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VwGH vom 25.02.2010, 2007/21/0429

VwGH vom 25.02.2010, 2007/21/0429

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des U, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Malser Straße 13/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 149.310/2-III/4/07, betreffend Versagung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein am geborener türkischer Staatsangehöriger, kam im Herbst 2000 legal zur Absolvierung eines Studiums nach Österreich. Ihm wurden in der Folge entsprechende Aufenthaltstitel erteilt. Zuletzt verfügte er über eine bis befristete Aufenthaltserlaubnis mit dem Zweck "Ausbildung, § 7 Abs. 4 Z 1 FrG 1997".

Am - somit rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels - stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz den gegenständlichen Antrag, ihm eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" zu erteilen. Er bezog sich dabei auf einen vom Arbeitsmarktservice Bregenz am ausgestellten, bis gültigen Befreiungsschein und legte eine Bestätigung vor, wonach er seit in einem bestimmten Gasthaus mit einem Nettomonatseinkommen von 1.100 EUR unselbständig beschäftigt sei. In diesem Zusammenhang hielt die Bezirkshauptmannschaft Bregenz im Schreiben vom und dann auch im erstinstanzlichen Bescheid - im Verwaltungsverfahren unwidersprochen - fest, der Beschwerdeführer habe aus Anlass der persönlichen Antragstellung angegeben, er habe wegen finanzieller Schwierigkeiten sein Studium abgebrochen und müsse arbeiten gehen.

Diesen Antrag wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 19 Abs. 2 und § 43 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ab.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt der (vom Beschwerdeführer selbst verfassten) Berufung dahin wieder, dass er im Wesentlichen nur vorgebracht habe, ihm sei aufgrund des ARB Nr. 1/80 ein Befreiungsschein ausgestellt worden, sodass gemäß § 24 Abs. 4 NAG eine Änderung des Aufenthaltszweckes von "Ausbildung" auf eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" möglich sei. Dem hielt die belangte Behörde entgegen, dass der Beschwerdeführer ungeachtet der Ausstellung des Befreiungsscheines nicht die im § 43 NAG normierten Voraussetzungen für die Erteilung der ausdrücklich beantragten "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" erfülle, zumal er zum einen noch nie im Besitz einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" gewesen und zum anderen im vorliegenden Fall keine Rückstufung gemäß § 28 Abs. 1 NAG vorgenommen worden sei. Außerdem werde bemerkt, dass ein türkischer Arbeitnehmer, der auf der Grundlage einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung nur zum vorübergehend befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, kein Recht aus Art. 6 ARB Nr. 1/80 ableiten könne. Die Antragsabweisung sei somit zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer verfügte seit seiner Einreise im Jahr 2000 bisher nur über Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck des Studiums nach dem Fremdengesetz 1997, wobei der zuletzt erteilte Titel bis gültig war. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass sein am gestellter Antrag als solcher auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 NAG anzusehen ist, die ihm (auch) eine unselbständige Erwerbstätigkeit nach § 17 Abs. 1 AuslBG - mit unbeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt durch Ausübung einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet - erlaubt (vgl. § 8 Abs. 2 Z 3 NAG).

§ 43 NAG in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 lautete samt Überschrift:

"Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt

§ 43. Die 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' ist, wenn die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllt sind, zu erteilen:

1. an Schlüsselkräfte frühestens nach einem Zeitraum von 18 Monaten nach Niederlassung, wenn eine Mitteilung gemäß § 12 Abs. 9 AuslBG vorliegt und

2. an Drittstaatsangehörige im Fall der Rückstufung gemäß § 28 Abs. 1."

Die Beschwerde tritt der Auffassung der belangten Behörde, die in der zitierten Bestimmung in der Z 1 und in der Z 2 (alternativ) normierten besonderen Voraussetzungen für die Erteilung der vom Beschwerdeführer beantragten Niederlassungsbewilligung seien im vorliegenden Fall nicht gegeben, nicht entgegen. Schon deshalb erweist sich die vorgenommene Antragsabweisung als berechtigt.

Soweit daher in der Beschwerde auf das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 NAG verwiesen und auch die Erfüllung der Bedingungen nach § 11 Abs. 3 NAG behauptet wird, geht das schon deshalb ins Leere, weil die belangte Behörde die Antragsabweisung nicht auf das Fehlen der Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG, sondern auf die mangelnde Verwirklichung einer der besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach der Z 1 oder der Z 2 des § 43 NAG gestützt hat.

Im Übrigen fehlt es an der von § 24 Abs. 4 erster Satz NAG (in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 157/2005) geforderten "Anschlussfähigkeit" der begehrten Niederlassungsbewilligung, weil ein "Umstieg" von einer für den Zweck des Studiums erteilten Aufenthaltsberechtigung auf eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" nach § 43 NAG nicht vorgesehen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0111, mwN).

Auch aus der (näher begründeten) Beschwerdebehauptung, im Fall des Beschwerdeführers lägen humanitäre Gründe im Sinne des § 72 NAG vor, ist nichts zu gewinnen, weil der Beschwerdeführer einerseits gar keinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen nach § 73 Abs. 1 NAG gestellt hat und andererseits nach der damals maßgeblichen Rechtslage ein solcher Antrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0583, mwN). Wenn die Beschwerde schließlich einen nach Art. 8 EMRK unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers geltend macht und nach den vom Verfassungsgerichtshof dazu entwickelten Kriterien vom Bestehen eines "Bleiberechtes" ausgeht, übersieht sie, dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt, sondern über die Erteilung einer bestimmten, durch den Antrag individualisierten Niederlassungsbewilligung abgesprochen wurde.

Der Sache nach wird in der Beschwerde noch die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer habe eine Rechtsposition nach Art. 6 ARB Nr. 1/80 erlangt, zumal er während des Studiums im Einklang mit seinem aufenthaltsrechtlichen Status geringfügig beschäftigt gewesen sei. Demgemäß sei ihm auch vom Arbeitsmarktservice ein Befreiungsschein erteilt worden. Daraus leitet der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ab.

Nach der Aktenlage ist der Beschwerdeführer Inhaber eines "gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG Art. 7 AuslBG" (wohl gemeint: ARB Nr. 1/80) erteilten Befreiungsscheines mit einer Gültigkeitsdauer bis . Demzufolge ist das Arbeitsmarktservice offenbar vom Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/80 ausgegangen. Diese Annahme ist nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten jedoch nicht nachvollziehbar und darauf rekurriert die Beschwerde auch nicht. Die diesbezügliche Beurteilung der (Vor )Frage für die Erteilung eines Befreiungsscheines an einen türkischen Staatsbürger über das Vorliegen einer Berechtigung nach dem ARB Nr. 1/80 iSd § 4c Abs. 2 AuslBG durch das Arbeitsmarktservice ist aber für die Niederlassungsbehörde bei Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ohnehin nicht bindend. Vielmehr ordnet § 25 AuslBG betreffend das Verhältnis zu Aufenthaltsberechtigungen an, dass (u.a.) der Befreiungsschein den Ausländer nicht von der Verpflichtung enthebt, den jeweils geltenden Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern nachzukommen. Demzufolge hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach klargestellt, dass es für die Frage der Anwendbarkeit der Regelungen des ARB Nr. 1/80 im Rahmen des Aufenthaltsregimes ohne Belang ist, ob dem türkischen Staatsangehörigen ein Befreiungsschein erteilt wurde oder nicht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0271, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0478).

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kann sich aber nicht jeder Student, der türkischer Staatsangehöriger ist und während seines Studiums einer Erwerbstätigkeit nachgeht, auf Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 berufen. Vielmehr müssen die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen in einer Form erfüllt sein, wie sie vom Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom , C 294/06 (Rs. Payir u.a.), in den Rz 27 ff näher dargestellt wurden (siehe das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0796). Zu diesen Voraussetzungen - Zugehörigkeit zum "regulären Arbeitsmarkt" aufgrund einer "gesicherten" und nicht nur "vorläufigen Position" sowie Ausübung einer "tatsächlichen und echten" und nicht nur "wegen ihres geringen Umfanges völlig untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeit" im erforderlichen zeitlichen Ausmaß - wurde vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren für die Zeit vor der Antragstellung überhaupt kein Vorbringen erstattet und auch in der Beschwerde nur in ganz allgemein gehaltener Form die Ausübung einer geringfügigen unselbständigen Beschäftigung neben dem Studium behauptet. Angesichts dessen ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht, wenn sie davon ausgegangen ist, dass dem Beschwerdeführer auch "kein Recht aus Art. 6 ARB erwachsen kann".

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am