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VwGH vom 09.11.2010, 2007/21/0428

VwGH vom 09.11.2010, 2007/21/0428

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des C, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. Fr-305/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom wegen zum Teil versuchter, zum Teil vollendeter Körperverletzung und versuchter schwerer Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, welche unter Setzen einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am einen näher genannten Dritten durch Versetzen von Faustschlägen gegen dessen Gesicht und Körper, wodurch dieser eine Schwellung des linken Auges mit Einblutung in das Oberlid, eine Kopfprellung sowie eine Prellung im Bereich der zehnten Rippe mit einer Kratzwunde erlitten habe, vorsätzlich am Körper verletzt habe. Weiters habe der Beschwerdeführer versucht, diesen Dritten vorsätzlich am Körper zu verletzen, indem er mit einem etwa 15 cm langen Messer und einem Besenstiel bewaffnet auf ihn losgegangen sei. Darüber hinaus habe er den Anderen durch die Äußerung, wenn er wegen der zuvor genannten Handlungen zur Polizei gehe, werde er ihn in drei Tagen umbringen, sohin durch eine gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige, zu nötigen versucht.

Auf Grund der genannten Verurteilung und den dieser zu Grunde liegenden Handlungen seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 FPG erfüllt. Infolge der gravierenden und brutalen Tathandlungen, die erkennen ließen, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen, sei die Annahme gerechtfertigt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle.

Unter dem Aspekt des § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der im Jahr 1966 (laut den vorgelegten Verwaltungsakten richtig: 1969) geborene Beschwerdeführer sei im November 2001 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Sein am gestellte Asylantrag sei im Instanzenzug - rechtskräftig seit - abgewiesen worden. Dem Akteninhalt sei entgegen den Ausführungen in der Berufung "ein Aufenthaltstitel nach dem Asylgesetz" nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer gehe seinen Angaben zufolge einer Beschäftigung als "selbständiger Zeitungskolporteur" nach. Es werde sohin mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf Grund seiner beruflichen Integration "schwach" in sein "Privat- und Familienleben" eingegriffen. Eine soziale bzw. familiäre Integration lasse sich jedoch anhand des festgestellten Sachverhaltes nicht ableiten.

Das öffentliche Interesse an der strikten Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften sowie der Schutz der Bevölkerung vor weiteren schweren Rechtsbrüchen, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit Anderer, sei als sehr hoch zu veranschlagen. Zur Aufrechterhaltung dieser öffentlichen Interessen und somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend erforderlich und unabdingbar. Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten seien mit einer Brutalität ausgeführt worden, die erkennen lasse, dass seine Hemmschwelle, andere Personen in Furcht und Unruhe zu versetzen und am Körper zu verletzen, sehr niedrig sei. Sohin wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal er sich auch erst seit dem Jahr 2001 im Bundesgebiet aufhalte. Des Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb auch im Rahmen der Ermessensübung nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbots habe Abstand genommen werden können und tätigte nähere Ausführungen zur Dauer des Aufenthaltsverbotes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Ausgehend von der vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten Verurteilung ist die dritte Alternative des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG unzweifelhaft erfüllt. Dies wird von ihm auch nicht in Frage gestellt.

Der Beschwerdeführer wendet sich allerdings gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei von einer Gefährdung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG auszugehen. Dazu führt er aus, die belangte Behörde habe unrichtig darauf abgestellt, dass sich das Verhalten des Beschwerdeführers gegen mehrere Personen gerichtet habe und die negative Zukunftsprognose allein durch die zwei Jahre zurückliegenden Tathandlungen gerechtfertigt sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum dem Beschwerdeführer eine "permanente massive Missachtung der österreichischen Rechtsordnung über einen langen Zeitraum hinweg" vorgeworfen werde. Es handle sich bei ihm um einen Ersttäter, der nur einmal gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen habe, obwohl er dem Urteil zufolge drei strafbare Handlungen begangen habe. Außerdem liege das Strafausmaß nur gering "über der 6-Monats-Grenze des § 60 Abs. 2 Z 1

3. Fall" FPG. Seit den damaligen Tathandlungen seien zweieinhalb Jahre vergangen, in denen sich der Beschwerdeführer wohl verhalten habe.

Damit vermag der Beschwerdeführer im Ergebnis aber keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde legte ihrer Beurteilung die strafbaren Handlungen, die im angefochtenen Bescheid dargestellt wurden, zugrunde und zog daraus den Schluss, dass die in § 60 Abs. 1 FPG genannte Gefährdung zu bejahen sei. Dabei strich sie mit Blick auf das festgestellte Fehlverhalten heraus, dass der Beschwerdeführer eine brutale Vorgehensweise an den Tag gelegt habe.

Die Beurteilung, es sei im vorliegenden Fall die in § 60 Abs. 1 FPG ausgedrückte Gefährdung zu bejahen, kann letztlich angesichts der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Handlungen des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig erkannt werden. Insbesondere ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer einen anderen Menschen nicht nur durch das Versetzen von Faustschlägen gegen dessen Gesicht und Körper, die nicht unerhebliche Verletzungen zur Folge hatten, angriff, sondern er diesen auch noch mit einem (u.a.) Messer bewaffnet attackierte. Damit hat der Beschwerdeführer gezeigt, dass er vor Gewaltanwendung, die auch zu noch schwereren Verletzungen führen kann als sie ohnedies schon vom Beschwerdeführer hervorgerufen wurden, nicht zurückschreckt. Darüber hinaus trachtete er dann auch noch, durch die Drohung, er werde ihn umbringen, den bereits Verletzten von der Erstattung einer Strafanzeige abzuhalten. Zutreffend verwies die belangte Behörde darauf, dass der Verhinderung derartiger gegen die körperliche Integrität anderer Menschen gerichteter Straftaten ein großes öffentliches Interesse beizumessen sei. Dass den Straftaten des Beschwerdeführers - so wie in der Beschwerde vorgebracht - ein heftiger verbaler Streit mit dem Dritten vorangegangen war, vermag an der Einschätzung der von ihm ausgehenden Gefährdung, insbesondere der gezeigten Bereitschaft andere - auch im Rahmen einer Kontroverse - am Körper zu verletzten, hingegen nichts zu ändern. Angesichts des von ihm an den Tag gelegten Verhaltens ist aber auch der seitdem verstrichene Zeitraum des strafrechtlich relevanten Wohlverhaltens noch zu kurz, um allein schon deshalb eine günstige Zukunftsprognose erstellen zu können. Von einem gänzlichen Wohlverhalten des Beschwerdeführers kann - auch insofern ist der belangten Behörde beizupflichten, die überdies zutreffend den Schutz öffentlicher Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens anspricht - infolge seines seit Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßigen Aufenthalts nicht ausgegangen werden.

Dass es sich um die einzige Verurteilung des Beschwerdeführers handelt, ist nicht weiter relevant. Auch das Vorliegen bloß einer Verurteilung steht der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 60 FPG nicht entgegen, was durch die Bestimmung des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG deutlich zutage tritt.

Auch vermögen letztlich vereinzelte - vom Beschwerdeführer isoliert herausgegriffene - Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides das Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde nicht in Frage zu stellen, weshalb ihnen für den Ausgang des Verfahrens keine entscheidungswesentliche Bedeutung zugemessen werden kann.

Anders als der Beschwerdeführer meint, ist aber auch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus dem Blickwinkel des § 66 FPG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) nicht zu beanstanden. Bei der danach gebotenen Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde sowohl die bisherige Berufstätigkeit des Beschwerdeführers als auch die Dauer seines Aufenthaltes. Dass Familienangehörige des Beschwerdeführers in Österreich lebten, hat er auch in der Beschwerde nicht behauptet. Bei der Abwägung durfte die belangte Behörde auch miteinbeziehen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig ist.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, der vorbringt, sein Asylverfahren wäre nicht wie im angefochtenen Bescheid festgestellt im März 2007, sondern - weil zu dieser Zeit ein Zustellmangel unterlaufen sei - erst mit Bescheiderlassung durch den unabhängigen Bundesasylsenat am abgeschlossen worden, weshalb auch die Dauer seines unrechtmäßigen Aufenthalts geringer als von der belangten Behörde veranschlagt anzunehmen sei, kommt im vorliegenden Fall dem Zeitpunkt des Abschlusses des Asylverfahrens bei der Interessenabwägung keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, zumal der Beschwerdeführer jedenfalls seit Abweisung seines Asylantrages in erster Instanz von der Unsicherheit seines Aufenthalts auszugehen hatte.

Der - dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht abgesprochene - Eingriff in sein Privatleben ist von ihm im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Sein persönliches Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet hat hinter dem bereits erwähnten großen öffentlichen Interesse an der Unterbindung von Straftaten wie der hier in Rede stehenden zurückzutreten. Es ist somit letztlich nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers gegenüber seinen Interessen an einem Verbleib in Österreich den Vorrang einräumte. Allfällige wirtschaftliche Nachteile infolge der Rückkehr in sein Heimatland hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Wenn der Beschwerdeführer noch vorbringt, es hätte auch beachtet werden müssen, dass das Aufenthaltsverbot zur Folge haben werde, dass er wegen der nach Art. 96 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) im Schengener Informationssystem (SIS) vorzunehmenden Ausschreibung zur Einreiseverweigerung in allen "Schengenstaaten" nicht einreisen dürfe, so kann dem hier schon deswegen keine Relevanz beigemessen werden, weil er nicht darlegt, welche Auswirkungen dies konkret auf ihn hätte. Insbesondere behauptet er nicht, dass sich in anderen "Schengenstaaten" Familienangehörige aufhielten und ihm der Kontakt zu diesen Angehörigen nicht mehr möglich wäre. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht Vorschriften dahingehend enthält, wonach von einem Mitgliedstaat die Ausschreibung im SIS nicht unter allen Umständen aufrechterhalten werden darf, sondern diese unter den dort näher genannten Voraussetzungen bloß national weiter bestehen darf, und wonach die Ausschreibung im SIS nicht in jedem Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Einreisetitels im Wege steht (vgl. Art. 25 SDÜ sowie Art. 5 Schengener Grenzkodex).

Der Beschwerdeführer erblickt in der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aber auch einen Verstoß gegen das Verbot, ihm sein strafbares Verhalten "doppelt vorzuwerfen". Insoweit ist ihm entgegenzuhalten, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht um eine Strafe, sondern um eine im öffentlichen Interesse erlassene administrativ-rechtliche Maßnahme handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0417, mwN).

Soweit sich der Beschwerdeführer aber auch noch gegen die zu seinen Lasten erfolgte Ermessensübung und die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes wendet, legt er weder ausreichende Gründe dar, wonach aus Ermessenserwägungen die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geboten gewesen wäre, noch zeigt er eine Rechtswidrigkeit der Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes auf.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-72310