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VwGH vom 21.12.2010, 2007/21/0457

VwGH vom 21.12.2010, 2007/21/0457

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Josef Herr, Rechtsanwalt in 5400 Hallein, Thunstraße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. Fr-42/20/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, ein auf §§ 86 und 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Eine gegen die Abweisung dieses Antrages in erster Instanz erhobene Berufung habe der Beschwerdeführer, der am in Salzburg die österreichische Staatsbürgerin B geheiratet habe, am zurückgezogen. Infolge dieser Ehe sei dem Beschwerdeführer über entsprechenden Antrag eine bis gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Salzburg wegen schwerer Körperverletzung rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass er mit einer Holzlatte auf einen Dritten eingeschlagen und diesen damit am Körper schwer verletzt habe.

Bereits drei Monate nach der Eheschließung habe die Ehefrau des Beschwerdeführers beim Bezirksgericht Salzburg Klage wegen "Ehescheidung bzw. Aufhebung der Ehe" eingebracht. In diesem Verfahren sei vorgebracht worden, dass die Ehe weder vollzogen worden sei noch ein gemeinsamer Wohnsitz bestehe.

Infolgedessen sei auch ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots eingeleitet worden. Aus den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers ergebe sich, dass eine Scheinehe vorliege. Es sei zwischen den Ehepartner vereinbart worden, dass die Scheidung erfolgen solle, sobald der Beschwerdeführer über einen Aufenthaltstitel verfüge.

Dass eine Scheinehe vorliege, habe die Ehefrau des Beschwerdeführers auch gegenüber dem Bezirksgericht Salzburg bestätigt. Auch dem Magistrat der Stadt Salzburg habe der Vertreter der Ehefrau des Beschwerdeführers schriftlich mitgeteilt, dass die Ehe nur abgeschlossen worden sei, damit der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung und in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten könne. Die Ehe sei - so die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die diversen Äußerungen der Ehefrau des Beschwerdeführers - niemals vollzogen worden. Es bestehe auch kein gemeinsamer Wohnsitz.

Zwar hätten der Beschwerdeführer und zwei im Verfahren vernommene Zeugen angegeben, es läge eine "Liebesheirat" vor. Diesen Angaben sei aber nicht zu folgen. Insbesondere sei auf das Berufungsurteil des Landesgerichts Salzburg hinzuweisen, mit dem zwar die Klage der Ehefrau auf Aufhebung der Ehe abgewiesen worden sei, jedoch sei in diesem Urteil auf die Feststellungen des Bezirksgerichts Salzburg verwiesen worden. Letzteres habe festgestellt, dass B vom Beschwerdeführer gefragt worden sei, ob sie einer "Zweckheirat" zustimme. B habe auf Grund "ihrer sozialen Engagiertheit notleidenden Personen zu helfen", dem Vorschlag zugestimmt. B habe allerdings nach der Eheschließung erkennen müssen, dass der Beschwerdeführer die mit ihr eingegangene Ehe entgegen der ursprünglichen Abmachung nicht wieder auflösen wolle.

Den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers sei deswegen Glauben zu schenken, weil sie von Anfang an das Vorliegen einer Aufenthaltsehe zugestanden habe und von dieser Aussage später auch nicht abgerückt sei. Hingegen sei den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Freunde weniger Glaubwürdigkeit beizumessen, weil der Beschwerdeführer ein persönliches Interesse "an einer 'gültigen Ehe'" habe, um dadurch einen Aufenthaltstitel zu erlangen.

In ihren rechtlichen Ausführungen verwies die belangte Behörde darauf, dass der Bekämpfung von Aufenthaltsehen aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts ein als sehr hoch zu veranschlagendes öffentliches Interesse beizumessen sei. Das Verhalten des Beschwerdeführers habe gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen. Die Berufung auf eine Ehe, obwohl ein Familienleben nicht vorliege, stelle ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes Verhalten dar. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer gezeigt, dass er auch die körperliche Unversehrtheit anderer Personen nicht sehr hoch einschätze. Das insgesamt in Österreich vom Beschwerdeführer gezeigte Verhalten, insbesondere das Eingehen einer Aufenthaltsehe zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile, stelle ein solches Verhalten dar, welches jedenfalls als tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit im Sinn des § 86 FPG einzustufen sei.

Zu der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei festzuhalten, dass die "private Integration in Österreich" nicht ausreiche, die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers zu überwiegen. Seine familiäre Integration in Bezug auf seine Ehefrau erfahre deswegen eine erhebliche Minderung, weil diese Ehe als Aufenthaltsehe einzustufen sei. Auf Grund des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens, welches "unter gröblichster Missachtung der österreichischen Rechtsordnung" gesetzt worden sei, und weil für ihn keine positive Zukunftsprognose erstellt werden könne, könne die Interessenabwägung nur zu seinen Ungunsten ausgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit B Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (unionsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheins auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0172, mwN).

In diesem Zusammenhang bringt der Beschwerdeführer vor, selbst wenn eine Aufenthaltsehe vorläge, dürfe dies nicht zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führen, weil er die Ehe noch während der Geltung des - am außer Kraft getretenen - Fremdengesetzes 1997 geschlossen habe. Danach wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aber nur dann zulässig gewesen, wenn für die Eheschließung ein Vermögensvorteil geleistet worden wäre. Dies sei aber nicht festgestellt worden. Nach In-Kraft-Treten des FPG () habe sich der Beschwerdeführer aber weder für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen noch eine Ehe geschlossen.

Dazu ist der Beschwerdeführer zunächst auf § 125 Abs. 1 FPG hinzuweisen, wonach Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass nach In-Kraft-Treten des FPG allein dessen Rechtslage für die Beurteilung, ob ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, maßgeblich ist, und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch dann gebilligt, wenn die Eheschließung vor In-Kraft-Treten des FPG erfolgt ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/18/0054, vom , Zl. 2010/18/0056, und vom , Zl. 2010/21/0172). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist eine § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - diese Bestimmung kommt hier im Übrigen nach dem Gesagten nicht unmittelbar zur Anwendung - anhaftende Verfassungswidrigkeit nicht zu erkennen.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu vor, er habe ausdrücklich die Vernehmung des Zeugen S G zu den Beweisthemen "gemeinsames Familienleben, Liebesheirat und Vermögensvorteil durch die Eheschließung" beantragt. Die begründungslose Unterlassung der Einvernahme dieses Zeugen verletze Verfahrensvorschriften.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Vorwurf des Beschwerdeführers insoweit als aktenwidrig erweist, als der im Berufungsakt erliegenden Niederschrift vom zu entnehmen ist, dass dieser Zeuge im Berufungsverfahren an diesem Tag vernommen wurde. Der Beschwerdeführer nahm in seiner daraufhin im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Stellungnahme vom auch ausdrücklich auf diese Zeugenaussage Bezug. Der behauptete Verfahrensfehler liegt - ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer auch dessen Relevanz nicht hinreichend darlegt - sohin nicht vor.

Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe nicht sämtliche geeigneten "und ihr zur Verfügung stehende(n) Umstände" in ihre Beweiswürdigung einbezogen, und insbesondere die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Salzburg, keine Nichtigkeitsklage zu erheben, unberücksichtigt gelassen, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass die Feststellung des Vorliegens einer Scheinehe nicht voraussetzt, dass die Ehe für nichtig erklärt worden oder ein entsprechendes Verfahren eingeleitet worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0074). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung gefordert, sich mit sämtlichen Beweismitteln auseinandersetzen zu müssen, wozu auch die Mitteilung einer Staatsanwaltschaft, von der Erhebung einer Ehenichtigkeitsklage abzusehen, zu zählen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0779). Jedoch legt der Beschwerdeführer in keiner Weise dar, weshalb der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Salzburg ein solcher Beweiswert beizumessen sei, dass sie geeignet gewesen wäre, fallbezogen zu einem anderen Ergebnis zu führen.

In Anbetracht der dem Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beweiswürdigung bloß eingeschränkt zukommenden Prüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0054, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) kann demgegenüber nicht gesagt werden, es wäre in der behördlichen Beweiswürdigung eine für den Verfahrensausgang relevante Unschlüssigkeit zutage getreten. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer, der sich in der Beschwerde selbst auf die Entscheidung im Ehescheidungsverfahren bezieht, in diesem Verfahren nur deswegen obsiegt hat, weil das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen ist, dass die Aufhebung einer Ehe nach § 31 Abs. 1 EheG dann nicht wegen arglistiger Täuschung erfolgen kann, wenn sich die Täuschung auf Umstände bezieht, die nicht dem gesetzlichen Ehebild entsprechen. So hat das Landesgericht Salzburg das - hier relevante - Versprechen des einen Ehegatten (hier: des Beschwerdeführers) an den anderen Ehegatten (hier: an B), sich nach erfolgter Eheschließung sofort wieder scheiden zu lassen, gerade als nicht dem gesetzlichen Ehebild entsprechend unterstellt, weshalb die Aufhebung nach § 38 EheG, und somit die Stattgebung der von der Ehefrau des Beschwerdeführer eingebrachten Klage, abgelehnt wurde. Insoweit hat die belangte Behörde aber zutreffend darauf hingewiesen, dass dieses Gericht im (auch) entscheidungswesentlichen Punkt den Feststellungen des Erstgerichts gefolgt ist, wonach die Eheschließung nur deswegen erfolgt sei, um dem Beschwerdeführer "ein Visum, eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitsgenehmigung" zu verschaffen.

Sohin begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde das Vorliegen einer Aufenthaltsehe und sohin nach dem oben Gesagten auch das Vorliegen einer Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG bejaht hat, wobei die belangte Behörde zulässigerweise auch die vom Beschwerdeführer gesetzte strafbare Handlung (schwere Körperverletzung), die von ihm nicht in Abrede gestellt wurde, berücksichtigen durfte.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung wird vom Beschwerdeführer nicht konkret in Frage gestellt. Nicht zutreffend ist die Beschwerdemeinung, die belangte Behörde hätte ihre Überlegungen, inwieweit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei, nicht dargelegt. Angesichts der von der belangten Behörde getätigten Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers, die wesentlich auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe zurückzuführen war, begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde den öffentlichen Interessen, insbesondere jenem an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, einen höheren Stellenwert einräumte als den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet seiner beruflichen Tätigkeit infolge der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht weiter nachgehen kann, hat er im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Sohin ergibt sich, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am