VwGH vom 23.04.2013, 2012/09/0171

VwGH vom 23.04.2013, 2012/09/0171

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des U in W, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Marxergasse 29/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom , Zl. Senat-NK-11-1155, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Angelegenheit nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien:

Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft N vom wurde der Beschwerdeführer als Verantwortlicher der C-AG einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von EUR 4.000,- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verhängt. Die vom ihm gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung wurde am - und sohin nach Ablauf der am endenden zweiwöchigen Rechtsmittelfrist - beim Postamt T aufgegeben (und deshalb von der belangten Behörde mit Bescheid vom 8. Juni 2011als verspätet zurückgewiesen).

Am stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft N fristgerecht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (und legte diesem nochmals die Berufung bei). Dazu brachte er im Wesentlichen vor, dass er Frau K, die seit März 2002 sämtliche Sekretariatsaufgaben für ihn erledige und bislang jede seiner Anweisung korrekt und ordnungsgemäß ausgeführt habe, am beauftragt habe, die Berufung zur Post zu bringen und per Einschreiben abzusenden. K habe unerwartet ihre Mutter von einer Augenuntersuchung beim Arzt abholen müssen und sei weiters infolge einer Reifenpanne erst um ca. 18.05 Uhr (und somit nach Ende der Öffnungszeiten) beim Postamt eingelangt, weshalb die Postaufgabe des Schriftstückes dann am Vormittag des nächsten Tages (einem Samstag) erfolgt sei, wovon der Beschwerdeführer am darauffolgenden Montag () erfahren habe. Durch diese unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisse sei der Beschwerdeführer an der Fristeinhaltung verhindert gewesen; ihn treffe auch nur ein minderer Grad des Versehens, da das Ereignis von K nicht habe einberechnet werden können.

Diesen Antrag wies die Bezirkshauptmannschaft N mit Bescheid vom ab, welchen der Beschwerdeführer mit Berufung bekämpfte.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach Durchführung einer Berufungsverhandlung (mit Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeuginnen K und deren Mutter) - dieser Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, dass die als Zeugin einvernommene K, die nach Angaben des Beschwerdeführers sämtliche Sekretariatsaufgaben für ihn erledige, in der Berufungsverhandlung die Angaben des Beschwerdeführers zum Wiedereinsetzungsantrag nicht habe bestätigen können. Die Zeugin habe im Wesentlichen ausgeführt, dass sie sich an die Vorfälle rund um diese Postaufgabe, die schon 1 ½ Jahre zurücklägen, nicht mehr genau erinnern könne. Zum Ablauf des Nachmittags des habe sie keine Angaben mehr machen und nicht sagen können, wann sie das Büro verlassen und ihre Mutter abgeholt habe. Zur im Wiedereinsetzungsantrag angegebenen Reifenpanne habe sie nur angegeben, dass sie einmal eine Reifenpanne gehabt habe, die sie aber zeitlich nicht mehr zuordnen könne, nicht einmal in der Hinsicht, ob diese Panne im Zuge einer Abholung ihrer Mutter stattgefunden habe. Auch habe die Zeugin keine Erinnerung, ob sie gewusst habe, dass die Berufung fristgebunden noch am Freitag zur Post habe gegeben werden müssen. Sie bekomme die Post meistens fertig kuvertiert, adressiert und verschlossen mit dem Hinweis, wann sie sie beim Postamt aufgeben solle.

Die als Zeugin befragte Mutter von K habe überhaupt keine Angaben zum gegenständlichen Datum machen können. Ob bzw. bei welchem Augenarzt sie am gewesen sein könnte, habe sie nicht angeben können; dass ihre Tochter ihr erzählt habe, dass sie eine Reifenpanne gehabt habe, wisse sie aufgrund der verstrichenen Zeit auch nicht mehr. Beide Zeuginnen, insbesondere K, hätten den vom Beschwerdeführer dargestellten Geschehensablauf am Nachmittag des , der ein unvorhersehbares und unanwendbares Ereignis für die nicht rechtzeitige Einbringung der Berufung habe darstellen sollen, nicht bestätigen können.

Wenn K auf die zwischen diesem Tag und der bis zur Berufungsverhandlung verstrichenen Zeitspanne verweise, sei - so die belangte Behörde weiter - dazu auszuführen, dass gerade die vom Beschwerdeführer dargelegte Verkettung verschiedener Umstände, die zur verspäteten Postaufgabe geführt hätten, der Zeugin im Gedächtnis hätten bleiben müssen, zumal sie ja den Beschwerdeführer von der verspäteten Postaufgabe verständigen musste und dadurch von den Folgen der erst am Samstag, den , erfolgten Postaufgabe Kenntnis erlangt habe. Der Beschwerdeführer bezeichne sich selbst als kritischer Arbeitgeber, weswegen davon auszugehen sei, dass der Zeugin die Angelegenheit äußerst unangenehm gewesen sei und ihr gerade deswegen die Umstände, die dazu geführt hätten, besonders genau im Gedächtnis bleiben würden. Auch sei es unwahrscheinlich, dass die Zeugin nur angeben könne, dass sie einmal eine Reifenpanne hatte, eine zeitliche Einordnung und die Schilderung näherer Umstände, wo und wann dies gewesen sein könnte, ihr aber nicht möglich gewesen sei.

Daher sei vom Beschwerdeführer das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses zur Einhaltung der Berufungsfrist nicht glaubhaft gemacht worden - die bloße Behauptung des Vorliegens derartiger Geschehnisse allein ohne entsprechende Beweisergebnisse reiche nicht -, so dass schon aus diesem Grund eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu bewilligen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein Mindergrad des Versehens trifft.

Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/03/0029, mwN, und vom , Zl. 2009/03/0089).

Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substanziiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/08/0259, und vom , Zl. 2008/09/0225, u.v.a.).

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 95/08/0259, 96/08/0031).

2. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Nichtannahme der von ihm zur Versäumung der Berufungsfrist behaupteten unvorhergesehenen bzw. unabwendbaren Ereignisse wendet und damit auch erkennbar die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid bekämpft, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053).

Im konkreten Fall hat die belangte Behörde angesichts der Angaben der Zeuginnen K und deren Mutter, welche sich an die vom Beschwerdeführer behaupteten Vorfälle nicht erinnern konnten, der gegenteiligen Darstellung des Beschwerdeführers keinen Glauben geschenkt und dies nachvollziehbar damit begründet, dass sich insbesondere K an eine derartige Verkettung von Umständen (Verzögerungen durch die unerwartete Notwendigkeit der Abholung der Mutter vom Arzt und zusätzliche Reifenpanne) und gewärtig der dadurch bedingten Folgen bei ihrem Arbeitgeber erinnern müsste.

Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang die "Art der Protokollierung" in der Berufungsverhandlung und vermeint, dass die Zeuginnen durch den Hinweis auf die Wahrheitspflicht eingeschüchtert worden seien und deren Belehrung zur Möglichkeit, die Aussage unter bestimmten Gründen verweigern zu können, ebenso unterblieben sei wie der Hinweis an ihn, allenfalls Einwendungen nach § 14 Abs. 7 AVG wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Protokolls zu erheben; schließlich moniert er, die belangte Behörde habe bei der Zeugenbefragung keine für den Beschwerdeführer entlastenden Fragen gestellt.

Er unterlässt es aber darzutun, welche für die Beweiswürdigung wesentlichen Unrichtigkeiten vorgelegen hätten und behauptet auch nicht, dass den Zeuginnen ein Aussageverweigerungsrecht zugestanden wäre. Mit der bloßen Wiederholung seiner Sachverhaltsdarstellung und der Behauptung, dass die beiden Zeuginnen (wegen der Scheidung von K, die nun Alleinverdienerin mit einem schulpflichtigen Sohn sei, und dem Selbstmord deren Tante) "in letzter Zeit schwere Schicksalsschläge erlitten haben und daher vielleicht erklärbar ist, dass sie an die Vorgänge damals keine genaue Erinnerung mehr hatten", vermag er jedoch der schlüssigen Argumentation der belangten Behörde nichts Stichhaltiges zu erwidern.

Entgegen dem diesbezüglich weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers kann auch eine Verletzung der Manuduktionspflicht durch die Behörde schon deswegen nicht erkannt werden, da die Manuduktionspflicht nicht so weit geht, dass die Parteien dahin beraten werden müssten, mit welchen Mitteln sie bereits von der Behörde aufgenommene Beweise widerlegen oder in Frage stellen könnten, zumal die Behörden nach § 13a AVG nicht gehalten sind, unvertretenen Parteien ganz allgemein Unterweisungen zu erteilen, wie ihr Vorbringen zu gestalten wäre, damit sich der jeweilige Parteienstandpunkt letztlich durchsetzen könne (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 362f unter E 8ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Insgesamt kann der Beschwerdeführer somit weder die Beweiswürdigung der belangten Behörde erschüttern, noch relevante Verfahrensfehler dartun, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Ergebnis kommen konnte, was der Beschwerdeführer durch konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/02/0014), hier aber der Beschwerde nicht entnommen werden kann.

Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde als Ergebnis ihrer nachvollziehbaren Beweiswürdigung schon das Vorliegen eines im Wiedereinsetzungsantrag behaupteten unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses verneint. Bei dieser Sachlage erübrigte sich aber die Prüfung des Vorliegens eines Verschuldens des Beschwerdeführers in Bezug auf seine gegenüber der Sekretärin bestehenden Sorgfalts- und Überprüfungsverpflichtungen, sodass die diesbezügliche Rechtsrüge des Beschwerdeführers ins Leere geht.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am