VwGH vom 15.02.2013, 2012/09/0172
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der EB in N, vertreten durch Dr. Werner Stolarz Mag. Rainer Ebert Rechtsanwälte KG in 2020 Hollabrunn, Hauptplatz 16, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 64/8-DOK/12, betreffend Entlassung nach dem BDG 1979 (weitere Parteien: Bundesminister für Landesverteidigung, Bundeskanzler), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe dadurch, dass sie während ihres seit andauernden Krankenstandes regelmäßig "Workshops-Modelschulungen" und Modeschauen in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich veranstaltet habe (es werden in der Folge zahlreiche Termine detailliert dargestellt), gegen die in § 43 Abs. 2 BDG 1979 normierte Vertrauenspflicht, nämlich in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleiben, vorsätzlich verstoßen und damit eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.
Es wurde die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde das wesentliche Verwaltungsgeschehen wörtlich wieder, insbesondere den Bescheid der Behörde erster Instanz mit den darin enthaltenen detaillierten Sachverhaltsfeststellungen und den Ausführungen der Behörde erster Instanz zur Strafbemessung; die belangte Behörde schloss sich diesen an und führte zur objektiven Tatseite aus, dass die Berufungseinwände der Beschwerdeführerin an der Spruchanlastung vorbeigingen.
Anschließend legte die belangte Behörde ihre Überlegungen zur Strafbemessung dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt als Verfahrensmangel, es sei die beantragte Zeugin DS nicht einvernommen worden. Diese wäre "in der Lage gewesen, zu bestätigen, dass die gegenüber der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe nicht der Richtigkeit entsprechen."
Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen wird nicht dargetan, welchen Sachverhalt die Zeugin hätte aussagen können. Die Beschwerdeführerin zeigt mit ihrem Vorbringen daher die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht auf.
Überdies ist die Beschwerdeführerin an ihre Berufung zu erinnern, in der sie die Einvernahme dieser Zeugin konkret zum Thema "Nachweis, dass die (Beschwerdeführerin) ihren Wohnsitz nachwievor in S hat", beantragt hat. Dieses Beweisthema spielt jedoch für den zu beurteilenden Schuldspruch keine Rolle, sondern war nur bedeutsam für den im Bescheid der Behörde erster Instanz enthaltenen zweiten Anschuldigungspunkt, von dem die Beschwerdeführerin aber mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen worden war.
Als weiteren Verfahrensmangel rügt die Beschwerdeführerin:
"Wie die Beschwerdeführerin bereits im gesamten bisherigen Verfahren dargelegt hat, blieb der Umstand, dass die Beschwerdeführerin der Dienststelle gemeldet hat, dass sie eine Nebentätigkeit ausübt, ein Gewerbe angemeldet hat und dass es sich hiebei um eine Modelagentur handelt, vollkommen unberücksichtigt. Es wird lediglich festgestellt, dass feststehe, dass der Dienstbehörde eine entsprechende Mitteilung gemacht wurde.
Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, Ermittlungstätigkeiten hinsichtlich der schriftlichen Gewerbemeldung an die Dienstbehörde zu entfalten. Lediglich dann hätte ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren stattgefunden."
Dieses Vorbringen ist nicht nachvollziehbar. Denn wird - wie hier die erfolgte Meldung an die Dienstbehörde - ohnehin solches als Sachverhalt unbestritten festgestellt, so ist keine weitere Ermittlung zu diesem Sachverhalt erforderlich. Überdies kommt es zur Beurteilung des gegenständlichen Schuldspruches gar nicht auf die Tatsache der erfolgten Meldung an die Dienstbehörde an.
Die unter dem Titel Rechtswidrigkeit des Inhalts erstattete Rüge der Beschwerdeführerin, die Meldung der Nebentätigkeit bedinge, dass kein schuldhaftes Verhalten vorliege, geht am Schuldspruch vorbei, denn ihr wurde nicht die Unterlassung einer Meldung vorgeworfen.
Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin sich auf Grund verschiedenster von ihr angegebener Beschwerden (siehe die Auflistung im angefochtenen Bescheid: Karpaltunnelsyndrom, Depressionen, Nierenprellung, Grippe, Harninfekt, Hypertonie …) gerechtfertigt im Krankenstand befand oder dieser ungerechtfertigt war, weil sie dienstfähig gewesen wäre (wie dies die Behörde erster Instanz auf Grund der mehrfachen, die Dienstfähigkeit bestätigenden Untersuchungen meint).
Denn selbst in dem für sie günstigeren Fall, dass es sich um einen gerechtfertigten Krankenstand handle, steht die Führung einer Modelagentur in dem von der belangten Behörde detailliert festgestellten Ausmaß (zusammengefasst: laut Homepage der Modelagentur der Beschwerdeführerin 19 verschiedene Veranstaltungen (Modeschauen und Workshops), davon zumindest sechs in Deutschland; acht Veranstaltungen auf Grund der Datumsangaben auf den veröffentlichten Fotos eindeutig zuordenbar; drei TV-Auftritte mit Interviews ("Hobby zum Beruf", persönliche Abhaltung der Workshops, Errichtung eines "zweiten Standbeins" bei München) samt dafür erforderlichem koordinativen und organisatorischen Aufwand der Veranstaltungen, Reiseaufwand (Veranstaltungen im In- und Ausland), ständige Betreuung der homepage, Werbeaufwand …) im eklatanten Widerspruch zum Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin jahrelang nicht in der Lage fühlte, ihren Dienstpflichten als Beamtin an ihrem Arbeitsplatz nachzukommen.
Richtigerweise hat die belangte Behörde den Schluss gezogen, dass diese Beanspruchung im Widerspruch zu der von ihr behaupteten Unmöglichkeit der Dienstverrichtung stehen; es ist nachvollziehbar, dass eine derartig umfangreiche Beanspruchung in einem Nebenberuf einem Heilungsprozess bei den von der Beschwerdeführerin angegebenen (u.a. aus Angst vor dem Berufsleben auftretenden) Beschwerden zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit nicht förderlich sind, wohingegen angeordnete Heilbehandlungen und Kuren durch die Beschwerdeführerin nicht wahrgenommen werden; die Beschwerdeführerin behauptet auch gar nicht, dass ihr die Führung der Modelagentur als Therapie empfohlen worden wäre (dadurch unterscheidet sich der gegenständliche Fall vom den dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0021, zu Grunde liegenden Fall).
Dass eine derartige Vorgangsweise, sich nämlich krank zu melden und im Krankenstand ohne Therapienotwendigkeit Aktivitäten wie die vorliegenden zu entfalten, eine erhebliche Dienstpflichtverletzung darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits hinsichtlich weit weniger schwer wiegender Sachverhalte etwa in den Erkenntnissen vom , Zl. 2003/09/0052, und vom , Zl. 92/09/0285, dargelegt, weil diese negative Beispielswirkung für den Dienstbetrieb auslöse und geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben sehr erheblich zu erschüttern.
Gegenständlich hat die belangte Behörde zu Recht die vorsätzliche Begehung, die lange Begehungsdauer über einen Zeitraum von mehreren Jahren (wodurch die Beschwerdeführerin erkennbar zum Ausdruck gebracht habe, dass sie gegenüber der sie treffenden Treueverpflichtung tendenziell - und nicht nur ausnahmsweise - eine ablehnende Einstellung einnehme, der der Dienstgeber nur durch einen andauernden, die Grenzen der Zumutbarkeit bei Weitem überschreitenden Kontrollaufwand begegnen könnte), die komplexe und umfassende Art und Weise der Ausübung der Nebenbeschäftigung während des Krankenstandes nicht nur in Österreich, die erlangte Publikumswirksamkeit (Internet-Homepage, Medienauftritte) und die mangelnde Schuldeinsicht in die Strafbemessung einbezogen. Davon ausgehend erweist sich die Dienstpflichtverletzung einerseits als objektiv besonders schwer und geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben der Beamtin grundlegend zu schädigen und zusätzlich auch innerhalb der Beamtenschaft eine äußerst negative Vorbildwirkung zu erzeugen, was bereits die Entlassung rechtfertigt. Andererseits ist der belangten Behörde auch darin zu folgen, dass aus spezial- und generalpräventiven (zur Anwendung der Rechtslage vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/07/0096) Überlegungen die Disziplinarstrafe der Entlassung notwendig ist, um nicht nur die Beschwerdeführerin in Hinkunft von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, sondern auch gegenüber anderen Beamten eine Warnfunktion hinsichtlich der Begehung vergleichbarer dienstlicher Verfehlungen zu erfüllen.
Daran vermögen die in der Beschwerde hervorgehobenen, von der belangten Behörde ohnehin berücksichtigten Milderungsgründe der bisherigen Unbescholtenheit und ihrer privaten (persönlichen und finanziellen) und gesundheitlichen Probleme nichts zu ändern.
Da der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am