VwGH vom 11.10.2011, 2010/05/0115
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der IW in E, vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1334/001-2010, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde E, 2. Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft N in M, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Hauptplatz 17), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der zweitmitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch eines bestehenden Gebäudes und Neubau einer Wohnhausanlage in E. erteilt. In der Begründung dieses Bescheides wurden die von der Beschwerdeführerin, einer Nachbarin, in der zuvor durchgeführten Bauverhandlung vom erhobenen Einwendungen behandelt.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nach einem erfolglosen Zustellversuch am durch Hinterlegung beim Postamt der mitbeteiligten Gemeinde zugestellt. Als Beginn der Abholfrist war der auf dem Rückschein vermerkt.
Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene, mit datierte Berufung langte am bei der mitbeteiligten Gemeinde ein. Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde diese Berufung als verspätet zurück.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung führte die Beschwerdeführerin aus, die Behörde habe richtig angenommen, dass auf Grund des erfolglosen Zustellversuchs am eine Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes erfolgt sei. Dieser Verständigung sei zu entnehmen gewesen, dass das Schriftstück erst am nächsten Werktag, somit am , habe abgeholt werden können. Die Beschwerdeführerin habe sich jedoch vom bis auf Urlaub in Italien befunden. Erst nach ihrer Rückkehr habe sie die Verständigung über ein hinterlegtes Schriftstück bemerkt, da sie am zu Mittag das letzte Mal ihren Briefkasten geleert habe. Daraufhin habe sie das hinterlegte Schriftstück sofort am und sohin innerhalb der Abholfrist behoben. Da es der Beschwerdeführerin wegen ihres Auslandsaufenthalts nicht möglich gewesen sei, das hinterlegte Schriftstück zum ehesten Zeitpunkt abzuholen, beginne die Einspruchsfrist erst mit der Abholung des hinterlegten Bescheides von der Poststelle zu laufen. Das fristauslösende Ereignis sei somit der , weshalb die von ihr am eingebrachte Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid als rechtzeitig anzusehen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.
Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, dass hinterlegte Dokumente gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten. Dass sich die Beschwerdeführerin vom bis auf Urlaub in Italien befunden habe, habe keine weitere Auswirkung, weil der Zusteller am keinen Grund zur Annahme gehabt habe, dass sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, dass bei Hinterlegung eines Dokumentes der Lauf der Rechtsmittelfrist erst bei Abholung dieses Dokumentes von der Poststelle ausgelöst werde, sei falsch. Außerdem habe die Beschwerdeführerin nach Abholung des Bescheides am noch fünf Tage Zeit gehabt, eine rechtzeitige Berufung einzubringen, weshalb von einer rechtzeitigen Kenntnisnahme des Zustellvorganges auszugehen sei. Da die Beschwerdeführerin rechtzeitig während der Abholfrist von ihrer Ortsabwesenheit zurückgekehrt sei und daher rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt habe, liege keine gesetzwidrige Hinterlegung vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf "Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels und darauf basierend in weiterer Folge auf Nichterteilung einer Baubewilligung mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen" verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe sich ab auf Urlaub befunden und sei erst am zurückgekehrt. Den Bescheid habe sie dann am behoben. Der der Beschwerdeführerin danach noch verbliebene Zeitraum von fünf Tagen zur Erhebung einer rechtzeitigen Berufung sei keinesfalls angemessen. Die Rückkehr an die Abgabestelle sei erst zehn Tage nach dem Beginn der Abholfrist erfolgt, weshalb nicht mehr gesagt werden könne, die Beschwerdeführerin habe noch rechtzeitig iSd § 17 Abs. 3 Zustellgesetz vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt. Die Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes sei zwar am erfolgt, der Beschwerdeführerin aber nicht an diesem Tag zugekommen, sondern erst einige Tage später von ihrer Tochter im Zuge einer Wohnungsnachschau entdeckt worden. Ob die Beschwerdeführerin auf Grund der Verständigung von der Hinterlegung rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis habe erlangen können, sei von den Behörden nicht überprüft worden.
§ 17 Zustellgesetz in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, enthält über die Hinterlegung folgende Bestimmungen:
"§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus- , Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
Unbestritten ist, dass der Baubewilligungsbescheid vom nach einem erfolglosen Zustellversuch am beim Postamt hinterlegt und ab zur Abholung bereitgehalten wurde. Die schriftliche Verständigung hievon wurde in den Postkasten der Beschwerdeführerin eingelegt. Wie sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren und in der Beschwerde ergibt, begann deren urlaubsbedingte Abwesenheit von der Abgabestelle erst am , somit drei Tage nach dem Zustellversuch und der Hinterlegung der Sendung sowie der Verständigung hievon. Sie konnte also rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen, weshalb der vierte Satz des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz, auf den sich die Beschwerde bezieht, hier nicht zur Anwendung kommt. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme vom Zustellvorgang kommt es hiebei, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, hingegen nicht an (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/11/0232, mwN). Die durch die Abwesenheit der Beschwerdeführerin von der Abgabestelle bewirkte Unmöglichkeit, die Sendung selbst abzuholen, ist für die Rechtswirksamkeit der Zustellung ohne Bedeutung. Um allenfalls dadurch eintretenden Säumnisfolgen entgegen zu wirken, wäre ihr das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung zur Verfügung gestanden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0089).
Der Baubewilligungsbescheid vom galt sohin mit dem ersten Tag der Abholfrist, dem , als zugestellt, weshalb die erst am dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin zu Recht als verspätet angesehen wurde.
Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt ebenfalls nicht vor. Das Beschwerdevorbringen zum Auffinden der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes durch die Tochter der Beschwerdeführerin unterliegt dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Abgesehen davon stand - wie oben dargelegt - bereits auf Grund der unbestrittenen Angaben auf dem Rückschein zum hinterlegten Baubewilligungsbescheid und dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin fest, dass sie rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, und zeigt die Beschwerdeführerin die Relevanz von allenfalls noch vorzunehmenden Ermittlungen auch nicht auf.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem nicht entgegen, weil eine zurückweisende Entscheidung (hier Zurückweisung einer Berufung als verspätet), in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 MRK fällt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/12/0030, mwN).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am