VwGH 31.01.2012, 2010/05/0057
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Nur die Eigentümer bestimmter, in § 6 Abs. 1 Z 3 NÖ BauO 1996 genannter Baugrundstücke können Nachbarn sein und nur diese können Parteistellung im Baubewilligungsverfahren erlangen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/05/0055 E RS 1 |
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RS 2 | Auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes besteht nicht schlechthin ein subjektivöffentliches Recht; ein solches ist jedoch dann anzunehmen, wenn die Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleistet. Die Widmung Grünland weist keinen Immissionsschutz auf, weshalb dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung dieser Widmung zukommt (Hinweis E vom , 2005/05/0171, mwN.). Immissionsschutz kommt dem Nachbarn aber im Rahmen des § 48 NÖ BauO 1996 zu. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/05/0055 E RS 2 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2010/05/0058
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. der Verlassenschaft nach MW,
2. des LW, beide in R und vertreten durch Mag. Egmont Neuhauser, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1225/001-2009, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: WR in R), nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Zubau eines Lagerraums im Erdgeschoß eines Gastgewerbebetriebs auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in H.
Mit Schreiben vom erhoben die Beschwerdeführer schriftlich Einwendungen gegen das Bauvorhaben und brachten vor, dass sich die gegenständliche Liegenschaft im Grünland befinde und es in Wahrheit um die Erweiterung und Ausdehnung der vorhandenen Betriebsanlage gehe. Die derzeitigen Immissionen gingen über das ortsübliche Maß hinaus und würden durch das gegenständliche Projekt noch verstärkt werden. Insbesondere käme es durch die Kraftfahrzeuge zu einer erhöhten Lärm- und Geruchsbelästigung und einer Beeinträchtigung der Licht- und Parksituation.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am erteilte die Bezirkshauptmannschaft S (im Folgenden: BH) mit Bescheid vom die beantragte Baubewilligung und wies die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen als unzulässig zurück. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart ("Grünland erhaltenswerte Bauten") einen Zubau im beantragten Ausmaß zulasse. Die Einwendungen betreffend Lärm-, Geruchs- und Lichtimmissionen würden sich nicht auf den Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens beziehen. Die Einwendungen seien demnach als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Der Zweitbeschwerdeführer sei laut Grundbuchsauszug nicht Eigentümer der Nachbarliegenschaft, weshalb seine Einwendungen mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien.
In der dagegen eingebrachten Berufung bringen die Beschwerdeführer vor, die Zunahme von Immissionen könne auch leicht dadurch begründet werden, dass jetzt schon zu wenige Parkplätze für den Betrieb der mitbeteiligten Partei vorhanden seien. Wegen des Parkplatzmangels würden die Besucher des Gastgewerbelokals ihre Kraftfahrzeuge auch auf der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin abstellen, wodurch es immer wieder zu Besitzstörungsklagen komme. Auch die Lärm- und Geruchsbelästigungen würden durch die Fahrzeuge der zusätzlichen Besucher enorm ansteigen. Auf sämtliche dieser gewerberechtlichen Kriterien sei die Baubehörde nicht eingegangen und habe lediglich geringfügige Auflagen erteilt, die nicht geeignet seien, die nachbarrechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführer hintanzuhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Zweitbeschwerdeführers als unzulässig zurück und die Berufung der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dem eingeholten Grundbuchsauszug sei zu entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin Alleineigentümerin der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke sei. Es sei daher davon auszugehen, dass der Zweitbeschwerdeführer nicht Partei iSd § 6 Abs. 1 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (BO) sei, weshalb die von ihm erhobene Berufung als unzulässig zurückzuweisen sei. Dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin hielt die belangte Behörde entgegen, dass auf die Einhaltung der einzelnen Widmungsarten des Flächenwidmungsplans nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht bestehe. Ein solches sei nur dann anzunehmen, wenn die Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleiste; die Grünlandwidmung weise jedoch keinen Immissionsschutz auf. Immissionsschutz komme dem Nachbarn jedoch im Rahmen des § 48 BO zu. Abgesehen davon, dass die Schaffung von Abstellanlagen nicht den Gegenstand des konkreten Baubewilligungsverfahrens bilde, vermöge die belangte Behörde auch nicht zu erkennen, inwieweit das beabsichtigte Bauvorhaben bei konsensgemäßer Benützung nicht näher konkretisierte Auswirkungen auf die Grundstücke der Erstbeschwerdeführerin entfalten könne. Es gehe nicht um die bestehende Betriebsanlage, sondern um die Errichtung eines Zubaus für Lagerzwecke, wodurch keine Belästigung der Zweitbeschwerdeführerin eintreten könne und sei derartiges von ihr auch nicht behauptet worden. Zudem habe der Nachbar auch keinen Anspruch darauf, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf einer öffentlichen Straße nicht ändern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten insofern verletzt, als "deren Einwendungen als Nachbarn gegen die beantragte baubehördliche Bewilligung" nicht entsprechend berücksichtigt worden seien. Der Zweitbeschwerdeführer sei "dinglich berechtigter Pfandgläubiger und gleichzeitig Ausübender eines Wohnungsrechtes", während die Erstbeschwerdeführerin Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft sei. Zunächst verweisen die Beschwerdeführer darauf, dass die mitbeteiligte Partei auf der gegenständlichen Liegenschaft ein gastgewerbliches Lokal betreibe. Auch wenn die mitbeteiligte Partei lediglich die Errichtung eines Zubaus in Form eines Getränke- und Lagerraums im Erdgeschoß beantragt hat, führe die Erweiterung des Lagerraumes erfahrungsgemäß zu einer höheren Gästeanzahl und damit wiederum zu einer Erhöhung der Immissionen. Selbst wenn die Erweiterung des Lagerraumes nicht zu einer Erhöhung der Immissionen führen sollte, sei unberücksichtigt geblieben, dass zum Zeitpunkt der beantragten Baubewilligung die zugrunde liegende Flächenwidmung "Grünland-Landwirtschaft" ausgewiesen habe, weshalb die Erteilung einer Baubewilligung unzulässig sei. Hinzu komme, dass die benachbarte Liegenschaft der Beschwerdeführer schon jahrzehntelang rechtswidrigen Immissionen ausgesetzt sei. Selbst die belangte Behörde habe diese Probleme erkannt und in weiterer Folge rechtswidrigerweise eine Änderung der Flächenwidmung auf Bauland erteilt.
2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der BO haben folgenden Wortlaut:
"§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung
…
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und
…
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind. …
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässigen Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.
…
§ 20
Vorprüfung
(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben
…
7. eine Bestimmung dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze
entgegensteht.
…
Bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, ist die Prüfung nach Z. 7 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch diese Genehmigung nicht erfasst ist.
…
§ 23
Baubewilligung
(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.
Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in §§ 20 Abs. 1 Z. 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht.
Bei gewerblichen Betriebsanlagen gilt § 20 Abs. 1 letzter Satz sinngemäß. ...
§ 48
Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen
das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festlegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerkes und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."
3.1. Aus der dargestellten Rechtslage folgt zunächst, dass nur die Eigentümer bestimmter, in § 6 Abs. 1 Z 3 BO genannter Baugrundstücke Nachbarn sein und nur diese Parteistellung im Baubewilligungsverfahren erlangen können. Der Zweitbeschwerdeführer ist nach den von ihm nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, nicht Eigentümer eines an das Baugrundstück der mitbeteiligten Partei angrenzenden Grundstückes iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO und konnte demnach keine Parteistellung im gegenständlichen Verfahren erlangen. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass dem Zweitbeschwerdeführer keine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren der mitbeteiligten Partei zukam.
3.2. Zu den von der Erstbeschwerdeführerin erhobenen Einwendungen ist festzuhalten, dass das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat.
Auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes besteht nicht schlechthin ein subjektivöffentliches Recht; ein solches ist jedoch dann anzunehmen, wenn die Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleistet.
Wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, weist die Widmung Grünland keinen Immissionsschutz auf, weshalb der Erstbeschwerdeführerin kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung dieser Widmung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0171, mwN). Immissionsschutz kommt dem Nachbarn aber im Rahmen des § 48 BO zu.
Für die Erstbeschwerdeführerin ist daraus im Beschwerdefall jedoch nichts zu gewinnen, weil die geplanten Räumlichkeiten als Lagerräume genutzt werden, weshalb von der Behörde schon deshalb nicht näher zu untersuchen war, inwiefern der Betrieb des Gastgewerbelokals mit Immissionen durch Kraftfahrzeuge verbunden ist. Dass durch die Verwirklichung des Bauvorhabens eine Änderung der Nutzung der Zufahrtsstraße oder der Parkplatzsituation erfolgen und dies zu einer Erhöhung der Immissionen führen werde, ergibt sich weder aus dem Baubewilligungsgesuch noch aus der Baubewilligung; auch die Beschwerde legt nicht nachvollziehbar dar, inwiefern es dadurch zu einer höheren Gästeanzahl kommen sollte.
Im Übrigen ist dazu auf § 20 Abs. 1 letzter Satz BO zu verweisen, woraus sich in solchen Fällen das Erfordernis einer (gesonderten) Genehmigung durch die Gewerbebehörde - welche laut Ausweis der Verwaltungsakten mit Bescheid der BH vom auch erteilt worden ist - sowie eine Einschränkung der Prüfungsbefugnis der Baubehörde ergibt (vgl. zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Baubehörde und der Gewerbebehörde insbesondere in Bezug auf die zu wahrenden Nachbarrechte etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/05/0054, und vom , Zl. 2008/05/0038, jeweils mwN).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung einschließlich der Abweisung des Mehrbegehrens stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008. Fahrtkosten wurden bereits zu der am selben Tag durchgeführten Verhandlung zu den Zlen. 2010/05/0055 bis 0056 zugesprochen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §8; BauO NÖ 1996 §48; BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z3; BauO NÖ 1996 §6 Abs1; BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2; BauRallg; |
Schlagworte | Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2010050057.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAE-72307