VwGH vom 22.04.2015, 2012/10/0016

VwGH vom 22.04.2015, 2012/10/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des B S in I, vertreten durch Dr. Klaus Rinner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-14.078/156, betreffend Parteistellung in einem naturschutzrechtlichen Verfahren und naturschutzrechtliche Genehmigung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Innervillgraten, vertreten durch den Bürgermeister, 9932 Innervillgraten Nr. 78), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die Tiroler Landesregierung der mitbeteiligten Gemeinde die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Kraftwerks St. und des Kraftwerks K. sowie für die Ableitung von Wasser zur Energiegewinnung (unter Vorschreibung näher bezeichneter Auflagen sowie einer Sicherheitsleistung) und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung im naturschutzrechtlichen Verfahren als unbegründet ab.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass die Parteistellung im Rahmen des TNSchG abschließend geregelt sei. Das naturschutzrechtliche Bewilligungsverfahren diene ausschließlich dem Schutz der öffentlichen Interessen am Natur- und Landschaftsschutz. Private Interessen Dritter hätten für die Frage, ob für ein naturschutzrechtlich bewilligungsbedürftiges Projekt eine Bewilligung zu erteilen sei, außer Betracht zu bleiben. Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne der "Richtlinie 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EWG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten" ("Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie") nicht gegeben sei, werde auf die Parteistellung des Landesumweltanwalts von Tirol verwiesen, dem gemäß § 36 Abs. 7 TNSchG die Wahrnehmung der Interessen des Naturschutzes obliege. Eine direkte Bezugnahme der "Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie" auf das TNSchG sei nicht ersichtlich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung mit Beschluss vom , B 429/11-6, ablehnte und diese mit Beschluss vom , B 429/11-9, über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

In der nach Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde vom werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Gesetzesbestimmungen haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

§ 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG):

"Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien."

§ 29 Abs. 2 und § 43 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (TNSchG), LGBl. Nr. 26/2005 idF LGBl. Nr. 30/2011:

"§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche

Genehmigungen

...

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

a) für die Errichtung von Anlagen in Gletscherschigebieten nach § 5 Abs. 1 lit. d Z 3 (§ 6 lit. c), eine über die Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende Änderung einer bestehenden Anlage im Bereich der Gletscher, ihrer Einzugsgebiete und ihrer im Nahbereich gelegenen Moränen (§ 6 lit. f), für Vorhaben nach den §§ 7 Abs. 1 und 2, 8, 9, 27 Abs. 3 und 28 Abs. 3,

b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§ 10 Abs. 1 oder 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

c) für Ausnahmen von den in Verordnungen nach den §§ 13 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 27 Abs. 4 festgesetzten Verboten darf nur erteilt werden,

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiederbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.

...

§ 43

Verfahren

(1) Ein Ansuchen um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung ist schriftlich einzubringen.

(2) Im Antrag sind die Art, die Lage und der Umfang des Vorhabens anzugeben. Dem Antrag ist, soweit es sich nicht um Pläne in Natura 2000-Gebieten handelt, der Nachweis des Eigentums am betroffenen Grundstück oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen, es sei denn, dass aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften eine Enteignung oder die Einräumung von Zwangsrechten zugunsten des Vorhabens möglich ist. Dem Antrag sind ferner in zweifacher Ausfertigung alle Unterlagen anzuschließen,

a) die für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens nach diesem Gesetz, nach Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes und nach den in der Anlage zu § 48 Abs. 1 genannten Gesetzen, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten, des Landschaftsbildes, des Erholungswertes der Landschaft und des Naturhaushaltes erforderlich sind, wie Pläne, Skizzen, Beschreibungen, pflanzen- und tierkundliche Zustandserhebungen und dergleichen, und

b) aus denen erkennbar ist, wie Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 vermieden oder verringert werden können, wie landschaftspflegerische Begleitpläne, Bepflanzungspläne, Naturerhaltungspläne und dergleichen; bei Vorhaben, die Natura 2000-Gebiete erheblich beeinträchtigen können, sind im Antrag die Alternativen, einschließlich der so genannten 'Null-Variante' darzustellen, Ausgleichsmaßnahmen vorzuschlagen und die Zustimmung der Eigentümer der davon betroffenen Grundstücke oder der sonst hierüber Verfügungsberechtigten anzuschließen.

(3) Beeinträchtigt ein Vorhaben die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1, so hat der Antragsteller das Vorliegen jener öffentlichen Interessen (§ 29 Abs. 1 lit. b) oder langfristigen öffentlichen Interessen (§ 29 Abs. 2 Z 2), bei Natura 2000-Gebieten der Interessen nach § 14 Abs. 5, die die Interessen des Naturschutzes überwiegen, glaubhaft zu machen, und auf Verlangen die entsprechenden Unterlagen vorzulegen.

(4) In allen Verfahren zur Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung haben die vom betreffenden Vorhaben berührten Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Interessen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Parteistellung im Sinne des § 8 AVG. Mit dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende der im § 29 Abs. 7 lit. d genannten Fristen für die Vollendung der Ausführung des Vorhabens erwächst eine naturschutzrechtliche Bewilligung auch gegenüber jenen Gemeinden in Rechtskraft, denen der Bescheid nicht oder nicht vollständig zugestellt worden ist, es sei denn, sie hätten ihre Parteistellung bis dahin bei der Behörde geltend gemacht.

(5) Einem Antrag um die Erteilung der Bewilligung nach § 6 lit. j ist bei Kraftfahrzeugen überdies der Nachweis des Eigentums oder des sonstigen Verfügungsrechtes hierüber, bei behördlich nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen sind überdies Unterlagen anzuschließen, aus denen die Bauart und die Ausrüstung des Fahrzeuges hervorgehen. Ferner sind in einem solchen Antrag der beabsichtigte Verwendungszweck und Einsatzbereich des Fahrzeuges anzugeben.

(6) Der Fahrzeuglenker hat den Bescheid, mit dem eine naturschutzrechtliche Bewilligung nach § 6 lit. j erteilt worden ist, mitzuführen und den Organen der öffentlichen Aufsicht auf Verlangen vorzuweisen.

..."

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zunächst unter Berufung auf den wasserrechtlichen Bescheid vom , Zl. IIIa1-W- 10.153/121, vor, dass zwischen der geplanten Wasserkraftanlage K. und seinem Grundstück ein räumliches Naheverhältnis bestehe und ihm als betroffenem Grundeigentümer Parteistellung im naturschutzrechtlichen Verfahren zukomme.

Dem ist Folgendes zu erwidern: Zu § 29 Abs. 2 TNSchG bzw. den im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerbestimmungen (§ 27 Abs. 2 des TNSchG 1997 und 1991, § 13 Abs. 1 des TNSchG (1975)) hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass das naturschutzrechtliche Bewilligungsverfahren ausschließlich dem Schutz der öffentlichen Interessen am Natur- und Landschaftsschutz dient, wobei die Behörde im Falle einer Interessenabwägung die mit diesen konkurrierenden, an der Erteilung der Bewilligung bestehenden öffentlichen Interessen zu berücksichtigen hat. Demnach haben private Interessen Dritter, weil außerhalb des gesetzlichen Schutzzweckes gelegen, für die Frage, ob für ein naturschutzrechtlich bewilligungsbedürftiges Projekt eine Bewilligung zu erteilen ist, außer Betracht zu bleiben. Es führt daher selbst das Eigentum an einem Teil der vom bewilligungsbedürftigen Vorhaben erfassten Grundfläche weder zu einem vom TNSchG anerkannten rechtlichen Interesse, noch zu einem Rechtsanspruch des Grundeigentümers auf Versagung der beantragten Bewilligung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0079, und die dort zitierte Vorjudikatur). Auch unter den Gesichtspunkten des Beschwerdefalles besteht kein Anlass, von dieser Auffassung abzugehen.

Soweit sich der Beschwerdeführer auch auf § 43 TNSchG beruft, wonach einem Antrag auf naturschutzrechtliche Bewilligung der Nachweis des Eigentums am betroffenen Grundstück (oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers) anzuschließen sei, so ist darauf zu verweisen, dass auch diese Vorschrift nicht den Schutz von Eigentümerrechten bezweckt. Vielmehr handelt es sich dabei, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen hat, lediglich um eine im Dienste der Verwaltungsökonomie stehende Vorschrift: Ein Bewilligungsverfahren soll nur in solchen Fällen durchgeführt werden müssen, in denen sichergestellt erscheint, dass das Vorhaben nicht schon allein wegen der fehlenden Zustimmung des Grundeigentümers zum Scheitern verurteilt ist. Auch aus dieser Vorschrift kann eine Parteistellung des vom Antragsteller verschiedenen Grundeigentümers nicht abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0079).

Dem Beschwerdeführer kam somit im Verfahren über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für das erwähnte Projekt die Stellung als Partei nach innerstaatlichem Recht nicht zu. Er war daher auch nicht berechtigt, gegen den erstbehördlichen Bewilligungsbescheid Berufung zu erheben.

Der Beschwerdeführer sucht des Weiteren die von ihm behauptete Parteistellung im naturschutzrechtlichen Verfahren als betroffener Grundeigentümer auf das "Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten", BGBl. III Nr. 88/2005 ("Aarhus-Konvention"), zu stützen, dessen Vertragspartner sowohl Österreich, als auch die Europäische Union sind. Mit ergänzendem Schriftsatz vom beruft sich der Beschwerdeführer zur Darlegung seines Rechtsstandpunktes zusätzlich auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom in der Rechtssache C-240/09 (Lesoochranarske zoskupenie VLK).

Dazu ist zunächst auf die Genehmigung des Abschlusses des Übereinkommens durch den Nationalrat (BGBl. III Nr. 88/2005) zu verweisen: In den ErläutRV zur Genehmigung wird angemerkt, dass das Übereinkommen einer unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich ist (von einem Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG wurde allerdings abgesehen, da das Übereinkommen als gemischtes Abkommen teilweise in die Zuständigkeit der Europäischen Union fällt; vgl. 654 BlgNR XXII. GP 2). Subjektive Rechte können daher vom Beschwerdeführer aus diesem Übereinkommen mangels dessen unmittelbarer Anwendbarkeit im innerstaatlichen Recht nicht abgeleitet werden (so auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/02/0239).

Aber auch im Bereich des Unionsrechts kommt dem vom Beschwerdeführer zur Darlegung seines Standpunktes herangezogenen Art. 9 Abs. 3 der "Aarhus-Konvention" keine unmittelbare Wirkung zu, was sich insbesondere aus dem vom Beschwerdeführer selbst in seinem ergänzenden Schriftsatz zitierten (Lesoochranarske zoskupenie VLK), ergibt. Der EuGH hat darin ausgesprochen, dass Art. 9 Abs. 3 der "Aarhus-Konvention" keine klare und präzise Verpflichtung enthalte, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte, und die Durchführung und Wirkung dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsaktes abhänge. Es sei Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen (vgl. Rz 44 ff des o.z. Urteils).

Der Beschwerdeführer kann somit die von ihm behauptete Parteistellung im Verfahren über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für das erwähnte Wasserkraftwerk auch aus dem Unionsrecht nicht ableiten, weshalb sich die Beantwortung der Frage erübrigt, ob die gegenständliche Rechtssache überhaupt im Anwendungsbereich des Unionsrechts gelegen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof sah sich daher auch nicht veranlasst, der Anregung des Beschwerdeführers zu folgen, die Frage der Einräumung einer Parteistellung aufgrund der "Aarhus-Konvention" dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am