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VwGH vom 29.10.2008, 2005/04/0229

VwGH vom 29.10.2008, 2005/04/0229

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der GB GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 39, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom , Zl. 03F- 22/98-38, betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich - Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Auftraggeberin hat, nachdem sie ihre erste Ausschreibung widerrufen hatte, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am erneut "Bedarfsflüge für die österreichische Bundesregierung und deren Delegationen mit Flugzeugen mit Sitzplatzkapazitäten bis zu 80 Sitzplätzen" im offenen Verfahren ausgeschrieben. Bei dieser zweiten Ausschreibung hat die beschwerdeführende Partei kein Angebot gelegt. Mit Schriftsatz vom wurde ihr die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Lauda Air Luftfahrt AG mitgeteilt. Mit Schriftsatz vom (bei der belangten Behörde eingelangt am ) beantragte die beschwerdeführende Partei, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten "und die Nichtigerklärung der Vergabe an Lauda Air Luftfahrt AG ... vorzunehmen". Am erteilte die mitbeteiligte Partei der Lauda Air Luftfahrt AG den Zuschlag.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den genannten Nachprüfungsantrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 115 Abs. 1 sowie § 113 Abs. 2 und 3 BVergG 1997 zurück. Nach der Begründung dieses Bescheides habe es die beschwerdeführende Partei unterlassen, ihr rechtliches Interesse hinsichtlich des gesamten Auftrages zu behaupten; ein solches Interesse könne ihr auch deshalb nicht zugebilligt werden, da die beschwerdeführende Partei darauf verzichtet habe, zur zweiten Ausschreibung ein Angebot zu legen.

Diesen Bescheid hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , B 405/99 (VfSlg. 16.391), auf und stellte fest, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei. Der Verfassungsgerichtshof hegte Zweifel daran, dass die Rechtsansicht der belangten Behörde betreffend die Antragslegitimation der beschwerdeführenden Partei mit den Anforderungen der Rechtsmittelrichtlinie im Einklang stehe, sodass die belangte Behörde die Frage, ob die von ihr vorgenommene Auslegung des § 115 Abs. 1 BVergG 1997 gemeinschaftsrechtskonform sei, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG hätte vorlegen müssen. Indem die belangte Behörde dies unterließ, habe sie das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der beschwerdeführenden Partei auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Am fasste die belangte Behörde den Beschluss, dem EuGH drei näher umschriebene Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Zu diesen Fragen hat der , Grossmann Air Service, soweit hier relevant, unter Rn 40 ausgeführt, dass die Rechtsmittelrichtlinie dem Ausschluss einer Person von den in dieser Richtlinie vorgesehenen Nachprüfungsverfahren nach Erteilung des Zuschlags für einen öffentlichen Auftrag nicht entgegenstehe, wenn diese Person sich nicht an dem Vergabeverfahren beteiligt hat, weil sie sich auf Grund angeblich diskriminierender Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen nicht in der Lage gesehen hat, die Gesamtheit der ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen, sie jedoch vor Erteilung des Zuschlags keine Nachprüfung der genannten Spezifikationen eingeleitet hat.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und "Nichtigerklärung der Vergabe an Lauda Air Luftfahrt AG" neuerlich zurück (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wies sie auch den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei auch bei Einhaltung der Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt habe, zurück (Spruchpunkt II.). In der Begründung ging die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens zunächst davon aus, dass sie im fortgesetzten Verfahren das mit in Kraft getretene Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG anzuwenden habe (§ 188 Abs. 3 vierter Satz leg. cit.). Gemäß § 162 Abs. 2 BVergG sei sie aber zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers nur bis zur Zuschlagserteilung zuständig. Nach der Erteilung des Zuschlages könne sie gemäß § 162 Abs. 3 leg. cit. nur mehr einen Feststellungsbescheid erlassen. Da die beschwerdeführende Partei aber ausdrücklich einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gestellt habe, und dieser Antrag nach der Judikatur einer Umdeutung nicht zugänglich sei, sei eine inhaltliche Erledigung des Nachprüfungsantrages unzulässig und der Antrag der beschwerdeführenden Partei daher zurückzuweisen. Zu Spruchteil II. verwies sie darauf, dass sie eine Feststellung im Sinne des § 162 Abs. 3 erster Satz BVergG nicht getroffen habe, was aber Voraussetzung für die von der Mitbeteiligten beantragte Feststellung nach dem zweiten Satz der letztgenannten Bestimmung wäre.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom , B 38/05-7, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Nach Ergänzung der Beschwerde durch die beschwerdeführende Partei legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich dadurch, dass ihr Antrag nach dem Zuschlag nicht als Feststellungsantrag behandelt wurde, in Rechten verletzt. Sie bringt dazu vor, sie habe ursprünglich keine Kenntnis vom Zeitpunkt der Vergabe des Auftrages gehabt. Wie sich aber gezeigt habe, sei ihr Antrag auf Nichtigerklärung ohnedies zu einem Zeitpunkt gestellt worden, in dem der Zuschlag noch nicht erteilt worden war. Für die Zeit nach dem Zuschlag sei dieser Antrag auch so zu verstehen gewesen, dass im Zuge der Überprüfung festgestellt werden möge, dass der Auftrag nicht an den Bestbieter vergeben worden sei. Wenn der Antrag nämlich auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung laute, so beinhalte er "als Minus" den Antrag auf Feststellung, dass der behauptete Rechtsverstoß vorliege. Im Übrigen verweist die Beschwerde auf das genannte Urteil des EuGH, wonach ihre Antragslegitimation nicht von der Legung eines Angebotes abhänge und behandelt in diesem Zusammenhang jene Ausschreibungsbedingungen, die auf einen einzigen Bewerber zugeschnitten gewesen seien und ihr daher die Legung eines Angebotes unmöglich gemacht hätten.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides ausschließlich die Frage, ob die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei zurückweisen durfte oder ob sie diesen Antrag inhaltlich hätte behandeln müssen.

Die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 - BVergG

lauten (auszugsweise):

"2. Abschnitt

Das Verfahren vor dem Bundesvergabeamt Zuständigkeit

§ 162. (1) Das Bundesvergabeamt ist auf Antrag zur Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes zuständig.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung ist das Bundesvergabeamt zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen zuständig


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
2.
zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) Nach Zuschlagserteilung ist das Bundesvergabeamt zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hierzu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist das Bundesvergabeamt ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers oder des Zuschlagsempfängers festzustellen, ob der Antragsteller auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der hierzu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.

...

Feststellung von Rechtsverstößen

§ 175. (1) Nach erfolgtem Zuschlag oder nach erfolgtem Widerruf einer Ausschreibung hat das Bundesvergabeamt unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 auf Antrag bloß festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt oder nicht.

(2) Wird ein Bescheid des Bundesvergabeamtes vom Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben und wurde vor der Entscheidung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen, so hat das Bundesvergabeamt unter Zugrundelegung der festgestellten Rechtsanschauung bloß festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war.

...

In-Kraft-Tretens-, Außer-Kraft-Tretens- und Übergangsvorschriften

§ 188. (1) Für die im Zeitpunkt des jeweiligen In-Kraft-Tretens des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren gilt dieses Bundesgesetz nicht.

...

(3) Am beim Bundesvergabeamt anhängige Verfahren sind vom Bundesvergabeamt nach den Bestimmungen des BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, fortzuführen. ... Am beim Bundesvergabeamt anhängige, jedoch ausgesetzte Verfahren oder Verfahren, in denen gemäß § 38a AVG ein Antrag auf Fällung einer Vorabentscheidung gestellt wurde, diese aber bis zum noch nicht eingelangt ist, sind vom Bundesvergabeamt nach Entscheidung der Vorfrage bzw. nach Einlangen der Vorabentscheidung nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes fortzuführen. ..."

Was die im Verfahren vor der belangten Behörde anzuwendende Rechtslage betrifft, so hat die belangte Behörde zunächst zutreffend erkannt, dass sie im Hinblick auf das am beim EuGH in gegenständlicher Sache anhängige Verfahren betreffend Vorabentscheidung gemäß § 188 Abs. 3 BVergG die Vorschriften dieses Gesetzes als Rechtsgrundlage für die Fortführung ihres Verfahrens anzuwenden hatte. Ob aber der Nachprüfungsantrag zulässig eingebracht wurde, ist noch nach der Rechtslage, die im Zeitpunkt dieser Prozesshandlung gegolten hat (gegenständlich also nach dem BVergG 1997), zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0188, mwN).

Unstrittig und durch die Aktenlage belegt ist, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung am , somit zwei Tage vor der Erteilung des Zuschlages, bei der belangten Behörde eingelangt ist und zumindest zu diesem Zeitpunkt zulässig war.

Wenn die belangte Behörde allerdings meint, im gegenständlichen Fall komme ihr - seit der Erteilung des Zuschlages - nach den Bestimmungen des BVergG keine Zuständigkeit mehr zu, über den Nachprüfungsantrag der beschwerdeführenden Partei inhaltlich abzusprechen, so übersieht sie die Bestimmung des § 175 Abs. 2 BVergG. Da nämlich der Bescheid der belangten Behörde vom durch das obzitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom aufgehoben wurde und der Zuschlag bereits vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erteilt worden war, hatte die belangte Behörde im vorliegenden Fall nach der letztgenannten Bestimmung festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war. Eines gesonderten Antrages auf Feststellung bedurfte es dazu nicht (vgl. dazu schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0012; anders der Fall des § 175 Abs. 1 BVergG, in dem das Gesetz einen gesonderten Antrag verlangt und der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0161, zugrunde lag).

Entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift ist für die belangte Behörde aber auch aus dem zitierten , das unmittelbar die beschwerdeführende Partei betraf, nichts zu gewinnen. Es trifft zwar zu, dass es der EuGH in diesem Urteil als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen hat, eine Person vom Nachprüfungsverfahren auszuschließen, wenn sich diese wegen diskriminierender Ausschreibungsbedingungen weder am Vergabeverfahren beteiligt noch die Ausschreibungsbedingungen vor der Erteilung des Zuschlages bekämpft hat (vgl. die Randnummern 28, 32 und 39 bis 40 des Urteils). Der bloße Umstand, dass der Beschwerdeführer nur die Zuschlagsentscheidung, nicht aber die vorangegangene Ausschreibung bekämpft hat, konnte gegenständlich aber nicht dazu führen, dass dem Beschwerdeführer auch nach innerstaatlichem Recht keine Antragslegitimation zukam, weil er im Zeitpunkt seiner Antragstellung nach nationalem Recht (das BVergG 1997 sah eine Präklusion der Bekämpfung von Auftraggeberentscheidungen nicht vor) die Möglichkeit hatte, die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung erst im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung geltend zu machen (vgl. nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0188, und den dortigen Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2233/00).

Aus den genannten Gründen erweist sich der Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides (und darauf aufbauend auch der Spruchteil II.) als inhaltlich rechtswidrig, sodass der gesamte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war, weil kein Verhandlungsaufwand entstanden ist, abzuweisen.

Wien, am