VwGH 23.01.2013, 2012/10/0017
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | NatSchG Wr 1998 §18 Abs2 Z4; NatSchG Wr 1998 §24 Abs5; NatSchG Wr 1998 §24 Abs6; |
RS 1 | Gemäß § 24 Abs. 5 Wr NatSchG 1998 sind im Landschaftsschutzgebiet - sofern keine Ausnahmebewilligung nach dem Abs. 6 dieser Bestimmung vorliegt - alle Eingriffe untersagt, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Dazu sind in § 24 Abs. 5 Z. 1 bis 6 legcit beispielsweise ("hiezu zählen insbesondere") einige Maßnahmen aufgezählt, die jedenfalls einen dem Schutzzweck zuwiderlaufenden Eingriff darstellen. Daraus ergibt sich klar, dass auch dort nicht aufgezählte Maßnahmen - also etwa Geländeveränderungen, die das in § 18 Abs. 2 Z. 4 legcit umschriebene Ausmaß nicht erreichen - einen solchen Eingriff darstellen können. |
Normen | LSchV Döbling 1990; NatSchG Wr 1998 §18 Abs2 Z4; NatSchG Wr 1998 §24 Abs5; NatSchG Wr 1998 §24 Abs6; NatSchG Wr 1998 §37 Abs2; |
RS 2 | Aus der LSchV Döbling 1990 kann abgeleitet werden, dass zu den Schutzzwecken des Landschaftsschutzgebietes Döbling die Erhaltung des bestehenden Landschaftsbildes und des unbeeinträchtigten Landschaftshaushaltes zählt (vgl. E , 2009/10/0129) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der JC in Wien, vertreten durch Dr. Georg Kahlig Rechtsanwalt GmbH in 1070 Wien, Siebensterngasse 42/3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 22 - 2194/2011, betreffend naturschutzbehördlicher Wiederherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat die Wiener Landesregierung der Beschwerdeführerin gemäß § 37 Wiener Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 45/1998 (Wr NSchG), den Auftrag erteilt, die ohne naturschutzbehördliche Bewilligung im Landschaftsschutzgebiet Döbling auf einem bestimmt bezeichneten Grundstück durchgeführten Eingriffe rückgängig zu machen und einen dem Naturschutz möglichst weitgehend Rechnung tragenden Zustand herbeizuführen. Dazu sei die Erdaufschüttung bis zum gewachsenen Boden zu beseitigen und die Erde vom Grundstück zu entfernen. Weiters sei eine Aussaat mit einer heimischen standortgerechten Saatgutmischung unter Einhaltung näherer Spezifikationen vorzunehmen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, durch den Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz sei am festgestellt worden, dass auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin im Landschaftsschutzgebiet Döbling Aufschüttungen vorgenommen worden seien. Am seien darüber hinaus Planierungsarbeiten vorgenommen worden.
Nach dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen hätten diese Maßnahmen nachteilige Auswirkungen auf den Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes Döbling, weil durch die Aufbringung von Erdmaterial die bestehende Wiesengesellschaft verschüttet und damit vernichtet werde, was sich nachteilig auf den Landschaftshaushalt auswirke. Darüber hinaus stelle auch das Planieren einen Eingriff dar, weil durch die Verdichtung eine natürliche Regeneration des Bewuchses verhindert werde.
Es handle sich daher um - in der demonstrativen Aufzählung des § 24 Abs. 5 Wr NSchG nicht enthaltene - Eingriffe, die ohne die gemäß § 24 Abs. 6 leg. cit. erforderliche Bewilligung vorgenommen worden seien.
Mehrere Indizien sprächen dafür, dass die Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen in Auftrag gegeben bzw. geduldet habe. Dr. S. - der auf einem in der Nachbarschaft gelegenen Grundstück einen Erdaushub vorgenommen habe - habe sowohl in einem Schreiben als auch bei seiner Vernehmung ausgesagt, dass Frau M. in Vertretung der Beschwerdeführerin mit der Bitte an ihn herangetreten sei, ob er das Aushubmaterial für die Nivellierung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks zur Verfügung stellen könne. Dies gehe auch aus einem von der Beschwerdeführerin selbst an Dr. S. verfassten Schreiben vom hervor. Dr. S. habe nach seiner Aussage zugesagt und am mit der Beschwerdeführerin telefoniert, wobei ihm diese bestätigt habe, dass Frau M. von ihr für diese Angelegenheit bevollmächtigt worden sei. Frau M. habe in der Folge mit dem für die Durchführung der Arbeiten vorgesehenen Erdbewegungs-Unternehmen das verfahrensgegenständliche Grundstück besichtigt und die näheren Modalitäten der Anschüttung besprochen. Dass Frau M. als Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin aufgetreten sei und den Arbeitern den Ort der gewünschten Ablagerung gezeigt habe, werde auch durch die Angaben des Vertreters des Erdbewegungs-Unternehmens bestätigt. Es sei kein Grund ersichtlich, warum Frau M. aus eigenem Antrieb eine Erdablagerung und Planierung auf einem fremden Grundstück veranlasst haben sollte, ohne dazu beauftragt zu sein. Dagegen, dass Dr. S. das Erdmaterial ohne Wissen und Willen der Beschwerdeführerin auf deren Grundstück abgelagert habe, spreche der Umstand, dass das Material zunächst abgelagert und etwa drei Wochen danach mit einem schweren Bagger planiert worden sei. Es widerspreche der Vernunft und der Lebenserfahrung, dass jemand, der eigenes Erdmaterial zur Entsorgung auf einem fremden Grundstück ohne Wissen und Willen des Liegenschaftseigentümers ablagere, nach einiger Zeit wiederkomme und das entsorgte Material dort einebne. Ergänzend sei angeführt, dass die Beschwerdeführerin wiederholt irreführende Angaben gemacht habe. So habe sie etwa in der Berufung vorgebracht, mit Herrn Dr. S. und dem Erdbewegungs-Unternehmen keinen Kontakt gehabt zu haben. In einem Schreiben an Dr. S. vom räume sie jedoch selbst ein, mit Dr. S. in dieser Angelegenheit Kontakt gehabt zu haben. Weiters habe sie behauptet, sofort nach Bekanntwerden der Tat eine Besitzstörungsklage eingebracht zu haben. Recherchen beim zuständigen Bezirksgericht Döbling hätten ergeben, dass eine solche Klage nie eingebracht worden sei.
Dies alles deute darauf hin, dass die gegenständlichen Ablagerungen mit Wissen und Willen der Beschwerdeführerin erfolgt seien und dass es sich bei ihren Angaben, sie habe davon nichts gewusst, um bloße Schutzbehauptungen handle. Jedenfalls habe sie die Ablagerungen geduldet und keine ernsthaften bzw. tauglichen Schritte zur Abwehr fremder Eingriffe gesetzt.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 45/1998 idF LGBl. Nr. 12/2006 (Wr NSchG), haben folgenden Wortlaut:
"§ 1. Dieses Gesetz dient dem Schutz und der Pflege der Natur in all ihren Erscheinungsformen im gesamten Gebiet der Bundeshauptstadt Wien sowie der nachhaltigen Gewährleistung der stadtökologischen Funktionen durch Setzung der erforderlichen Erhaltungs-, Ergänzungs- und Erneuerungsmaßnahmen.
…
§ 3. …
(2) Landschaftshaushalt ist das Wirkungsgefüge zwischen den Landschaftsfaktoren Klima, Luft, Gestein, Relief, Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere und Menschen.
…
(8) Eingriff ist jede vorübergehende oder dauerhafte Maßnahme, die geeignet ist, nachteilige Auswirkungen auf den Schutzzweck eines Schutzgebietes, auf ein Schutzobjekt oder im Rahmen des allgemeinen Landschaftsschutzes zu haben. Ein Eingriff in ein Schutzgebiet oder Schutzobjekt liegt auch dann vor, wenn die Maßnahme selbst außerhalb des Schutzgebietes oder Schutzobjektes ihren Ausgang nimmt.
…
§ 18. …
(2) Folgende Maßnahmen bedürfen im Grünland einer Bewilligung der Behörde:
…
4. Geländeveränderungen einer Fläche von über 1.000 m2, wenn das Niveau durchschnittlich mehr als einen Meter verändert wird,
…
§ 24. …
(5) Im Landschaftsschutzgebiet sind vorbehaltlich des Abs. 6 alle Eingriffe untersagt, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Hiezu zählen insbesondere:
die Vornahme der in § 18 Abs. 1 und 2 genannten Maßnahmen,
die Vornahme der in § 19 Abs. 1 genannten Maßnahmen,
die Errichtung von Neu- und Zubauten; Umbauten, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild wesentlich geändert wird, sowie andere Baulichkeiten (wie Einfriedungen, Stützmauern), die nicht unter § 18 Abs. 1 oder 2 fallen,
4. die Beseitigung von die Landschaftsgestalt prägenden Elementen,
die Aufforstung nicht bewaldeter Flächen,
eine erhebliche Lärmentwicklung, die nicht mit anderen nach diesem Gesetz bewilligungspflichtigen Maßnahmen verbunden ist (wie der Betrieb von Lautsprecheranlagen oder Modellflugplätzen).
(6) Die Naturschutzbehörde kann mit Bescheid Ausnahmen vom Verbot des Abs. 5 bewilligen, wenn die geplante Maßnahme den Schutzzweck nicht wesentlich beeinträchtigt.
…
§ 37. (1) Wer entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes, einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung oder eines darauf gestützten Bescheides Eingriffe in die Natur vorgenommen hat oder vornehmen hat lassen, ist zur Wiederherstellung des früheren oder des bewilligten Zustandes verpflichtet.
(2) Die Naturschutzbehörde kann demjenigen, der den Eingriff vorgenommen hat oder vornehmen hat lassen, die Wiederherstellung unter Setzung einer angemessenen Frist auftragen. Ist der Verpflichtete nicht feststellbar, zur Wiederherstellung rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht dazu verhalten werden, so ist der Auftrag dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der der widerrechtliche Eingriff in die Natur vorgenommen wurde, zu erteilen, sofern dieser den Eingriff geduldet hat; dessen privatrechtliche Ansprüche gegen den Verursacher bleiben unberührt.
(3) Ist die Wiederherstellung nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar, so können dem Verpflichteten oder dem Grundeigentümer (Abs. 2) entsprechende Maßnahmen zur Herbeiführung eines dem Naturschutz möglichst weitgehend Rechnung tragenden Zustandes vorgeschrieben werden.
(4) Die Verpflichtungen gemäß Abs. 2 und 3 wirken auch gegenüber dem Rechtsnachfolger des Grundeigentümers.
…"
Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die gegenständliche Geländeveränderung weder eine Fläche von über 1.000 m2 betreffe, noch das Niveau um durchschnittlich mehr als 1 m verändere, weshalb sie gemäß § 18 Abs. 2 Z. 4 Wr NSchG nicht bewilligungspflichtig sei. Dies gelte auch in Landschaftsschutzgebieten, was sich insbesondere aus der Zitierung von § 18 Abs. 2 in § 24 Abs. 5 Z. 1 Wr NSchG ergebe.
Dem ist zu entgegnen, dass gemäß § 24 Abs. 5 Wr NSchG im Landschaftsschutzgebiet - sofern keine Ausnahmebewilligung nach dem Abs. 6 dieser Bestimmung vorliegt - alle Eingriffe untersagt sind, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Dazu sind in § 24 Abs. 5 Z. 1 bis 6 Wr NSchG beispielsweise ("hiezu zählen insbesondere") einige Maßnahmen aufgezählt, die jedenfalls einen dem Schutzzweck zuwiderlaufenden Eingriff darstellen. Daraus ergibt sich klar, dass auch dort nicht aufgezählte Maßnahmen - also etwa Geländeveränderungen, die das in § 18 Abs. 2 Z. 4 Wr NSchG umschriebene Ausmaß nicht erreichen - einen solchen Eingriff darstellen können.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0129, ausgeführt hat, kann aus der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des 19. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet Döbling), LGBl. Nr. 21/1990, abgeleitet werden, dass zu den Schutzzwecken dieses Landschaftsschutzgebietes die Erhaltung des bestehenden Landschaftsbildes und des unbeeinträchtigten Landschaftshaushaltes zählt. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die auf dem Gutachten eines Amtssachverständigen beruhende - unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, dass die Aufschüttung und Planierung auf dem gegenständlichen Grundstück einen Eingriff in den Landschaftshaushalt bewirke. Für diese Maßnahmen wäre daher eine Bewilligung gemäß § 24 Abs. 6 Wr NSchG erforderlich gewesen. Da eine solche Bewilligung unstrittig nicht vorliegt, durfte die Behörde gemäß § 37 Abs. 2 erster Satz Wr NSchG demjenigen, der den Eingriff vorgenommen hat oder vornehmen hat lassen, die Wiederherstellung auftragen. Davon hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Gebrauch gemacht. Sie kam auf Grund einer unbedenklichen - und von der Beschwerdeführerin nicht konkret bekämpften - Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass Frau M. als Vertreterin der Beschwerdeführerin mit deren Wissen und Willen Herrn Dr. S. gebeten habe, dass Aushubmaterial von seinem Grundstück auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück der Beschwerdeführerin abzulagern. Die Beschwerdeführerin habe dem mit diesen Arbeiten beauftragten Erdbewegungs-Unternehmen an Ort und Stelle gezeigt, wo das Material abzulagern sei. Das gegenteilige Vorbringen der Beschwerdeführerin wertete die belangte Behörde insbesondere auf Grund mehrerer Widersprüche als unglaubwürdig.
Davon ausgehend ist die Beschwerdeführerin als diejenige anzusehen, die den Eingriff im Sinn des § 37 Abs.2 Wr NSchG vornehmen hat lassen. Schon deshalb ist der gegenständliche Wiederherstellungsauftrag zu Recht gegenüber der Beschwerdeführerin ergangen.
Von daher ist es unerheblich, dass die belangte Behörde - im Anschluss an ihre Ausführungen, wonach die Ablagerungen mit Wissen und Willen der Beschwerdeführerin durchgeführt worden seien - auch ausgeführt hat, die Beschwerdeführerin habe jedenfalls die Ablagerungen geduldet. Die Beschwerdeführerin vermag daher mit ihrem Vorbringen, die bloße Duldung durch den Liegenschaftseigentümer reiche nicht dazu aus, diesen zur Wiederherstellung zu verpflichten, und die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Normen | LSchV Döbling 1990; NatSchG Wr 1998 §18 Abs2 Z4; NatSchG Wr 1998 §24 Abs5; NatSchG Wr 1998 §24 Abs6; NatSchG Wr 1998 §37 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2012100017.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAE-72488