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VwGH vom 29.03.2006, 2005/04/0188

VwGH vom 29.03.2006, 2005/04/0188

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Bietergemeinschaft bestehend aus F, C & Partner Ziviltechniker GmbH in W, Büro A Ingenieurleistungen in W, V & Partner Ingenieure, Ziviltechniker für Bauwesen GmbH in W, Haus der Technik, DI G und DI F Ziviltechniker GmbH in W sowie DI W, staatlich befugter und beeideter Ziviltechniker in S, vertreten durch Dr. Stefan Wurst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 5, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom , GZ 09F-7/00-22, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages (mitbeteiligte Partei: A in W, vertreten durch Doralt, Seist, Csoklich, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat das Bundesvergabeamt den Antrag der beschwerdeführenden Bietergemeinschaft vom auf Feststellung, dass die Mitbeteiligte im Vergabeverfahren betreffend "Dienstleistung - örtliche Bauaufsicht LKW Maut Österreich" den Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt habe, gemäß §§ 16, 109 und 113 Bundesvergabegesetz 1997, BGBl. I Nr. 56 (BVergG 1997) und § 188 Bundesvergabegesetz 2002, BGBl. I Nr. 99 (BVergG 2002) zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das nach dem BVergG 1997 eingerichtete Bundesvergabeamt am den Beschluss gefasst habe, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 177 Abs. 3 EGV einzuleiten (aus der Aktenlage ergibt sich, dass über dieses Ersuchen das , F, C & Partner, Ziviltechniker GmbH u.a. erging).

Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag ausgeführt, dass sie von der Mitbeteiligten am über die Erteilung des Zuschlags an eine andere Bieterin informiert worden wäre. Aus den Ausschreibungsunterlagen ergäbe sich, dass die Mitbeteiligte in unzulässiger Weise Eignungskriterien als Zuschlagskriterien behandelt hätte. Die Zuschlagserteilung wäre daher rechtswidrig.

Die Mitbeteiligte habe in ihrer Stellungnahme vom ausgeführt, dass sie die Beschwerdeführerin bereits mit Schreiben vom über das Ergebnis der Anbotsauswertung und die beabsichtigte Zuschlagserteilung informiert hätte, um ihr so Gelegenheit zu bieten, diese Zuschlagsentscheidung noch vor Zuschlagserteilung anzufechten. Die Beschwerdeführerin wäre jedoch offensichtlich überhaupt nicht daran interessiert gewesen, den Zuschlag zu erhalten, weil von ihr kein diesbezüglicher Antrag gestellt worden wäre. Ein Bieter, der die Meinung vertreten würde, dass die Zuschlagskriterien nicht dem Gesetz entsprächen, wäre verpflichtet, dies zum ehestmöglichen Zeitpunkt, also in einem Fall wie dem vorliegenden noch vor Angebotseröffnung, geltend zu machen. Das Wettbewerbsprinzip würde es einem Bieter verbieten, in Kenntnis nicht gesetzeskonformer Zuschlagskriterien zunächst ein Angebot zu legen und erst bei Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter diese Rechtswidrigkeit geltend zu machen. Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, die Mitbeteiligte auf den behaupteten Fehler aufmerksam zu machen, ergäbe sich nicht nur aus § 109 Abs. 6 BVergG 1997, sondern auch aus den Pflichten im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses.

Nach § 188 Abs. 3 erster Satz BVergG 2002 und der dazu ergangenen Judikatur seien am bei dem nach dem BVergG 1997 eingerichteten Bundesvergabeamt anhängige Verfahren vom neuen (nach dem BVergG 2002 eingerichteten) Bundesvergabeamt nach den verfahrens- und materiellrechtlichen Bestimmungen des BVergG 1997 zu Ende zu führen. Davon normiere § 188 Abs. 3 vierter Satz BVergG 2002 eine Ausnahme, wonach u.a. Verfahren, in denen ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt worden sei, über das bis zum noch nicht entschieden worden sei, nach Einlangen der Vorabentscheidung nach den Bestimmungen des BVergG 2002 fortzuführen seien. Da im vorliegenden Verfahren die auf Grund eines vor dem gestellten Vorabentscheidungsersuchens ergangene Entscheidung des EuGH erst nach diesem Zeitpunkt eingelangt sei, sei das Verfahren nach den Bestimmungen des BVergG 2002 fortzuführen.

Die Zulässigkeit der Stellung eines Feststellungsantrages sei im BVergG 2002 gegenüber dem BVergG 1997 wesentlich eingeschränkt worden. Ein Feststellungsantrag sei insbesondere nunmehr unzulässig, wenn der behauptete Verstoß im Rahmen eines auf Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung gerichteten Nachprüfungsverfahrens hätte geltend gemacht werden können. Die Anwendung dieser verfahrensrechtlichen Bestimmungen auf den vorliegenden Fall würde sowohl den europarechtlich als auch im innerstaatlichen Recht verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes stark beeinträchtigen. Der vorliegende Antrag wäre nämlich bereits auf Grund von Zulässigkeitsvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht bekannt gewesen seien, unzulässig. Da § 188 Abs. 3 vierter Satz BVergG 2002 keiner richtlinienkonformen Interpretation zugänglich sei, müsse diese Bestimmung hinsichtlich des Verfahrensrechts nicht angewendet werden. Insoweit bleibe es daher bei der allgemeinen Übergangsbestimmung des § 188 Abs. 3 erster Satz BVergG 2002, wonach auf den vorliegenden Fall das BVergG 1997 anzuwenden sei.

Um die Chance auf eine Auftragserteilung zu wahren, hätte die Beschwerdeführerin gemäß § 109 Abs. 6 BVergG 1997 möglichst rasch einen Antrag an die Bundes-Vergabekontrollkommission gemäß § 109 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. stellen müssen. Auf Grund dieses Antrages wäre es der Mitbeteiligten verwehrt gewesen, innerhalb von vier Wochen den Zuschlag zu erteilen. Weiters wäre es der Beschwerdeführerin offen gestanden, einen Nachprüfungsantrag in Verbindung mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu stellen, um sich die Chance auf den Erhalt des Zuschlags zu wahren. Diese Möglichkeiten habe die Beschwerdeführerin jedoch nicht in Anspruch genommen. Es würde dem freien und lauteren Wettbewerb gemäß § 16 Abs. 1 BVergG 1997 widersprechen, wenn es einem Bieter überlassen bliebe, die Ausschreibungsbedingungen erst im Fall der Nichtauswahl zu bekämpfen. Dem gegenständlichen Feststellungsantrag sei nicht zu entnehmen, dass die relevierten Bedenken gegen die Ausschreibungsbedingungen erst nach Bekanntgabe der Angebotsauswertung vom erkennbar geworden wären. Der dargelegten Ansicht widerspreche auch das nicht, wonach es der Rechtsmittelrichtlinie widersprechen würde, von einem Unternehmer, der sich an einem Vergabeverfahren beteiligt habe, anzunehmen, dass er sein Interesse am Auftrag verloren habe, weil er nicht vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens eine Schlichtungskommission angerufen habe. Das Interesse der Beschwerdeführerin am Erhalt des Auftrags werde nämlich in keiner Weise verneint. Vielmehr sei durch das gewählte Vorgehen der Beschwerdeführerin ein den Wettbewerb verzerrendes Verhalten offensichtlich, das dem Vergabegesetz widerspreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde eine Antragsvoraussetzung "vergabegesetz- bzw. wettbewerbskonformes Verhalten der Antragstellerin" angenommen habe, die jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehre. Im Ergebnis sei die belangte Behörde so verfahren, als ob das im BVergG 2002 normierte System der Subsidiarität des Feststellungsantrages bereits im BVergG 1997 verwirklicht worden wäre. Im Ergebnis negiere die belangte Behörde auch die Entscheidung des EuGH, wonach es eben nicht richtlinienkonform wäre, den schadenersatzrechtlichen Rechtsschutz der Richtlinie nur zu gewähren, wenn vorher das gesamte innerstaatliche Rechtsschutzsystem ausgenützt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die - zwar nicht in der Beschwerde, wohl aber in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die Zulässigkeit des gegenständlichen Feststellungsantrages nicht nach dem BVergG 2002, sondern nach dem BVergG 1997 zu beurteilen ist, begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung, ob eine zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommene Prozesshandlung zulässig war, die im Zeitpunkt dieser Prozesshandlung herrschende Rechtslage maßgeblich ist; die Zulässigkeit des von der Beschwerdeführerin unter der Geltung des BVergG 1997 gestellten Feststellungsantrages war daher - unbeschadet einer Fortführung des Verfahrens nach den Bestimmungen des BVergG 2002 gemäß dessen § 188 Abs. 3 vierter Satz - nach dem BVergG 1997 zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0182, mwN).

Die maßgeblichen Bestimmungen des BVergG 1997 in der im Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Feststellungsantrages geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 120/1999 lauten:

"§ 16. (1) Aufträge über Leistungen sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, an - spätestens zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung - befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu vergeben.

...

§ 109. (1) Die Bundes-Vergabekontrollkommission ist zuständig:

1. bis zur Zuschlagserteilung zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten, die sich zwischen der vergebenden Stelle und einem oder mehreren Bewerbern oder Bietern bei der Vollziehung dieses Bundesgesetzes oder der hiezu ergangenen Verordnungen ergeben;

...

(6) Ein auf ein Tätigwerden gemäß Abs. 1 Z 1 gerichtetes Ersuchen ist möglichst rasch nach Kenntnis der Meinungsverschiedenheit bei der Geschäftsführung einzubringen.

...

(8) Die vergebende Stelle darf innerhalb von vier Wochen ab Einbringung ihres Ersuchens gemäß Abs. 2 bzw. ab der Verständigung gemäß Abs. 7 bei sonstiger Nichtigkeit den Zuschlag nicht erteilen, ...

§ 113. ...

(3) Nach Zuschlagserteilung oder nach Abschluß des Vergabeverfahrens ist das Bundesvergabeamt zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist das Bundesvergabeamt ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob ein übergangener Bewerber oder Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.

§ 115. (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluß eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) Ein solcher Antrag ist bis zur Zuschlagserteilung (§ 113 Abs. 2) in folgenden Fällen unzulässig:

1. vor Angebotsöffnung bzw. vor Vorlage der Angebote gemäß § 22 Abs. 2, wenn in derselben Sache kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde, es sei denn, die Bundes-Vergabekontrollkommission ist innerhalb der Frist des § 110 Abs. 2 nicht tätig geworden oder hat sich für unzuständig erklärt. ...

(4) In den Fällen des § 113 Abs. 3 ist ein Antrag unzulässig, wenn er nicht spätestens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlages gestellt wird.

..."

Die Beschwerdeführerin, die in der Beschwerde vorbringt, die Zuschlagskriterien der gegenständlichen Ausschreibung "von Anfang an für rechtswidrig" gehalten zu haben, hat unstrittig weder diesbezüglich ein Schlichtungsverfahren vor der Bundes-Vergabekontrollkommission beantragt, noch die ihr von der Mitbeteiligten - obwohl damals gesetzlich nicht vorgesehen - bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung bekämpft. Sie hat sich damit der Möglichkeit begeben, die Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter zu verhindern und in der Folge selbst den Zuschlag zu erhalten.

Die belangte Behörde hat dies als "ein den Wettbewerb verzerrendes Verhalten" gewertet und den Feststellungsantrag daher als dem Prinzip des freien und lauteren Wettbewerbs gemäß § 16 BVergG 1997 widersprechend und somit als nicht zulässig angesehen.

Die Unterlassung der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 115 BVergG 1997 lediglich Zulässigkeitsvoraussetzung für die Stellung eines Nachprüfungsantrages vor Angebotsöffnung bzw. vor Vorlage der Angebote im Verhandlungsverfahren, nicht aber für nach Zuschlagserteilung oder Abschluss des Vergabeverfahrens gestellte Feststellungsanträge gemäß § 113 Abs. 3 leg. cit. Eine dem § 168 Abs. 3 BVergG 2002 entsprechende Bestimmung, wonach Feststellungsanträge unzulässig sind, wenn der geltend gemachte Verstoß im Rahmen eines auf Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung gerichteten Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht hätte werden können, ist dem BVergG 1997 fremd.

Wie der Verfassungsgerichtshof - dem sich der Verwaltungsgerichtshof insoweit anschließt - unter Bezugnahme auf einschlägige Judikatur des EuGH ausgesprochen hat, kann der Grundsatz des freien Wettbewerbs zwischen Bietern nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Gesetzgeber des BVergG 1997 auf Präklusionsfristen, welche letztlich den Auftraggeber schützen, weitgehend verzichtet hat (vgl. das Erkenntnis des ). Es kann daher auch die Einbringung eines - nicht präkludierten - Feststellungsantrages, der eine Rechtswidrigkeit geltend macht, die auch in einem früheren Stadium des Vergabeverfahrens hätte geltend gemacht werden können, nicht dem Prinzip des freien und lauteren Wettbewerbs widersprechen.

Die Zurückweisung des vorliegenden Antrages wegen eines Verstoßes gegen das genannte Prinzip beruht daher auf einer Verkennung der Rechtslage.

Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am