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VwGH vom 16.05.2018, Ra 2017/04/0087

VwGH vom 16.05.2018, Ra 2017/04/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der A P in R, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofplatz 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 30.30-2543/2016-34, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag (belangte Behörde) vom wurde der Revisionswerberin vorgeworfen, sie habe es als Geschäftsführerin der I GmbH zu verantworten, dass diese zumindest im Zeitraum von bis an zwei Autobahnraststätten durch Vornahme der Reinigung der Toilettenanlagen durch zwei Arbeitnehmer (wobei dieser Tätigkeit jeweils eine Vereinbarung zwischen der I GmbH und der Raststättenbetreiberin zugrunde lag) das reglementierte Gewerbe "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung, eingeschränkt auf Gebäudereinigung" selbständig, regelmäßig und mit Ertragsabsicht ausgeübt habe, obwohl sie keine Gewerbeberechtigung besitze. Dadurch sei § 366 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 1 und § 94 Z 13 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verletzt worden. Über die Revisionswerberin wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 400,-

verhängt.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Der Revisionswerberin wurde ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von EUR 80,- auferlegt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:

Zwischen der I GmbH und den Betreibern zweier Autobahnraststätten bestehe seit bzw. seit jeweils eine unbefristete Vereinbarung, der zufolge die I GmbH auf den betreffenden Raststätten gegen ein Honorar von EUR 2.969,- näher umschriebene Reinigungsdienstleistungen eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung erbringe. Die I GmbH sei als Auftragnehmerin für die Einhaltung (auch) der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Sie verfüge in Bulgarien über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung".

Am bzw. am sei bei zwei Beschäftigungskontrollen auf den beiden Raststätten jeweils eine (bulgarische) Reinigungskraft bei der Arbeit angetroffen worden. Diese Reinigungskräfte seien seit bei der bulgarischen C GmbH, die in Bulgarien über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung" verfüge, beschäftigt gewesen. Die Revisionswerberin habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (auch für die Zeit von bis ) Rechnungen vorgelegt, denen zufolge die C GmbH für die I GmbH sanitäre Dienstleistungen in den beiden Raststätten erbracht habe. Aus diesen Rechnungen gehe hervor, dass die Reinigungsarbeiten (jedenfalls) in dieser Zeit von der C GmbH - durch bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer - und nicht von der I GmbH durchgeführt worden seien. Die C GmbH habe der I GmbH die Reinigungsleistungen in Rechnung gestellt, die I GmbH habe diese Leistungen ihrerseits in Erfüllung der bestehenden Verträge den Raststättenbetreibern in Rechnung gestellt.

4 In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die zwischen der I GmbH und den jeweiligen Raststättenbetreibern abgeschlossenen Vereinbarungen davon aus, dass die darin angeführten Tätigkeiten als solche des reglementierten Gewerbes "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung" anzusehen seien. Die I GmbH sowie die C GmbH seien zwar in Bulgarien befugt, derartige Tätigkeiten durchzuführen, eine Anzeige über die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen gemäß § 373a GewO 1994 sei aber nicht erfolgt.

Das Selbständigkeitskriterium sei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes erfüllt. Der I GmbH, die den Reinigungsauftrag in Erfüllung ihres Vertrages mit den Raststättenbetreibern einer anderen Gesellschaft (der C GmbH) als Subunternehmer übertragen und weiterhin hierüber Rechnungen gelegt habe, sei die Befugnis zugekommen, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Zudem sei das Anbieten einer Tätigkeit der Ausübung des Gewerbes gleichzuhalten. Dies treffe auf die seit 2013 bzw. 2014 durchgeführten Reinigungsleistungen in Erfüllung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrages zweifellos zu. Die I GmbH habe das reglementierte Gewerbe Gebäudereinigung somit selbständig, regelmäßig und in Ertragsabsicht ausgeübt.

Dem unionsrechtlichen Vorbringen der Revisionswerberin hielt das Verwaltungsgericht entgegen, es sei nicht von einer vorübergehenden und gelegentlichen Tätigkeit mit Schwerpunkt im Ausland im Sinn von § 373a Abs. 1 GewO 1994 auszugehen.

5 Die Revisionswerberin habe die ihr vorgeworfene Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht zu verantworten.

6 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung der Revision, in eventu deren Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 4. Zur Zulässigkeit wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung für eine Tätigkeit verlangt, die im angeblichen Tatzeitraum nicht mehr von der I GmbH ausgeübt worden sei. Soweit ersichtlich müsse für die Weitergabe eines Auftrags an ein anderes Unternehmen eine Gewerbeberechtigung für die weitergegebene Tätigkeit nicht vorhanden sein. Zudem sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die I GmbH nicht von der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht habe bzw. habe das Verwaltungsgericht diesbezüglich keine den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechende Beurteilung vorgenommen.

9 Die Revision ist im Hinblick darauf zulässig. 10 5. Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, GewO 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2016, lauten auszugsweise:

"1. Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.

(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; ...

(3) Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.

(4) Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten.

...

Sonstige Rechte von Gewerbetreibenden

§ 32. (1) Gewerbetreibenden stehen auch folgende Rechte zu:

...

9. Gesamtaufträge zu übernehmen, sofern ein wichtiger Teil

des Auftrages ihrem Gewerbe zukommt, jedoch unter der Voraussetzung, dass sie die Arbeiten, für deren Ausführung sie keine Gewerbeberechtigung besitzen, durch befugte Gewerbetreibende ausführen lassen;

...

1. Reglementierte Gewerbe

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

...

13. Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)

...

Strafbestimmungen

§ 366. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer

1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche

Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;

...

Vorübergehende grenzüberschreitende Dienstleistung im Rahmen

der Dienstleistungsfreiheit

§ 373a. (1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der

EU oder eines Vertragsstaates des EWR, die in einem anderen

Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des EWR niedergelassen

sind und dort eine Tätigkeit befugt ausüben, auf die die

Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden wären, dürfen diese

Tätigkeit vorübergehend und gelegentlich unter den gleichen

Voraussetzungen wie Inländer in Österreich ausüben. Die Erbringung

des allenfalls vorgeschriebenen Befähigungsnachweises ist nicht

erforderlich,

1. wenn die gewerbliche Tätigkeit im

Niederlassungsmitgliedstaat reglementiert ist oder eine

reglementierte Ausbildung im Sinne des Art. 3 lit. e der

Richtlinie 2005/36/EG vorliegt oder

2. wenn die gewerbliche Tätigkeit oder die Ausbildung zwar

nicht im Sinne der Z 1 reglementiert ist, der Dienstleister die gewerbliche Tätigkeit aber mindestens ein Jahr während der vorhergehenden zehn Jahre im Niederlassungsmitgliedstaat ausgeübt hat.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat die Ausübung der den Gegenstand der Dienstleistung bildenden Tätigkeit zu verbieten, wenn die vorgenannten Voraussetzungen für die Erbringung der Dienstleistung nicht erfüllt sind oder wenn einer der im § 87 Abs. 1 angeführten Entziehungsgründe oder der im § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund oder der Entziehungsgrund des § 135 Abs. 5 auf den Dienstleistungserbringer zutrifft. Wurde eine vorgeschriebene Meldung nach diesem Bundesgesetz nicht erstattet oder gegen die Informationspflichten gemäß Abs. 8 verstoßen, kann der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Ausübung für eine dem Grunde des Verbotes angemessene Dauer untersagen. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Absatzes sind gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 zu bestrafen.

(2) Der Dienstleister hat bei der Ausübung der den Gegenstand seiner Dienstleistung bildenden Tätigkeit die Ausübungsvorschriften nach diesem Bundesgesetz und den nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen zu beachten.

Zuwiderhandlungen gegen dieses Gebot sind nach den §§ 367 und 368

zu ahnden.

...

(4) Hat die grenzüberschreitende Tätigkeit ein im § 94 angeführtes Gewerbe oder Tätigkeiten, die diesen Gewerben zuzuordnen sind, zum Gegenstand, so hat der Dienstleister dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die erstmalige Aufnahme der Tätigkeit vorher schriftlich anzuzeigen und diesen dabei über Einzelheiten zu einem Versicherungsschutz oder einer anderen Art des individuellen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht zu informieren. Diese Anzeige ist einmal jährlich zu erneuern, wenn der Dienstleister beabsichtigt, während des betreffenden Jahres vorübergehend oder gelegentlich Dienstleistungen zu erbringen. ...

(5) Bei Anzeigen über die erstmalige Aufnahme einer Tätigkeit gemäß Abs. 4 ist vom Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft wie folgt zu verfahren:

1. Die Anzeigen über die erstmalige Aufnahme einer

Tätigkeit gemäß Abs. 4 sind zu überprüfen; dem Antragsteller ist binnen eines Monats der Empfang der Unterlagen zu bestätigen; gegebenenfalls ist ihm mitzuteilen, welche Unterlagen gemäß Abs. 4 fehlen bzw. dass gegen die Ausübung der Tätigkeit kein Einwand besteht.

..."

11 6.1. Die Revisionswerberin bringt vor, das Verwaltungsgericht habe selbst festgestellt, dass die verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten im vorgeworfenen Tatzeitraum bis bereits von der C GmbH durchgeführt worden seien. Dennoch habe das Verwaltungsgericht eine Gewerbeberechtigung der I GmbH für diese Tätigkeit verlangt. Es würde die gewerberechtlichen Verpflichtungen von Unternehmen überspannen, wenn im Fall der Weitergabe eines Auftrags die Gewerbeberechtigung für die weitergegebene Tätigkeit vorhanden sein müsste. Es müsse einen Unterschied machen, ob ein Unternehmen eine Tätigkeit selbst ausübe oder weitergebe. Aufträge von anderen befugten Unternehmen durchführen zu lassen, ohne selbst eine Gewerbeberechtigung für die "ausgelagerten Tätigkeiten" zu besitzen, müsse möglich sein.

12 6.2. Soweit das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit als Gewerbeausübung hinweist und dies durch die "seit 2013 bzw. 2014 durchgeführten Reinigungsleistungen in Erfüllung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrages" als erfüllt ansieht, ist Folgendes anzumerken:

13 Der Tatzeitraum ist in dem - mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten - Straferkenntnis mit "zumindest im Zeitraum von bis " umschrieben. Im Hinblick auf die für die Konkretisierung des Tatvorwurfs bestehenden Erfordernisse der Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten sowie der Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung (vgl. , mwN) ist der Spruch dahin auszulegen, dass sich der vorgeworfene Tatzeitraum auf die Zeitspanne bis beschränkt (vgl. auch ; , 91/09/0004). Die Erbringung der gegenständlichen Reinigungsleistungen durch die I GmbH im Zeitraum vor Juli 2015 sind daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens und können die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses für sich genommen nicht tragen.

14 6.3. Dem Vorbringen der Revisionswerberin, sie habe das fragliche Gewerbe im vorgehaltenen Tatzeitraum nicht mehr ausgeübt, ist jedoch Folgendes entgegenzuhalten:

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr eine Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs. 3 GewO 1994 ausgeübt wird, wer also das mit der Ausübung der Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko trägt, nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Momente und nicht alleine nach den äußeren rechtlichen Formen zu beurteilen (siehe , mwN). Eine Gewerbeausübung kann auch jener Person hinsichtlich des Merkmals der Selbständigkeit zugerechnet werden, die zumindest Anteil am kaufmännischen Risiko hat, und die Tätigkeit somit zumindest auch auf Rechnung und Gefahr dieser Person erfolgt (siehe ; , 98/04/0104). Bei der Beurteilung des Merkmals der Selbständigkeit im Sinn des § 1 Abs. 3 GewO 1994 kommt jedenfalls der Ausstellung von Rechnungen im eigenen Namen erhebliches Gewicht zu (siehe ). Eine Tätigkeit verliert das Merkmal der Selbständigkeit jedoch nicht deshalb, weil sie vom Ausübenden nicht persönlich ausgeführt wird, vielmehr ist der Gewerbetreibende grundsätzlich berechtigt, die Ausübung der in den Berechtigungsumfang seines Gewerbes fallenden Tätigkeiten ganz oder zum Teil Dritten zu überlassen (vgl. ; , 93/04/0047).

16 Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten: Unstrittig ist, dass die I GmbH zum vorgeworfenen Tatzeitraum auf Grund der aufrechten Vereinbarungen mit den beiden Raststättenbetreibern zur Erbringung der gegenständlichen Reinigungsleistungen verpflichtet war. Diese Reinigungsleistungen wurden auch erbracht und die I GmbH hat dafür im eigenen Namen Rechnungen an die Raststättenbetreiber gelegt. Es ist somit von der Tragung des Unternehmerrisikos (jedenfalls auch) durch die I GmbH auszugehen (dass die I GmbH durch die Weitergabe der Reinigungsleistungen an die C GmbH das unternehmerische Risiko hinsichtlich der ihr obliegenden, gegenüber den Raststättenbetreibern bestehenden vertraglichen Verpflichtung zur Leistungserbringung ungeachtet der oben dargelegten Umstände zur Gänze abgegeben und somit keinen Anteil am Risiko mehr getragen hätte, wurde in der Revision nicht vorgebracht und ist vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes auch nicht ersichtlich). Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Weitergabe der faktischen Ausführung der vertraglichen Pflichten an die C GmbH im Rahmen der - der I GmbH zukommenden - unternehmerischen Entscheidungsfreiheit erfolgt ist (vgl. dazu Müller, in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg), GewO, § 1, Rz. 12). Ausgehend davon hat die I GmbH in der vorliegenden Konstellation durch Erfüllung der von ihr gegenüber den Raststättenbetreibern übernommenen vertraglichen Verpflichtungen das fragliche Gewerbe der Gebäudereinigung ausgeübt, ungeachtet dessen, dass sie ein drittes Unternehmen (die C GmbH) mit der Durchführung der Reinigungstätigkeiten beauftragt hat (vgl. dazu auch Müller, aaO, Rz. 16;

Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3, § 1, Rz. 24). Dass sich die I GmbH lediglich zur Vermittlung eines Reinigungsunternehmens und nicht zur Erbringung der Reinigungsleistungen selbst verpflichtet hätte, lässt sich weder dem vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt noch dem Vorbringen der Revisionswerberin entnehmen (vgl. zur Vermittlungstätigkeit ).

17 Die Auffassung, im Fall der Auftragsweitergabe sei eine Gewerbeberechtigung des weitergebenden Unternehmens für die weitergegebene Tätigkeit jedenfalls nicht (mehr) erforderlich, ist zudem nicht mit § 32 Abs. 1 Z 9 GewO 1994 in Einklang zu bringen. Entsprechend dem darin normierten Nebenrecht sind Gewerbetreibende berechtigt, Gesamtaufträge zu übernehmen, sofern ein wichtiger Teil des Auftrags ihrem Gewerbe zukommt, jedoch unter der Voraussetzung, dass sie die Arbeiten, für deren Ausführung sie keine Gewerbeberechtigung besitzen, durch befugte Gewerbetreibende ausführen lassen. Diese Bestimmung wäre aber überflüssig, würde man annehmen, dass es einem Gewerbetreibenden in gewerberechtlicher Hinsicht frei stünde, einen Auftrag jeglichen Inhalts zu übernehmen, sofern er die Tätigkeit nicht selbst ausführt, sondern sie an einen (befugten) Dritten weitergibt. Eine gänzliche Auftragsweitergabe ist in § 32 Abs. 1 Z 9 GewO 1994 gerade nicht vorgesehen (vgl. auch Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, § 32, Rz. 20; Wiesinger, Berührungspunkte von Gewerberecht und Vergaberecht, ZVB 2008/79, 306).

18 7. Die Revisionswerberin bringt vor, die I GmbH habe - wenn überhaupt - nur "einfachste Reinigungstätigkeiten" ausgeübt, die dem "freien Reinigungsgewerbe" unterliegen würden. Wenn es um dem reglementierten Gewerbe der Gebäudereinigung vorbehaltene Tätigkeiten gegangen sei, habe die I GmbH immer "inländische Unternehmen" beauftragt, zumal sie selbst nicht über die notwendigen Geräte für solche Reinigungstätigkeiten verfüge.

19 Nach dem oben (Pkt. 6.3.) Gesagten ist die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit nicht allein deshalb zu verneinen, weil die faktische Durchführung einem Dritten überlassen worden ist. Dass die von der I GmbH vertraglich übernommenen und erfüllten Verpflichtungen auch Tätigkeiten umfasst haben, die dem reglementierten Gewerbe Gebäudereinigung zuzuordnen sind, wird in der Revision nicht bestritten und ist angesichts der im Straferkenntnis zitierten Vereinbarungen auch nicht fraglich. Somit vermag die Revisionswerberin auch mit diesem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen.

20 8.1. Die Revisionswerberin bringt weiters vor, die I GmbH habe in Österreich nur eine vorübergehende Dienstleistung ausgeübt, somit von der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht und deshalb keine (österreichische) Gewerbeberechtigung benötigt. Nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sei diesbezüglich eine Einzelfallbetrachtung notwendig, die das Verwaltungsgericht nicht vorgenommen habe. Die I GmbH sei hauptsächlich in Bulgarien tätig und wolle sich in Österreich nicht dauernd gewerblich betätigen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit verbleibe in Bulgarien.

21 8.2. Soweit das Verwaltungsgericht der Revisionswerberin vorhält, die I GmbH habe keine Dienstleistungsanzeige nach § 373a Abs. 4 GewO 1994 erstattet, ist zunächst festzuhalten, dass die unterlassene Anzeige der vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung einer Tätigkeit in Österreich (im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit) von der Ausübung eines Gewerbes ohne erforderliche Gewerbeberechtigung (im Rahmen der Niederlassungsfreiheit) zu unterscheiden ist. Der hier vorgeworfene Verstoß gegen § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfasst die Gewerbeausübung ohne Gewerbeberechtigung, nicht aber die unterlassene Anzeige nach § 373a Abs. 4 GewO 1994 (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, § 373a, Rz. 31, wonach eine unterlassene Anzeige als Übertretung nach § 368 GewO 1994 zu ahnden ist).

22 Die Revisionswerberin weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine Bestrafung nach § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 im Fall der Nichtbeachtung des § 373a Abs. 4 GewO 1994 nicht möglich sei. Damit wird aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung - ungeachtet des Hinweises auf die unterbliebene Anzeige - tragend darauf gestützt hat, dass gerade kein Fall einer vorübergehenden und gelegentlichen Tätigkeit im Sinn des § 373a Abs. 1 GewO 1994, sondern eine Ausübung der gewerblichen Tätigkeit ohne Gewerbeberechtigung vorliege. Vor diesem Hintergrund erübrigt es sich auch, dem Revisionsvorbringen betreffend die Nichtanwendbarkeit des § 373a GewO 1994 infolge der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit entgegenzutreten.

23 8.3. Dessen ungeachtet ist zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer bloß vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung der Tätigkeit zu Recht verneint und somit - mangels Anwendbarkeit der Berechtigung zur Ausübung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit auf Grund des § 373a Abs. 1 GewO 1994 - zutreffend eine Gewerbeberechtigung als erforderlich erachtet hat.

24 Das Verwaltungsgericht verneint das Vorliegen einer bloß vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung der Tätigkeit unter Hinweis auf den auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag sowie die Dauer der ausgeführten Tätigkeiten.

25 Demgegenüber verweist die Revisionswerberin auf den Schwerpunkt der Tätigkeit der I GmbH in Bulgarien sowie das Fehlen eines Büros bzw. einer festen Einrichtung und von Akquisetätigkeiten in Österreich.

26 Mit den §§ 373a ff GewO 1994 wurden die Regelungen der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (einerseits im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit, andererseits im Rahmen der Niederlassungsfreiheit) umgesetzt (siehe den Umsetzungshinweis in § 382 Abs. 36 Z 1 GewO 1994 sowie IA 549/A BlgNR 23. GP, 28; vgl. dazu auch ). Die Auslegung dieser Bestimmungen - und damit auch der Wendung "vorübergehend und gelegentlich" - hat daher unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundlagen und insbesondere der Aussagen des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit und zur Niederlassungsfreiheit zu erfolgen.

27 Der für das Vorliegen einer Dienstleistung maßgebliche vorübergehende Charakter ist nach der Rechtsprechung des EuGH unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, ihrer Häufigkeit, der regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen. Wenn der Betreffende in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, in dem er sich von einem Berufsdomizil aus an die Angehörigen dieses Staates wendet, fällt er unter die Vorschriften für das Niederlassungsrecht und nicht unter diejenigen für Dienstleistungen (siehe zu all dem Gebhard, C-55/94, Rn. 27 f; , Schnitzer, C- 215/01, Rn. 28 f). Eine auf Dauer oder jedenfalls ohne absehbare zeitliche Beschränkung ausgeübte Tätigkeit wurde in einem Fall, in dem der Betreffende seinen "Hauptaufenthalt" im anderen Mitgliedstaat genommen hat, als nicht der Dienstleistungsfreiheit unterliegend angesehen ( Steymann, 196/87, Rn. 16 f). Der Niederlassungsbegriff impliziert die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit ( Factortame, C-221/89, Rn. 20, 34;

, Cadbury Schweppes, C-196/04, Rn. 54). Zudem hat der EuGH den Begriff der Niederlassung wiederholt als "sehr weit" bezeichnet ( Broede, C-3/95, Rn. 20;

, Stoß u.a., C-316/07 u.a., Rn. 59).

28 Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zwar für sich genommen zu Recht berücksichtigt, dass sich die I GmbH auf Grund von zwei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vereinbarungen und somit auf Dauer in Österreich zur Leistungserbringung verpflichtet hat. Der EuGH hat im zitierten Urteil C-215/01, Rn. 32, aber wie folgt festgehalten:

"Folglich reicht allein die Tatsache, dass ein in einem Mitgliedstaat niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer gleiche oder ähnliche Dienstleistungen mehr oder weniger häufig oder regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, ohne dass er dort über eine Infrastruktur verfügt, die es ihm erlauben würde, in diesem Mitgliedstaat in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und von der aus er sich u. a. an die Angehörigen dieses Mitgliedstaats wendet, nicht aus, um ihn als in diesem Mitgliedstaat niedergelassen anzusehen."

29 Eine auf unbestimmte Zeit angelegte Tätigkeit ist somit (ungeachtet der damit einhergehenden Indizwirkung) nicht hinreichend, um das Vorliegen einer Dienstleistung zu verneinen (siehe auch Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg),

Das Recht der Europäischen Union, Art. 49 AEUV, Rz. 31, 35, wonach die Dauer als Kriterium nur dann maßgeblich ist, wenn sich der grenzüberschreitend Tätige mit einer Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat versieht). Feststellungen sowie daran anschließende Ausführungen zum (Nicht)Bestehen einer (wie immer gearteten) in Österreich existierenden Einrichtung bzw. Infrastruktur der I GmbH fehlen im angefochtenen Erkenntnis allerdings.

30 Die Anforderungen an die erforderliche Ausgestaltung bzw. an den Organisationsgrad einer derartigen Einrichtung hängen auch von der Art der ausgeübten Tätigkeit ab und sind - schon im Hinblick auf die weite Auslegung des Niederlassungsbegriffs durch den EuGH - nicht zu hoch anzusetzen (siehe Forsthoff, aaO, Rz. 37 f). Der EuGH hat eine feste Einrichtung etwa auch dann als gegeben angenommen (und eine Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit ausgeschlossen), wenn ein Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat eine ständige Präsenz aufrechterhält, auch wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder einer Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das gegebenenfalls von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen zu handeln (vgl. Kommission/Deutschland, 205/84, Rn. 21; , Stoß u.a., C-316/07 u.a., Rn. 59; siehe mwN auch Forsthoff, aaO, Rz. 30, dem zufolge eine Niederlassung auch in einer untergeordneten Nebenstelle bestehen kann; weiters Bröhmer, in Callies/Ruffert (Hrsg), EUV/AEUV, Art. 49 AEUV, Rz. 12, der als Beispiele u.a. Lager- und Büroräume nennt).

31 Soweit es die Revisionswerberin für die Zuordnung ihrer in Österreich ausgeübten Tätigkeit zur Dienstleistungsfreiheit als maßgeblich erachtet, dass der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in Bulgarien liege, ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Der EuGH hat wiederholt festgehalten, dass die Niederlassungsfreiheit die Begründung einer Niederlassung nicht nur in einem Mitgliedstaat, sondern in mehreren Mitgliedstaaten ermöglicht (siehe Klopp, 107/83, Rn. 18 f; , Gebhard, C-55/94, Rn. 24). Ausgehend davon kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn sich herausstellen sollte, dass die I GmbH sowohl in Bulgarien als auch in Österreich über eine Einrichtung verfügt und dort jeweils auch tätig ist, dem Schwerpunkt der Tätigkeit für ihre Einstufung als der Dienstleistungsfreiheit unterliegend keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen.

32 9. Im Hinblick auf die oben dargelegten fehlenden Feststellungen und die damit einhergehende unzureichende Begründung der Verneinung einer bloß vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung der vorliegenden Tätigkeit war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

33 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040087.L00
Schlagworte:
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

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