VwGH vom 15.02.2011, 2010/05/0067
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des MMag. MW in Wien, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-014125/2-2009-Be/Wm, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. GS in Linz, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl und Mag. Klaus F. Lughofer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12; 2. Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für den teilweisen Abbruch und die Sanierung des bestehenden Gebäudes, die Errichtung eines Zubaues, einer Garage und von Einfriedungsmauern, alles auf der Liegenschaft Grundstück Nr. 1764/75, EZ 731, KG K (S-Straße 45). Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der östlich an das Baugrundstück angrenzenden Liegenschaft Grundstück Nr. 1764/76 (S-Straße 43). Beide Liegenschaften befinden sich im Wohngebiet. Bau- und Nachbarobjekt sind Teil einer Reihenhausanlage und bilden die Mitte einer aus sechs Objekten bestehenden Gruppenbebauung. Im Norden grenzen sie an die S-Straße an. Nach dem Bebauungsplan befindet sich im nördlichen Bereich der genannten Liegenschaften parallel zur entsprechenden Straßenfluchtlinie eine Baufluchtlinie (vordere Baufluchtlinie), ebenso eine Baufluchtlinie im Süden der bestehenden Objekte (innere Baufluchtlinie). (Auch im südlichen Bereich der langgestreckten Liegenschaften befindet sich eine Straßenfluchtlinie und parallel zu dieser ebenfalls eine innere Baufluchtlinie, was aber im Beschwerdefall nicht von Bedeutung ist).
Mit Kundmachung vom wurde die mündliche Bauverhandlung für den anberaumt. Darin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.
Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer schriftlich Einwendungen. Soweit hier noch verfahrensgegenständlich, brachte er darin Folgendes vor:
"Die geplante, nahezu vollständige, zweigeschoßige Verbauung des gartenseitigen Teils des bestehenden offenen Innenhofes ist eine unzulässige Untergrabung der nachbarrechtlichen Abstandsvorschriften bzw. des Sinngehalts der Bestimmungen über die Lage von Gebäuden auf der bebaubaren Fläche und deren Bezug zum Nachbargrundstück."
Bei der mündlichen Bauverhandlung, bei der der Beschwerdeführer nicht anwesend war, wurde das Bauvorhaben vom bautechnischen Amtssachverständigen im Wesentlichen dahingehend beschrieben, dass (im nördlichen Bereich) beabsichtigt sei, das bestehende Gebäude bezüglich der Raumaufteilung im Erd- sowie im Dachgeschoß umzugestalten. Dabei würden verschiedene Mauerab- und Durchbrüche vorgenommen. Im Spitzbodenbereich des Wohnhauses sei eine Empore vorgesehen, die über eine neue Stiegenanlage zugänglich gemacht werde. Straßenseitig werde im Bereich des Wohnungshaupteinganges ein Windfang hergestellt. Gartenseitig werde das bestehende Gebäude abgebrochen und an dessen Stelle ein Zubau mit einer Gesamtlänge von 10,22 m und einer Gesamtbreite von 4,83 m errichtet. Dieser umfasse ein Erdgeschoß sowie ein ausgebautes Dachgeschoß. Beim gartenseitigen Zubau sei an der Stirnseite (in Richtung Süden) ein Balkon mit einer Tiefe von 1,5 m über die gesamte Zubaubreite vorgesehen. Unmittelbar anschließend solle eine Freitreppe (Wendeltreppe) errichtet werden, die auf das Gartenniveau führe. (Im südlichen - hier nicht gegenständlichen - Bereich des Grundstückes sei ein Nebengebäude mit einer Größe von 7,03 m Länge und 3,87 m Breite vorgesehen. Es sei keine Garage, sondern nur ein Nebengebäude beabsichtigt).
Nach diversen Planänderungen auf Grund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung mehrerer Auflagen erteilt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er, soweit noch verfahrenswesentlich, ausführte, dass die "Empore" (gemeint: der "Balkon" laut Planungsunterlagen) die Baufluchtlinie um ca. 50 cm und die Stiegenanlage (Wendeltreppe) die Baufluchtlinie vollständig (um weitere 2 m) in südlicher Richtung überragten. Komme eine Ausnahmeregelung nach § 6 Abs. 2 Z. 3 Oberösterreichisches Bautechnikgesetz (BTG) zur Anwendung, müsste der die Baufluchtlinie überragende Teil des Gebäudes einen Mindestabstand von 2 m gegen die seitliche und die innere Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze einhalten. Ein solcher Abstand liege nicht vor.
Mit Bescheid vom wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung, auf Grund welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom der Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Linz zurückverwiesen wurde. Tragender Aufhebungsgrund war, dass das Projekt auf Grund seiner Ausgestaltung die maximal zulässige Geschoßzahl übersteige.
Nach Planänderungen wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom die Berufung des Beschwerdeführers erneut als unbegründet abgewiesen. Soweit hier noch verfahrensgegenständlich, wurde in der Bescheidbegründung im Wesentlichen ausgeführt, auch wenn man davon ausginge, dass eine Präklusion des Einwandes des Beschwerdeführers betreffend die Überbauung der inneren Baufluchtlinie an der Südseite des Zubaues durch den Balkon und die Stiegenanlage nicht eingetreten sei, wäre für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Der Nachbar habe nicht schlechthin einen Rechtsanspruch auf Einhaltung von Abständen, sondern es müsse sich um solche Abstände handeln, die ihm gegenüber einzuhalten seien. Bei der vom Bebauungsplan normierten Gruppenbauweise seien keine seitlichen Mindestabstände einzuhalten. Selbst unter der Annahme, dass diese Anordnung nur innerhalb der durch Baufluchtlinien für eine Bebauung vorgesehenen Bereiche gelte, müsse mitüberlegt werden, ob sich das Baugrundstück in einem "geschlossen bebauten Gebiet" befinde. Bezüglich der gegenständlichen Siedlung mit dem Charakter einer Reihenhausanlage, bei der die Hauptgebäude innerhalb der einzelnen Reihenhausgruppen unmittelbar aneinandergebaut seien und die gartenseitig vorhandenen Nebengebäude die gesetzlichen Mindestabstände durchwegs unterschritten, sei davon auszugehen, dass ein geschlossen bebautes Gebiet vorliege. Innerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gälten die Abstandsbestimmungen zu den seitlichen und zur hinteren Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze nicht, sofern der Bebauungsplan nichts anderes festlege (§ 6 Abs. 1 Z. 1 BTG). Eine abweichende Normierung treffe der gegenständliche Bebauungsplan nur durch die Festlegung von inneren Baufluchtlinien, nicht hingegen in Bezug auf die Seitenabstände. Dies führe dazu, dass zwar über die innere Baufluchtlinie nicht bzw. nur unter den vom BTG normierten Ausnahmen vorgebaut werden dürfe, ändere aber nichts daran, dass auf dem gesamten Baugrundstück, also auch außerhalb der inneren Baufluchtlinie, keine Mindestabstände zu den seitlichen Grenzen des Bauplatzes einzuhalten seien. Der Balkon überrage die innere Baufluchtlinie unstrittig um weniger als 2 m und sei daher im Lichte des § 6 Abs. 2 Z. 3 erster Halbsatz BTG zulässig. Der im zweiten Halbsatz dieser Bestimmung normierte Mindestabstand von 2 m komme wegen des Vorliegens eines geschlossen bebauten Gebietes nicht zum Tragen. Bezüglich der Wendeltreppe, die vom Balkon auf das Gartenniveau führe, könne es dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um eine Freitreppe im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 3 BTG oder um eine sonstige, nicht als Gebäude anzusehende bauliche Anlage handle, die uneingeschränkt außerhalb der Baufluchtlinie errichtet werden dürfte (§ 32 Abs. 3 Z. 2 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994 - ROG iVm § 2 Z. 20 BTG). Es sei nämlich nicht erkennbar, inwieweit der Beschwerdeführer durch die Überschreitung der inneren Baufluchtlinie mit dieser Treppe in seinem, auf das Heranbauen zu seiner Grundgrenze beschränkten Nachbarrecht verletzt sein könne, zumal ja auf dem Baugrundstück keine Mindestabstände zu den seitlichen Nachbargrenzen einzuhalten seien.
Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. Begründend wurde, soweit noch verfahrensgegenständlich, im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als östlicher Grundnachbar grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der inneren Baufluchtlinie haben könne, sofern er durch Erhebung einer diesbezüglichen zulässigen Einwendung bis zum Ende der mündlichen Bauverhandlung erster Instanz seine Parteistellung insoweit aufrechterhalten habe. Da bereits die der persönlichen Verständigung von der mündlichen Bauverhandlung sowie der mündlichen Bauverhandlung selbst zugrundeliegende Fassung des Einreichplanes den Balkon samt anschließender Freitreppe enthalten habe, hätte der Beschwerdeführer Einwendungen erheben können. Bis zum Ende der mündlichen Bauverhandlung erster Instanz habe er aber keine Überschreitung der inneren Baufluchtlinie beim Zubau geltend gemacht. Damit habe er seine Parteistellung diesbezüglich verloren, und dieser Einwand sei präkludiert. Es erübrige sich daher ein weiteres inhaltliches Eingehen auf eine allfällige Überschreitung der inneren Baufluchtlinie.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die innere Baufluchtlinie werde in mehrfacher Weise unzulässig überschritten. Präklusion sei diesbezüglich nicht eingetreten. Die südliche Außenmauer des gartenseitigen Zubaues überrage die innere Baufluchtlinie um 49 cm. Die innere Baufluchtlinie werde weiter durch den Balkon um 1,99 m überschritten. Dies wäre nur zulässig, wenn zugleich ein Mindestabstand von 2 m zur seitlichen Nachbargrundstücksgrenze eingehalten wäre. Der Balkon reiche aber bis an die Außenmauer des gartenseitigen Zubaues heran. Die Außenmauer und damit auch der Balkon befänden sich lediglich in einem Abstand von 1,48 m von der Grenze des Beschwerdeführers. Auch die Freitreppe überschreite die innere Baufluchtlinie. Außerdem ergebe sich auf Grund der straßenseitigen Baufluchtlinie und der inneren Baufluchtlinie eine maximale Ausdehnung des Gebäudes von 20 m. Die vordere Baufluchtlinie verlaufe an der straßenseitigen Begrenzung der überdachten Zubauten und nicht an der vorderen Außenmauer des Haupttraktes. Ausgehend vom bewilligten Bauplan, wonach der Abstand der überdachten Vorbauten (an deren straßenseitiger Grenze die vordere Baufluchtlinie verlaufe) bis zur vorderen Außenmauer des Haupthauses 1,5 m und der weitere Abstand bis zur südlichen Außenmauer des gartenseitigen Zubaues 18,99 m betrage, errechne sich eine gesamte Ausdehnung des Hauptgebäudes inklusive des gartenseitigen Zubaues von 20,49 m. Damit würde die Außenmauer knapp 50 cm jenseits der inneren Baufluchtlinie liegen.
§ 31 Abs. 4 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66/1994 (BO), idF LGBl. Nr. 70/1998 lautet:
"(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird."
§ 42 Abs. 1 und 2 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 lauten:
"§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."
Gemäß § 32 Abs. 3 Z. 2 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 114/1993 idF LGBl. Nr. 115/2005 (ROG), sind Baufluchtlinien Grenzen, über die gegen den Vorgarten, den Seitenabstand (Bauwich), den Hof oder den Garten (vordere, seitliche, innere Baufluchtlinie) mit dem Gebäude oder Gebäudeteilen nicht vorgerückt werden darf, sofern das Oberösterreichische Bautechnikgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.
§ 5 des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 67/1994 (BTG) idF LGBl. Nr. 103/1998 lautet auszugsweise:
"§ 5
Lage und Höhe der Gebäude, Abstandsvorschriften, Vorgarten
Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden:
Bei Neu- und Zubauten ist zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.
…"
§ 6 BTG idF LGBl. Nr. 34/2008 lautet auszugsweise:
"§ 6
Ausnahmen von den Vorschriften betreffend Abstände und Vorgärten
(1) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gelten die Abstandsbestimmungen zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) nicht für:
1. Gebäude, die innerhalb eines geschlossenen bebauten Gebietes gelegen sind;
…
(2) Die Mindestabstände zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) können unterschritten werden mit:
1. Außenwandverputz, Außenwandverkleidungen sowie Wärme- und Schalldämmungen nach technischer Notwendigkeit zur Sanierung der Außenwände bei bestehenden baulichen Anlagen;
2. Erkern, Gesimsen, Portalen, Schaufenstern, Sockeln, Ziergliedern, Windfängen sowie Lichteinfalls- und Kellereinwurfsöffnungen und dergleichen um 1 m;
3. Balkonen, Terrassen, Pergolen, Freitreppen, Vordächern, Schutzdächern und angebaute Werbeeinrichtungen um 2 m; ein Mindestabstand von 2 m gegen die seitlichen und die innere Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) darf jedoch nicht unterschritten werden;
4. zur Gänze unter dem künftigen Gelände gelegenen Gebäuden oder Gebäudeteilen (wie mit Keller- oder Schutzräumen oder Tiefgaragen) bis zur Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze.
…
(3a) Abs. 1 Z. 2 bis 4 sowie Abs. 2 und 3 gelten sowohl für die gesetzlichen als auch für die durch einen Bebauungsplan festgelegten Abstände, soweit letzterer nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.
…"
Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer als seitlicher Nachbar grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der inneren Baufluchtlinie haben könne. Diese Auffassung ist zutreffend. Die Festlegung von inneren Baufluchtlinien dient jedenfalls auch der Belichtung und der Belüftung und damit auch dem Schutz des seitlichen Nachbarn, weil die Überschreitung dieser Baufluchtlinien auch seine Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse beeinträchtigen kann (vgl. das zur Bauordnung für Wien ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0183). Im gegenständlichen Fall braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob und inwieweit dies auch in Bezug auf den seitlichen Nachbarn hinsichtlich einer straßenseitigen Baufluchtlinie im Vorgartenbereich zutrifft (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/1155).
Die belangte Behörde ist allerdings davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf seine Einwendungen, die die Überschreitung der inneren Baufluchtlinie betreffen, präkludiert ist. Dies trifft jedoch nicht zu:
Eine Einwendung ist nicht zu begründen, es muss lediglich erkennbar sein, welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 612 unter E 38 ff zitierte hg. Judikatur). Die Motive des Nachbarn spielen entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Landeshauptstadt in ihrer Gegenschrift keine Rolle (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/05/0343). Dem hat der Beschwerdeführer im hier relevanten Bereich entsprochen, indem er sich gegen die Verbauung des gartenseitigen Teils des bestehenden offenen Innenhofes unter Berufung auf die Bestimmungen über die Lage von Gebäuden gewandt hat. Die belangte Behörde hätte sich daher mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers inhaltlich auseinandersetzen müssen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-72344