VwGH 15.11.2011, 2010/05/0065
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid (Hinweis E vom , 0689/74, mwN), durch den der Beschwerdeführer allenfalls in seinem Recht auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens, aber nicht in einem materiellen, durch die NÖ BauO 1996 eingeräumten subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzt sein konnte (vgl. das zur Kärntner Bauordnung ergangene E vom , 95/05/0240, mwN). |
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RS 2 | Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat. Im gegenständlichen Fall ist das der Stadtrat. Durch die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages mit Bescheid hat der Bürgermeister somit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die von Gesetzes wegen nicht ihm, sondern dem Stadtrat zukommt. War nun aber die Erstbehörde unzuständig, so ist die Berufungsbehörde allein dafür zuständig, diese Unzuständigkeit aufzugreifen und den bekämpften Bescheid zu beheben. Greift die Berufungsbehörde - auch wenn sie wie im gegenständlichen Fall selbst berufen wäre, über den zugrundeliegenden Antrag in erster Instanz zu entscheiden - die sich aus der Unzuständigkeit der Behörde, die in erster Instanz entschieden hat, ergebende Rechtswidrigkeit nicht auf, sondern entscheidet sie in der Sache selbst, begründet dies eine Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides (Hinweis E vom , 2008/07/0049, mwN). |
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RS 3 | Eine zurückweisende Entscheidung (hier Zurückweisung eines Devolutionsantrages in Angelegenheiten nach dem Wiener Sozialhilfegesetz), in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" i. S.d. Art 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1019/03 m.w.N.). Aus diesen Erwägungen mussten weder der UVS noch der Verwaltungsgerichtshof eine mündliche Verhandlung durchführen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2006/10/0054 E RS 1 |
Normen | AufwandersatzV VwGH 2008 §1 Z1 lita; VwGG §24 Abs3; |
RS 4 | Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft Kosten für eine "Bareinzahlung" der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG, welche im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand (§ 48 Abs. 1 Z 2 VwGG iVm § 1 Z 1 lit. a der VwGH-AufwErsV bereits enthalten sind (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2006/14/0005, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2008/16/0082 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Ing. A H in G, vertreten durch Mag. Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börseplatz 6/23, gegen den Bescheid der Niederösterreichische Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1023/001-2008, RU1-BR-1023/002- 2009, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages und Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde G, vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, 2. M E, 3. J E, beide in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Ausspruches über den Antrag auf Wiederaufnahme wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte ist auf die den Beschwerdeführer betreffenden hg. Entscheidungen vom , Zl. 86/05/0036; , Zl. 88/05/0171; , Zl. 92/05/0222; , Zl. 95/05/0045, , Zl. 98/05/0008; , Zl. 99/05/0169;
, Zl. 2003/05/0062; , Zl. 2004/05/0135; , Zl. 2007/05/0208 und 209 sowie vom , Zlen. 2009/05/0260 und 0261, zu verweisen.
Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer an die "Stadtgemeinde G Baubehörde I. Instanz" einen "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 (1) lit. a AVG (gemeint: Z 1) sowie Abbruchantrag der konsenslos errichteten Garage E (…) im seitlichen Bauwich nach § 35 NöBO 1996". Begründend führte der Beschwerdeführer sinngemäß aus, die an die zweit- und drittmitbeteiligte Partei erteilte Baubewilligung zur Errichtung der genannten Garage sei - weil die aus Art. 6 EMRK sowie dem 1. Zusatzprotokoll der EMRK erfließenden Rechte des Beschwerdeführers missachtet worden seien - unter Amtsmissbrauch zustande gekommen. Die "Dreijahresfrist" könne nicht zur Anwendung kommen, "da die Verfahrensdauer von der Baubehörde I. Instanz bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wesentlich länger als drei Jahre gedauert hat". Den "Abbruchantrag" begründet der Beschwerdeführer wörtlich wie folgt:
"Da die Wiederaufnahme des Verfahrens auf die Aufhebung der rechtswidrigen und mit einem gravierenden Mangel behafteten Baubewilligung zielen muss, muss durch die behördliche Aufhebung der Baubewilligung eine konsenslose Bauführung eintreten. Da somit im gegenständlichen Fall in der Folge keine Baubewilligung vorliegt, so muss nach § 35 Abs. 2 Zif. 3 Nö-BO der Abbruch der Garage durch die Baubehörde I. Instanz zwingend angeordnet werden."
Am stellte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag "wegen Säumigkeit des Bürgermeisters im Garagenabbruchverfahren" an die Stadtgemeinde G. Seiner Ansicht nach habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde über den "Antrag auf Abbruch der (…) rechtswidrig und konsenslos (…) errichteten Garage" vom nicht innerhalb "der in der Bauordnung festgesetzten Frist von 3 Monaten" entschieden. Dieser Devolutionsantrag wurde vom Stadtrat der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom unter Verweis auf die sechsmonatige Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer dagegen Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung ab, es sei aus dem Antrag nicht hervorgegangen, aus welchen Umständen der Beschwerdeführer einen der Tatbestände zur Wiederaufnahme als gegeben betrachte, und der bloße Hinweis auf § 302 Abs. 1 StGB stelle noch keinen Wiederaufnahmegrund dar. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrats der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde vom abgewiesen. Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Vorstellung an die belangte Behörde.
Nach Einleitung eines Säumnisbeschwerdeverfahrens (hg. zu den Zlen. 2009/05/0260 und 0261 protokolliert) erließ die belangte Behörde innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist den nunmehr angefochtenen Bescheid vom . Darin behandelte sie gemeinsam beide Vorstellungen des Beschwerdeführers. Hinsichtlich des Devolutionsantrages kam sie zu dem Ergebnis, dass dieser vor Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des AVG und daher verfrüht gestellt worden sei. Zum Antrag auf Wiederaufnahme führte die belangte Behörde aus, die in § 69 Abs. 2 AVG genannte Frist von drei Jahren für den Antrag auf Wiederaufnahme sei abgelaufen. Die "Gemeindebehörden" hätten diesen Antrag wegen Verfristung zwar zurückzuweisen gehabt, allerdings sei der Beschwerdeführer durch eine inhaltliche Behandlung seines Antrages nicht schlechter gestellt als durch die formelle Zurückweisung, weil beide zum gleichen Ergebnis führen würden. Die die gegenständliche Garage betreffende Baubewilligung sei mit Bescheid des Stadtrats (damals: Gemeinderat) der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde vom rechtskräftig an die zweit- und drittmitbeteiligte Partei erteilt worden, die dagegen erhobene Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 88/05/0171, abgewiesen worden. Auch das weitere "anhängig gemacht(e)" Verfahren des Beschwerdeführers (gemeint: Antrag vom auf Erteilung eines Beseitigungsauftrages für die Garage) sei mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 99/05/0169, "schließlich beendet" worden. Letztlich wies die belangte Behörde beide Vorstellungen ab.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 68/10-3, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und den Stadtrat der erstmitbeteiligten Partei erwogen:
1. Für den Beschwerdefall maßgebliche Bestimmungen:
1.1. § 69 AVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 20/2009, lautet:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem."
1.2. Die Niederösterreichische Bauordnung (NÖ BO) in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-14 lautet auszugsweise:
"§ 5
Allgemeine Verfahrensbestimmungen
…
(3) Die Baubehörde erster Instanz hat über einen Antrag nach § 14, sofern das Vorhaben keiner Bewilligung nach einem anderen Gesetz bedarf, binnen drei Monaten zu entscheiden. Die Entscheidungsfrist beginnt erst, wenn alle Antragsbeilagen (§§ 18 und 19) der Baubehörde vorliegen.
…
Bauvorhaben
§ 14
Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:
Neu- und Zubauten von Gebäuden;
die Errichtung von baulichen Anlagen, durch welche Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;
3. die Herstellung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen auf Grundstücken im Bauland außerhalb des Geltungsbereiches eines Bebauungsplans;
4. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;
5. die ortsfeste Aufstellung von Maschinen und Geräten in oder in baulicher Verbindung mit Bauwerken, die nicht gewerbliche Betriebsanlagen sind, sowie die Aufstellung von Feuerungsanlagen (§ 59 Abs. 1), wenn die Standsicherheit des Bauwerks oder der Brandschutz beeinträchtigt werden könnte oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;
6. die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten von mehr als 1000 Liter außerhalb gewerblicher Betriebsanlagen;
7. der Abbruch von Bauwerken, die an Bauwerke am Nachbargrundstück angebaut sind, wenn Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;
8. die Veränderung der Höhenlage des Geländes auf einem Grundstück im Bauland, wenn dadurch
die Bebaubarkeit eines Grundstückes nach § 6 Abs. 1 Z. 3 oder die Standsicherheit eines Bauwerks nach § 6 Abs. 1 Z. 4 oder die Belichtung der Hauptfenster der Gebäude der Nachbarn (§ 6 Abs. 1 Z. 4) beeinträchtigt oder
der Abfluß von Niederschlagswässern zum Nachteil der
angrenzenden Grundstücke beeinflußt
werden könnten (§ 67)."
2. Soweit sich der Beschwerdeführer zur Begründung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf die Verletzung subjektiver, sich aus den Bestimmungen der NÖ BO ergebender Rechte beruft, ist ihm zu entgegnen, dass Gegenstand seines Antrages vom die Wiederaufnahme "der mit einem gravierenden Mangel behafteten Baubewilligung" war. Die das beanstandete Garagengebäude betreffende Baubewilligung wurde (im 2. Rechtsgang) mit Bescheid des Gemeinderats der mitbeteiligten Gemeinde (als Baubehörde 2. Instanz) vom rechtskräftig abgeschlossen. Die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 0689/74, mwN), durch den der Beschwerdeführer allenfalls in seinem Recht auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens, aber nicht in einem materiellen, durch die NÖ BO eingeräumten subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzt sein konnte (vgl. das zur Kärntner Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0240, mwN). Inhaltlichen Einwendungen gegen die dem Wiederaufnahmeantrag zu Grunde liegende, rechtskräftige Baubewilligung kommt im gegenständlichen Verfahren deshalb jedenfalls (noch) keine Relevanz zu.
3. Zum Devolutionsantrag
3.1. Der Beschwerdeführer rügt die Nichteinhaltung der dreimonatigen Frist nach § 5 Abs. 3 NÖ BO betreffend das "Garagenabbruchverfahren". Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass die (verkürzte) Entscheidungsfrist nach dieser Bestimmung nur für Verfahren über Anträge nach § 14 leg. cit., sofern das Vorhaben keiner Bewilligung nach einem anderen Gesetz bedarf, zur Anwendung kommt.
Der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich sein Antrag vom - wie oben unter Punkt 2. dargestellt - zunächst auf die Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG des mit Bescheid vom rechtskräftig abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens richtete. Die Erteilung eines Abbruchauftrages nach § 35 Abs. 2 Z 3 der NÖ BO - also unter der Voraussetzung, dass "für das Bauwerk keine Baubewilligung" vorliegt - beantragte er folgerichtig lediglich in der Erwartung, dass seinem Begehren entsprochen und im wiederaufgenommenen Verfahren die Baubewilligung aufgehoben werde. Die Behörden hatten daher jedenfalls zuerst den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme nach § 69 AVG zu prüfen, wofür ihnen - in Ermangelung einer abweichenden speziellen Bestimmung - nach § 73 Abs. 1 AVG eine Frist von sechs Monaten zur Verfügung stand. Da über den "Abbruchantrag" jedenfalls nicht vor der Entscheidung über die Wiederaufnahme abgesprochen werden hätte können, hat die belangte Behörde den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom im Ergebnis zu Recht als verfrüht gewertet und die Vorstellung diesbezüglich abgewiesen.
3.2. Soweit sich die Beschwerde gegen den Ausspruch zum Devolutionsantrag richtet, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens
4.1. Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat. Im gegenständlichen Fall ist das der damalige Gemeinderat der Gemeinde G, nunmehr (vgl. Hauer, Niederösterreichisches Baurecht7, 95) Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 1520 unter E 289 zitierte Judikatur). Durch die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages mit Bescheid vom hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde somit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die von Gesetzes wegen nicht ihm, sondern dem Stadtrat zukommt. War nun aber die Erstbehörde unzuständig, so ist die Berufungsbehörde allein dafür zuständig, diese Unzuständigkeit aufzugreifen und den bekämpften Bescheid zu beheben. Greift die Berufungsbehörde - auch wenn sie wie im gegenständlichen Fall selbst berufen wäre, über den zugrundeliegenden Antrag in erster Instanz zu entscheiden - die sich aus der Unzuständigkeit der Behörde, die in erster Instanz entschieden hat, ergebende Rechtswidrigkeit nicht auf, sondern entscheidet sie in der Sache selbst, begründet dies eine Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0049, mwN). Gleichermaßen hätte auch die belangte Behörde den bekämpften Bescheid zu beheben gehabt.
4.2. Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid im Umfang seines Ausspruches über den Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
5. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Eine mündliche Verhandlung betreffend den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens konnte aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides in diesem Umfang unter Bedachtnahme auf die zitierte hg. Rechtsprechung gemäß § 39 Abs. 1 Z 4 VwGG unterbleiben.
Betreffend den Devolutionsantrag ist darauf hinzuweisen, dass eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, aus Sicht des Art 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen" ist. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" i.S.d. Art 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1019/03, mwN). Aus diesen Erwägungen konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0054).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte "Bareinzahlungsentgelt" ist mit dem Pauschalbetrag abgegolten.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AufwandersatzV VwGH 2008 §1 Z1 lita; AVG §1; AVG §66 Abs4; AVG §69 Abs4; AVG §69; AVG §73 Abs2; BauO NÖ 1996 §6 Abs2; MRK Art6 Abs1; VwGG §24 Abs3; VwGG §39 Abs2 Z6; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Schlagworte | Inhalt der Berufungsentscheidung Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation sachliche Zuständigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2010050065.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAE-72336