linie mindestens die letzten zwei Jahre mit dem Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben. Dem mehrjährigen Aufenthalt in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn der Angehörige die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat, beim Ehegatten auch, wenn er seit der Verehelichung, und bei Kindern auch, wenn sie seit ihrer Geburt in der Wohnung gewohnt haben, mag auch ihr Aufenthalt in der Wohnung noch nicht die vorgeschriebene Zeit gedauert haben. Gemäß § 12 Abs. 2 MRG sind sowohl der bisherige Hauptmieter als auch der Angehörige (die Angehörigen) verpflichtet, die Abtretung der Hauptmietrechte dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen.
Zutreffend zeigt die Beschwerdeführerin auf, dass ein Eintritt Dritter anstelle des bisherigen Mieters in den Mietvertrag gemäß § 12 Abs. 1 MRG kraft Gesetzes auch ohne oder gegen den Willen des Vermieters stattfindet. Diese volle Vertragsübernahme muss der Vermieter bei Vorliegen der Voraussetzungen hinnehmen, weshalb der Feststellung im angefochtenen Bescheid, Wiener Wohnen als Vermieter der gegenständlichen Wohnung habe die Übernahme durch die Beschwerdeführerin nicht genehmigt, keine rechtliche Bedeutung zukommt; auch die Anzeige an den Vermieter hat keine konstitutive Wirkung (vgl. Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht, 22. Auflage, S. 140 ff). Eine Ausnahme des Eintrittsrechtes gemäß § 12 Abs. 1 MRG für behindertengerecht ausgestattete Wohnungen ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf verweist, dass nicht nur das MRG, sondern auch das WWFSG anzuwenden sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass das WWFSG - verfassungskonform, vgl. Art. VII Abs. 1 der B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685 idF BGBl. I Nr. 2/2008 - keine Regelungen über Auflösungen von Bestandverhältnissen, und damit auch nicht solche, die im hier gegebenen Zusammenhang auf das Mietverhältnis des Ehemannes der Beschwerdeführerin Auswirkungen haben könnten, enthält.
Der Kreis der für die Mietrechtsabtretung in Betracht kommenden nahen Angehörigen ist in § 12 Abs. 1 MRG taxativ aufgezählt. Nach der Rechtsprechung sind geschiedene Ehegatten den Ehegatten dann gleichzuhalten, wenn sie bis zur Scheidung im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und der Grund der Überlassung in der Scheidung der Ehe gelegen ist (vgl. Würth/Zingher/Kovanyi , aaO, S. 142).
Die belangte Behörde hat es unterlassen zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur wirksamen Mietrechtsabtretung an die Beschwerdeführerin nach § 12 Abs. 1 und 2 MRG vorlagen, sondern hat diese Mietrechtsabtretung lediglich mit dem Hinweis auf die Verweigerung der Genehmigung durch den Vermieter Wiener Wohnen verneint, welche - wie bereits erwähnt - zur Wirksamkeit der Mietrechtsabtretung allerdings nicht erforderlich ist.
Weshalb und mit welchem Rechtsakt der Sohn der Beschwerdeführerin in das Mietrechtsverhältnis eingetreten sein soll, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen und wird von der belangten Behörde auch nicht näher begründet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am