VwGH vom 13.11.2012, 2010/05/0050

VwGH vom 13.11.2012, 2010/05/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der EP in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 54, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-WBF/52/7053/2009-1, betreffend Wohnbeihilfe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Weitergewährung der Wohnbeihilfe. In ihrem Antrag (es handelt sich um eine Art Formular, das bereits individuelle Vordrucke aufweist) heißt es, die Wohnung werde von ihr und von D. P. (das ist ihre Tochter) bewohnt; D. P. habe ein Einkommen, sie sei arbeitssuchend. Ihre Tochter habe am geheiratet und heiße nun Mag. D. P.-T.

Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens brachte die Beschwerdeführerin unter anderem den Meldezettel ihrer Tochter vom sowie eine Gehaltsbestätigung und ein Schreiben vom des holländischen Ehemannes der Tochter in Vorlage. Aus dem Meldezettel der Tochter ging hervor, dass diese an der Adresse der Beschwerdeführerin mit Hauptwohnsitz gemeldet war, sich jedoch auch in den Niederlanden angemeldet hatte. Im Schreiben des Ehemannes der Tochter vom wurde ausgeführt, dass er seiner Frau monatlich über das Wirtschaftsgeld hinaus einen Betrag von EUR 200,-- von seinem Einkommen zur freien Verfügung stelle und dies ihr Einkommen sei. Überdies gab die Beschwerdeführerin in einem Schreiben vom an, dass ihre Tochter derzeit in Holland bei ihrem Mann lebe und alle 5 bis 6 Wochen für kurze Zeit in Wien ihren Aufenthalt habe.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung (im Folgenden: MA) 50, vom , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Gewährung einer Wohnbeihilfe gemäß §§ 20-25 und 60-61a Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (WWFSG 1989) und der dazu ergangenen Verordnung der Wiener Landesregierung LGBl. Nr. 32/89 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das monatliche Haushaltseinkommen EUR 2.589,20 betrage, somit die Summe der 13. Einkommensstufe für drei Personen übersteige und daher gemäß § 2 Abs. 2 der zitierten Verordnung keine Wohnbeihilfe gebühre (Anm.: wie die Behörde erster Instanz zum genannten Einkommen gelangte, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass ihr Gesundheitszustand und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse sehr schlecht seien, das Gesamteinkommen im Zweipersonenhaushalt EUR 1.030,-- betrage und ihr Einkommen wegen ihrer 100%igen Behinderung um 20% gemindert sei. Ihr stünden pro Monat EUR 800,-- zur Verfügung, in diesem Betrag sei bereits die Unterstützung durch ihre Tochter in Höhe von EUR 200,-- enthalten, die Letztere von ihrem familiären Einkommen entrichte und die 10% ihres Wirtschaftsgeldes darstellten. Für behindertengerechte Einrichtungen habe sie einen Kredit aufnehmen müssen, der eine monatliche Belastung von EUR 185,-- ausmache. Ihr niederländischer Schwiegersohn sei nicht in ihrer Wohnung angemeldet, sondern wohne in den Niederlanden. Sein Einkommen könne daher auch nicht als ihr Einkommen gerechnet werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. In ihrer Begründung führte sie aus, es sei unstrittig, dass neben der Beschwerdeführerin auch deren Tochter ihren Hauptwohnsitz in der gegenständlichen Wohnung habe. Da für "geordnete Zeiten" die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften unterstellt werden könne, sei davon auszugehen, dass die Begründung des Hauptwohnsitzes in der gegenständlichen Wohnung durch die Tochter der Beschwerdeführerin die tatsächlichen Gegebenheiten wiederspiegle. Grundvoraussetzung für die Gewährung eines Wohnbeihilfe sei ua., dass der Mieter und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendeten. Demnach stünde der Gewährung einer Wohnbeihilfe an die Beschwerdeführerin schon angesichts der unstrittigen aufrechten Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Tochter der Beschwerdeführerin mit deren niederländischen Ehemann im Lichte des § 20 Abs. 1 bzw. des § 60 Abs. 1 WWFSG 1989 der Umstand entgegen, dass ihre Tochter nicht ausschließlich die antragsgegenständliche Wohnung, sondern auch die Wohnung ihres Ehegatten in den Niederlanden zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses verwenden könne. Abgesehen davon habe die Erstbehörde, unter Bedachtnahme auf § 27 Abs. 4 WWFSG 1989, die Einkünfte des Ehegatten der die antragsgegenständliche Wohnung mitbewohnenden Tochter der Beschwerdeführerin vollkommen korrekt dem Haushaltseinkommen gemäß § 2 Z. 15 WWFSG 1989 hinzugerechnet, woraus ein maßgebliches Haushaltseinkommen gemäß § 2 Z. 15 WWFSG 1989 von EUR 2.488,31 resultiere. Völlig zu Recht sei die Erstbehörde vor dem Hintergrund des § 27 Abs. 4 WWFSG 1989 zugunsten der Beschwerdeführerin rechnerisch von einem Dreipersonenhaushalt und nicht - entsprechend der gemeldeten Hauptwohnsitze - lediglich von einem Zweipersonenhaushalt ausgegangen, sodass im gegebene Fall nicht nur bis zu einem maximalen Haushaltseinkommen für einen Zweipersonenhaushalt von EUR 1.704,15, sondern bis zu einem für einen Dreipersonenhaushalt von EUR 1.849,45 eine Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 gewährt werden könnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dass ihr Schwiegersohn nicht im gemeinsamen Haushalt lebe und daher sein Einkommen bei der Berechnung des Familieneinkommens iSd §§ 2 Z. 15 und 27 Abs. 4 WWFSG 1989 keine Berücksichtigung finden dürfe. Die einzige Änderung, die stattgefunden habe, sei, dass ihre Tochter, die bisher in der gegenständlichen Wohnung gewohnt habe, geheiratet habe und dementsprechend bei ihrem Ehegatten in den Niederlanden wohne. Richtig sei, dass die Tochter weiterhin in der gegenständlichen Wohnung gemeldet sei, weil sie die schwer kranke und behinderte Beschwerdeführerin regelmäßig besuche und pflege. Wie bei der bisherigen Gewährung der Wohnbeihilfe sei daher ausschließlich vom Einkommen der Beschwerdeführerin und allfällig von weiteren EUR 200,-- auszugehen, die ihre Tochter von ihrem Ehegatten zur freien Verfügung erhalte bzw. mit denen die Tochter die Beschwerdeführerin unterstütze.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert die Beschwerdeführerin, dass die Behörden es unterlassen hätten, den Sachverhalt zu ermitteln und ihre Tochter sowie deren Gatten einzuvernehmen bzw. zumindest eine Stellungnahme abzuverlangen. Die Erhebung des maßgeblichen Sachverhalts hätte ergeben, dass ihre Tochter und deren Ehemann in den Niederlanden lebten, ihr Schwiegersohn zu keinem Zeitpunkt im gemeinsamen Haushalt mir der Beschwerdeführerin gelebt habe und ihre Tochter sie regelmäßig besuche, betreue und dann auch in der gegenständlichen Wohnung wohne. Um allfällige Probleme hintanzuhalten, sei die Tochter auch weiterhin bei der Beschwerdeführerin gemeldet.

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1989, lauten in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 67/2006 (WWFSG 1989):

"Begriffsbestimmungen

§ 2.

Im Sinne dieses Gesetzes gelten:

(…)

13. als Haushaltsgröße die Zahl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen; bei geschiedenen Ehen dürfen Kinder nur zugerechnet werden, wenn sie einer im gemeinsamen Haushalt lebenden Person durch Gerichtsbeschluß in Pflege und Erziehung zugesprochen wurden; im gemeinsamen Haushalt lebende Enkelkinder dürfen nur dann zugerechnet werden, wenn den Großeltern das Sorgerecht zugesprochen wurde;

(…)

15. als Familieneinkommen oder Haushaltseinkommen die Summe der Einkommen des Förderungswerbers oder Mieters und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen mit Ausnahme von im Haushalt beschäftigten Arbeitnehmern und angestelltem Pflegepersonal;

(…)"

"§ 27.

(4) Bei im gemeinsamen Haushalt lebenden aufrechten Ehen oder Wohngemeinschaften sind die Einkünfte der Partner der Berechnung des Einkommens zu Grunde zu legen. Bei nachweislicher Aufgabe der Wohnungsnutzung durch einen Ehepartner sind dessen Einkommen abzüglich des Richtsatzes für Ausgleichszulagen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz oder vor Gericht vereinbarte Unterhaltsleistungen zum Haushaltseinkommen hinzuzuzählen.

..."

"Allgemeine Wohnbeihilfe

§ 60.

(1) Wird der Mieter einer nicht nach §§ 20 ff geförderten Wohnung durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet, ist ihm auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren, sofern der Mieter und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden. Die Nutzflächeneinschränkung im Sinne des § 2 Z 1 ist nicht anzuwenden. …"

§ 1 Abs. 7 und 8 des Meldegesetzes, BGBl. Nr. 9/1992, idF BGBl. I Nr. 28/2001, lautet:

"(7) Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

(8) Für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen sind insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zwischenzeitig (nach Beschwerdeerhebung) ergangenen Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0183 (unter Hinweis auf Teschl/Hüttner , Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz, Kurzkommentar 2002, S. 21) zur hier wesentlichen Frage des gemeinsamen Haushalts ausgesprochen, dass dieser nur dann vorliege, wenn sich bei allen Personen der Hauptwohnsitz (§ 1 Abs. 7 Meldegesetz) in der betreffenden Wohnung befinde, es sich beim Erfordernis des Hauptwohnsitzes allerdings nur um eine Mindestvoraussetzung handle, die jedenfalls zur Gewährung der Wohnbeihilfe erfüllt sein müsse; weiters, dass Wohnbeihilfe gemäß § 60 Abs. 1 WWFSG 1989 nur dann zu gewähren sei, wenn der Mieter und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden, nahestehenden Personen "ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden". Trifft dies auf bestimmte Personen (im damaligen Beschwerdefall wegen eines mehrjährigen Auslandsstudiums auf zwei Töchter des damaligen Beschwerdeführers) nicht zu, sind diese Personen bei der Berechnung der Wohnbeihilfe nicht zu berücksichtigen.

Zwar ist die Tochter der Beschwerdeführerin zweifellos mit Hauptwohnsitz in der gegenständlichen Wohnung gemeldet, das reicht aber vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles für die Annahme einer Haushaltszugehörigkeit der Tochter und ihres Ehemannes mit der Beschwerdeführerin (darauf läuft die Annahme der Behörden hinaus) nicht aus, hat doch die Beschwerdeführerin angegeben, ihre in den Niederlanden bei ihrem Ehemann lebende Tochter komme nur alle fünf bis sechs Wochen zu Besuch, um sie zu betreuen. Für einen gemeinsamen Haushalt des Ehemannes der Tochter mit der Beschwerdeführerin gab es überhaupt keine tragfähigen sachverhaltsmäßigen Grundlagen. Zwar ist die Meldung als Hauptwohnsitz ein Indiz dafür, dass sich der Hauptwohnsitz tatsächlich an der gemeldeten Anschrift befindet, zwingend ist dies aber nicht (zum Hauptwohnsitz von Eheleuten siehe überdies beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0941, Slg. Nr. 15713/A). Die Annahme des gemeinsamen Haushaltes mit der Tochter oder gar mit dem Schwiegersohn ist daher nicht schlüssig begründet.

Geht man aber davon aus, dass die Tochter der Beschwerdeführerin und der Ehemann der Tochter nicht dem Haushalt (§ 2 Z. 13 und 15 WWFSG 1989) der Beschwerdeführerin angehören - in diese Richtung geht übrigens die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides -, steht dies dem Anspruch auf Wohnbeihilfe nicht von vornherein entgegen. Ist die Tochter der Beschwerdeführerin (und somit auch das Einkommen ihres Ehemannes) bei der Beurteilung der Bewilligungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Haushaltsgröße iSd § 2 Z. 13 WWFSG 1989 und somit auf das Familien- oder Haushaltseinkommen iSd § 2 Z. 15 leg. cit. nicht zu berücksichtigen, hätte die belangte Behörde die Voraussetzungen für die Gewährung der Wohnbeihilfe ausgehend von einem Einpersonenhaushalt prüfen müssen (vgl. hiezu nochmals das Erkenntnis vom ). Das hat die belangte Behörde aber unterlassen.

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid sowohl mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er (da die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit Vorrang hat) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am