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VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/03/0059

VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/03/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des AA, Landeshauptmann des Landes, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Thomas E. Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W249 2106411- 1/15E, betreffend Übertretung des Medienkooperations- und - förderungs-Transparenzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria; weitere Partei:

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gegen den Revisionswerber gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt wird.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) vom wurde dem Revisionswerber als vertretungsbefugtem Organ des Landes eine Übertretung von § 5 Abs. 2 3. Fall in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und 5 Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz (MedKF-TG) zur Last gelegt und es wurde ihm eine Ermahnung erteilt. Der Revisionswerber habe nach Auffassung der Behörde zu verantworten, dass im Rahmen der Bekanntgabe von Daten gemäß § 2 Abs. 1 und 5 MedKF-TG an die KommAustria auf der unter www.rtr.at abrufbaren Webschnittstelle im Zuge der Meldephase betreffend das vierte Quartal 2013 Meldungen veranlasst worden seien, die unrichtig gewesen seien. Zum einen sei das Nettoentgeltgebot verletzt worden, weil hinsichtlich der Aufträge an zwei näher bezeichnete Printmedien Skonti, Steuern oder Abgaben zugerechnet worden seien. Zum anderen sei eine falsche Zuordnung zu einem periodischen Medium erfolgt, weil das geleistete Entgelt für Hörfunkbeiträge im Radio Y betreffend die "Senioren und Spielemesse" im vierten Quartal 2013 (Gesamtbetrag: EUR 12.000,--) nicht diesem Medium, sondern fälschlicherweise dem audiovisuellen Medium zugeordnet worden sei.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis im zweiten Rechtsgang als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

3 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, es sei unbestritten, dass die gegenständlichen Bekanntgaben des Landes nach dem MedKF-TG jene Unrichtigkeiten aufgewiesen hätten, die vom Rechnungshof mitgeteilt worden seien. Es sei weiters unstrittig, dass der Revisionswerber im Tatzeitpunkt Landeshauptmann gewesen sei. Ihn treffe damit auch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die gegenständliche Verwaltungsübertretung, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass es sich um eine Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes gehandelt habe und diesbezüglich nach Art. 44 Abs. 2 der Tiroler Landesordnung 1989 die Landesregierung das Land nach außen vertrete. Der Revisionswerber sei nämlich Mitglied der Landesregierung gewesen und es seien Aufgaben nach dem MedKF-TG nach der Geschäftsordnung der Tiroler Landesregierung in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen. Soweit der Revisionswerber ein Verschulden seinerseits bestreite, habe er nicht dargelegt, wie das vorhandene Kontrollsystem die Häufung von Fehlern hätte verhindern sollen.

4 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, dass keiner der in Art. 133 Abs. 4 B-VG genannten Fälle vorliege. Auch seien keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Das BVwG folge in seiner Entscheidung dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2016/03/0065.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird vorgebracht, das BVwG sei mit seiner Entscheidung vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwSlg. 11630 A/1984 abgewichen, wonach es in die Verfassungsautonomie der Länder falle, in ihrer Landesverfassung bzw. in landesrechtlichen Normen ein Ressortsystem einzuführen und die Vertretung des Landes in bestimmten Angelegenheiten nur einzelnen Mitgliedern der Landesregierung zu übertragen. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen, indem Angelegenheiten der Öffentlichkeitsarbeit und Presse- und Rundfunkangelegenheiten einem bestimmten Landesrat übertragen worden seien. Das BVwG habe diese Rechtsprechung außer Acht gelassen und nicht einmal den Versuch unternommen, im Wege einer Auslegung der Begriffe "Öffentlichkeitsarbeit" und "Presse- und Rundfunkangelegenheiten" in der Geschäftsordnung der Tiroler Landesregierung die Frage der Zuständigkeitsübertragung der gegenständlichen Angelegenheit auf ein anderes Mitglied der Landesregierung als den Landeshauptmann (Revisionswerber) zu lösen. Eine derartige Auslegung hätte zu dem Ergebnis geführt, dass auch Angelegenheiten nach dem MedKF-TG in den Zuständigkeitsbereich des betreffenden Landesrates gefallen seien. Das habe zur Folge, dass der Revisionswerber für die vorgeworfenen Übertretungen nicht verantwortlich gemacht werden könne. Hilfsweise rügt die Revision, dass den Revisionswerber an den vorgeworfenen Übertretungen kein Verschulden treffe.

6 Die KommAustria hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der den rechtlichen Erwägungen des BVwG zugestimmt wird.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Das BVwG hat seinen Ausspruch, die Revision nicht zuzulassen, im Wesentlichen damit begründet, dass der Revisionsfall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfe und das Verwaltungsgericht dem (im ersten Rechtsgang ergangenen) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Ra 2016/03/0065 gefolgt sei. Dem ist zu erwidern, dass in dem zitierten Erkenntnis nur die Rechtsfrage zu lösen war, ob im gegenständlichen Fall der Tatbestand des § 5 Abs. 2 zweiter Fall MedKF-TG erfüllt worden ist. Keine Rolle spielte im ersten Rechtsgang dieses Verfahrens hingegen die nun im Mittelpunkt des Interesses stehende Rechtsfrage, welches Mitglied einer Landesregierung im Falle einer Ressortaufteilung verwaltungsstrafrechtlich haftbar gemacht werden kann. Dementsprechend finden sich im zitierten Vorerkenntnis keine diesbezüglichen Erwägungen. Auch sonst liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, anhand derer diese Rechtsfrage eindeutig beantwortet werden kann.

9 Soweit der Revisionswerber vermeint, das BVwG sei vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwSlg. 11630 A/1984 abgewichen, ist festzuhalten, dass auch in diesem Erkenntnis keine Aussagen zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Mitglieds der Landesregierung im Falle einer Ressortverteilung getroffen wurden. Der Verwaltungsgerichtshof führte in dieser Entscheidung lediglich aus, dass sich die Vertretung des Landes in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung allgemein nach der Landesverfassung und den anderen landesrechtlichen Normen richtet. Fallbezogen kam er unter Anwendung der Tiroler Landesordnung 1953 und der Geschäftsordnung für die Tiroler Landesregierung in der damals geltenden Fassung zu dem Schluss, dass für eine in Rede stehende Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung die Zuständigkeit eines - vom Landeshauptmann verschiedenen - Mitglieds der Tiroler Landesregierung habe festgelegt werden können.

10 Insgesamt ist die Revision daher zulässig, um die Rechtslage zu der strittigen Rechtsfrage klarzustellen.

11 Die Revision ist auch inhaltlich begründet:

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Liegt die Vertretungsbefugnis einer juristischen Person bei einem Kollektivorgan, kann grundsätzlich jedes Mitglied dieses kollektivvertretungsbefugten Organs verwaltungsrechtlich bestraft werden. Eine bloß interne Aufgabenverteilung unter den Mitgliedern ändert daran nichts, soweit darin noch keine Bestellung als "verantwortlicher Beauftragter" für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz VStG erblickt werden kann (vgl. etwa , mwN). Besonderes kann nur dann gelten, wenn beispielsweise bei einem öffentlich-rechtlichen Vertretungsorgan mit Rechtsverordnung eine Aufgabenverteilung und damit auch eine (außenwirksame) Vertretungsregelung des Kollegialorgans geschaffen worden ist.

13 Im Revisionsfall ist unstrittig, dass die in Rede stehenden Meldepflichten nach dem MedKF-TG in die Privatwirtschaftsverwaltung des Landes Tirol fallen. Für die Privatwirtschaftsverwaltung normiert Art. 44 Abs. 2 der Tiroler Landesverfassung (Tiroler Landesordnung 1989) die Vertretungskompetenz der Landesregierung als Kollektivorgan, soweit nichts anderes bestimmt ist.

14 Nach Art. 51 Abs. 1 der Tiroler Landesordnung 1989 hat sich die Landesregierung durch Verordnung eine Geschäftsordnung zu geben, nach der die Landesregierung und ihre Mitglieder ihre Aufgaben zu besorgen haben. Art. 51 Abs. 2 der Tiroler Landesordnung 1989 sieht vor, dass die Angelegenheiten der Landesverwaltung durch die Geschäftsordnung mit Ausnahme jener, die verfassungsgesetzlich dem Landeshauptmann übertragen oder der Landesregierung als Kollegium vorbehalten sind, den einzelnen Mitgliedern der Landesregierung zur Besorgung zuzuweisen sind.

15 Diese Rechtslage galt auch im Zeitraum der angelasteten Verwaltungsdelikte. Die damals gültige Geschäftsordnung der Tiroler Landesregierung, LGBl. Nr. 14/1999 in der Fassung LGBl. Nr. 54/2013, sah überdies vor, dass die Angelegenheiten der Landesverwaltung (einschließlich jener der Privatwirtschaftsverwaltung) den einzelnen Mitgliedern der Landesregierung laut einer Anlage zur Geschäftsordnung zur Besorgung zugewiesen würden, soweit sie nicht ausdrücklich eines Kollegialbeschlusses nach näher umschriebenen Vorschriften bedurften (der letztgenannte Fall liegt im gegenständlichen Verfahren nicht vor). In der genannten Anlage zur Geschäftsordnung wurden Landesrat Mag. J T Angelegenheiten der "Öffentlichkeitsarbeit; Presse- und Rundfunkangelegenheiten" zugeordnet. Im Übrigen sah die Anlage zur Geschäftsordnung eine Generalklausel vor, wonach alle Angelegenheiten, die nicht in die Zuständigkeit eines anderen Mitglieds der Landesregierung fielen, dem Revisionswerber als Landeshauptmann zur Besorgung zukamen.

16 Auf dieser rechtlichen Grundlage oblag die Besorgung der Geschäfte des Landes Tirol in den Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung, die einem einzelnen Mitglied der Landesregierung zugewiesen waren, nur diesem Mitglied. Dabei handelte es sich nicht bloß um eine interne Zuständigkeitsregelung unter den (weiterhin) kollektivvertretungsbefugten Mitgliedern des Kollektivorgans, sondern um die auf verfassungsgesetzlicher Basis durch Verordnung erfolgte Aufteilung von Geschäftsbereichen in die alleinige Zuständigkeit der jeweiligen Mitglieder der Landesregierung. Daran anknüpfend war auch nur das jeweilige Mitglied zur Vertretung des Landes in den entsprechenden Angelegenheiten berufen, was zur Folge hat, dass auch nur dieses Mitglied für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch das Land Tirol in seinem Zuständigkeitsbereich verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich war.

17 Das BVwG geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass eine ausdrückliche Zuordnung von Angelegenheiten nach dem MedKF-TG in der Anlage zur Geschäftsordnung der Tiroler Landesregierung nicht erfolgt sei, weshalb diese Angelegenheiten nach der Generalklausel der Geschäftsordnung in den Zuständigkeitsbereich des Revisionswerbers als Landeshauptmann gefallen seien. Dem hält die Revision entgegen, dass die Zuständigkeiten des Landesrates Mag. J T für "Öffentlichkeitsarbeit" und "Presse- und Rundfunkangelegenheiten" auch die strittige Zuständigkeit für Angelegenheiten nach dem MedKF-TG umfasst habe.

18 Letzteres ist überzeugend: Es trifft zwar zu, dass die Geschäftsordnung der Tiroler Landesregierung keine ausdrücklich Erwähnung von Angelegenheiten nach dem MedKF-TG enthielt. Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, allein aus diesem Umstand abzuleiten, dass damit die Generalklausel der Geschäftsordnung Platz greifen musste und die Angelegenheiten in die Ressortzuständigkeit des Revisionswerbers fielen. Die Bereiche "Öffentlichkeitsarbeit" sowie "Presse- und Rundfunkangelegenheiten" weisen einen engen Zusammenhang mit den strittigen Meldepflichten nach dem MedKF-TG auf, geht es doch nach § 2 Abs. 1 MedKF-TG um die Meldung von erteilten Aufträgen über (audiovisuelle) kommerzielle Kommunikation gemäß § 1a Z 6 ORF-Gesetz (ORF-G) bzw. § 2 Z 2 Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD-G), über Werbung und Patronanz gemäß § 19 Abs. 1 und 5 Privatradiogesetz (PrR-G), über Beiträge im Dienste der Öffentlichkeit im Inhaltsangebot des ORF (§ 14 Abs. 9 ORF-G) oder in Hörfunkprogrammen nach dem PrR-G oder in audiovisuellen Mediendiensten nach dem AMD-G, sowie über entgeltliche Veröffentlichungen gemäß § 26 Mediengesetz an Medieninhaber eines periodischen Druckwerks oder sonst an Medieninhaber eines periodischen elektronischen Mediums. Das Ziel der gesetzlichen Bestimmungen des MedKF-TG ist es allgemein, Zahlungsflüsse öffentlicher Stellen an Medien transparent und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen (vgl. dazu ). Es liegt daher nahe, Angelegenheiten des MedKF-TG als solche zu betrachten, die unter die Übergriffe "Öffentlichkeitsarbeit" sowie "Presse- und Rundfunkangelegenheiten" subsumiert werden können. Damit steht auch im Einklang, dass die Angelegenheiten des MedKF-TG im relevanten Tatzeitraum tatsächlich von der Abteilung "Öffentlichkeitsarbeit" des Amtes der Tiroler Landesregierung, über die der Landesrat Mag. J T die Fachaufsicht führte, koordiniert und behandelt wurden. Das BVwG folgt in seinen Feststellungen dem diesbezüglichen Vorbringen des Revisionswerbers, wonach die Abteilung "Öffentlichkeitsarbeit" in der Landesamtsdirektion Tirol als Stabsstelle für die Medientransparenz eingerichtet war, der zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt die Übermittlung der Meldungen nach dem MedKF-TG oblag. All das führt zu dem Ergebnis, dass die Angelegenheiten des MedKF-TG als Teil der Bereiche "Öffentlichkeitsarbeit" sowie "Presse- und Rundfunkangelegenheiten" anzusehen waren und in den (alleinigen) Zuständigkeitsbereich des betreffenden Landesrates fielen. Damit scheidet jedoch eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Revisionswerbers für die ihm angelasteten Übertretungen des MedKF-TG aus.

19 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall -

entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dieser Fall liegt hier vor. Der vom BVwG festgestellte Sachverhalt ist unstrittig. Ausgehend davon war nach den obigen Rechtsausführungen das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG mangels Verantwortlichkeit des Revisionswerbers einzustellen.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am