VwGH vom 18.03.2013, 2010/05/0046

VwGH vom 18.03.2013, 2010/05/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Dr. R F in Wien, vertreten durch die Hasberger_Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-AB-2/127-2009, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die aufgrund der NÖ Bau-Übertragungsverordnung zuständige Bezirkshauptmannschaft W (kurz: BH) erteilte mit Bescheid vom u.a. als Baubehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt II. die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Geschäftsgebäudes (Lebensmittelmarkt; P-Markt) auf dem als Bauland-Betriebsgebiet gewidmeten Grundstück Nr. 1075/1, KG W (in der Folge nur kurz: Grundstück X), unter Vorschreibung von Auflagen und eine Verwaltungsabgabe.

Mit Schreiben vom fragte die BH bei der belangten Behörde an, ob die erteilte Bewilligung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung widerspricht.

Die belangte Behörde holte zu dieser Frage das Gutachten von Dipl. Ing. S.K. vom ein. In diesem führte der Sachverständige im Lichte der Regelung des § 17 Abs. 4 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG 1976) betreffend die Frage, ob im vorliegenden Bereich des Baugrundstückes mehrere Handelsbetriebe eine funktionelle Einheit darstellen, die gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung nicht mehr als 1.000 m2 ausmachen dürfen,

Folgendes aus:

"Der umgebende Bereich des Bauland-Betriebgebietsgrundstückes (X) wird in der unmittelbaren

Nachbarschaft folgender Maßen genutzt:


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im Osten, in der Widmung Bauland-Betriebsgebiet, durch Einrichtungen des Lagerhauses, insbesondere des Baumarktes, der in der ca 65x32 m (Kataster) großen Halle zentrumsrelevante Waren führt
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im Norden, die Parzelle (Y) als unbebautes Bauland-Betriebsgebiet
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im Westen auf der halben Grundstücksstiefe - Grünland-Land- und Forstwirtschaft, auf der anderen Hälfte Grünland-Grüngürtel und danach, weiter nach Westen, 4 Einfamilienhäuser
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im Süden, gegenüber der B Straße ein unbebautes, spitzes Grundstück im Bauland-Wohngebiet zwischen Straße und Bahntrasse.
Der im NÖ ROG festgelegte Begriff '…im umgebenden Bereich…' ist nicht explizit und nur auf die unmittelbare Nachbarschaft bezogen, vielmehr ist aus der Regelung hinsichtlich Gebäude und Abstelleinrichtungen hervorgehend, der 'umgebende Bereich' umfassend zu bewerten.
Obwohl bereits bei Betrachtung der unmittelbaren Nachbarschaft, zwar keine ausschließliche, aber durch die angrenzende Nutzung des Baumarktes und der Lagerhauseinrichtungen ein Dominieren der Gebäude für Handelseinrichtungen ablesbar ist, wird in einer zweiten Stufe die 'Bezug habende Nachbarschaft' beleuchtet.
In diesem Untersuchungsschritt reicht der Umgebungsbereich über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus und soll durch die Einbeziehung der erweiterten Nachbarschaft zusätzlichen Erkenntnisgewinn liefern und der geforderten Betrachtung des 'umgebenden Bereichs' gerecht werden:
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im Osten schließen nach der Bahntrasse weitere massive Gebäude für Handelseinrichtungen des Lagerhauses und ein Autoverkauf an
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im Norden und teilweise im Westen besteht eine Grünlandnutzung
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im Südwesten setzt sich die Siedlungsnutzung durch Einfamilienhäuser fort
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im Süden, nach der Bahnkreuzung, unmittelbar an der Landesstraße befindet sich das genehmigte Einkaufszentrumsprojekt, im Ausmaß von rund 10.000 m2 Bruttogeschoßfläche, in der Widmung Bauland-Kerngebiet-Handelseinrichtungen
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im Südosten befinden sich ehemalige Betriebsanlagen und der Bauernladen.
Die Gebäude in der 'Bezug habenden Nachbarschaft' erweisen sich nach dem Flächenausmaß ebenfalls als dominierend für Handelseinrichtungen genutzt.
Besonders zu beachten ist, dass nach dieser Bestimmung des NÖ ROG idgF, hinsichtlich der dominierenden Nutzung von Gebäuden für Handelseinrichtungen, keine Unterscheidung zwischen 'zentrumsrelevanten' und 'nicht zentrumsrelevanten' Waren getroffen wird. Demnach können auch jene in der Warengruppenverordnung genannten 'nicht zentrumsrelevanten Waren' wie Fahrzeuge, Baustoffe, Möbel, Gartenbedarfsartikel usw für die Bildung einer funktionellen Einheit nicht ausgeschlossen werden. Artikel der Lagerhäuser wie Saatgut, Nahrungsgetreide, Futter-, Düngemittel uä werden in der Warengruppenverordnung nicht genannt, sodass sie als zentrumsrelevant verbleiben.
Alle zuvor angeführten Betriebsstandorte im umgebenden Bereich, sowohl in der unmittelbaren, als auch der Bezug habenden Nachbarschaft, verfügen über eigene Abstelleinrichtungen für die Kraftfahrzeuge der Kunden.
Auf Grund der im Norden und auch auf der Hälfte der Grundstückstiefe im Westen angrenzenden Grünlandnutzungen ist für den Bauplatz die Lage im geschlossenen, bebauten Ortsgebiet, im Sinne des Durchführungsrundschreibens zur 14. Novelle des NÖ ROG vom des damaligen Landesrates für Raumordnung, nicht eindeutig gegeben.
Aus diesem Durchführungsrundschreiben … geht weiters hervor, dass betreffend '…die Bruttogeschoßfläche die Bestimmungen zur Summation mit angrenzenden Handelsbetrieben weiter gelten und dies insofern verschärft wurden, als einer dazwischen liegenden öffentlichen Verkehrsfläche keine Trennungswirkung mehr zukommt.'
Da die Gebäude im umgebenden Bereich, sowohl in der 'unmittelbaren Nachbarschaft' als auch in der 'Bezug habenden Nachbarschaft' überwiegend der Funktion Handel dienen, bzw. dominierend für Handelseinrichtungen genutzt werden, wird durch eine weitere Handelseinrichtung unzweifelhaft eine funktionelle Einheit begründet.
Der Verkehrsfläche zur Erschließung für diese Handelseinrichtungen und für das gegenständliche Grundstück (X) wird keine trennende Funktion beigemessen, da für Kunden private (eigene) Parkplätze auf den jeweiligen Grundstücken der Handelseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Für die Nutzung des Bauland-Betriebsgebietes durch einen Handelsbetrieb (P...-Markt) mit zentrumsrelevanten Waren besteht daher mit den dominierend für Handelseinrichtungen genutzten Gebäuden im umgebenden Bereich ein funktioneller Zusammenhang und damit eine funktionelle Einheit.
Das bedeutet, dass auf Grund des Bruttogeschoßflächenbestands in den umgebenden Handelseinrichtungen, infolge der Summationsbestimmung und durch die nicht gegebene Trennwirkung der Verkehrsfläche, die Verkaufsflächen (Bruttogeschoßflächen) für zentrumsrelevante Waren bereits durch die bestehende funktionelle Einheit ausgeschöpft sind. Für den Standort auf dem Grundstück (X) verbleibt daher kein Bruttogeschoß- bzw. Verkaufsflächenanteil.
SCHLUSSFOLGERUNG:
Die handelsbetriebliche Nutzung des im Bauland-Betriebsgebiet gelegenen Standortes für das beabsichtigte Geschäftsgebäude bildet mit den Gebäuden im umgebenden Bereich, die dominierend für Handelseinrichtungen genutzt werden, eine funktionelle Einheit, auch wenn diese auf mehreren Bauplätzen errichtet sind oder werden.
Wegen des Bestands von Handelsbetrieben mit zentrumsrelevanten Waren, deren Summe der Bruttogeschoßflächen die Grenze von 1000 m2 im umgebenden Bereich bei Weitem übersteigt, stellt ein Geschäftsgebäude für eine zusätzliche Handelseinrichtung auf dem Grundstück (X) einen Widerspruch zur rechtswirksamen Flächenwidmung Bauland-Betriebsgebiet dar."
Die belangte Behörde erklärte mit dem angefochtenen Bescheid Spruchpunkt II. des angeführten Bescheides der BH vom für nichtig (Spruchpunkt I.). Sie stützte Spruchpunkt I. auf § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG i.V.m. § 23 Abs. 8 Nö Bauordnung 1996 - Nö BO 1996.
Sie führte dazu insbesondere nach einer teilweisen Wiedergabe des eingeholten Gutachtens vom im Wesentlichen aus, dass die Baubehörde im Lichte des § 17 NÖ ROG 1976 vor allem zu prüfen gehabt hätte, inwieweit die Summationsverpflichtung der im Umgebungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen von Handelsbetrieben mit zentrumsrelevanten Waren mit dem ebenfalls zentrumsrelevanten Warenangebot des projektierten Lebensmittelmarktes vorgelegen wäre. Im vorgelegten Bauakt sei jedenfalls nicht dokumentiert, dass sich die Baubehörde mit dieser entscheidungsrelevanten Frage auseinandergesetzt hätte.
Dadurch dass die Gebäude im umgebenden Bereich, sowohl in der "unmittelbaren Nachbarschaft" als auch in der "bezughabenden Nachbarschaft", überwiegend der Funktion Handel dienten bzw. dominierend für Handelseinrichtungen genutzt würden, werde durch eine weitere Handelseinrichtung unzweifelhaft eine funktionelle Einheit begründet. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Einreichunterlagen gehe unzweifelhaft hervor, dass eben diese wesentlichen Merkmale der funktionellen Einheit von Handelsbetrieben, nämlich das dominierende Vorhandensein dieser einschlägigen Betriebe im umgebenden Bereich sowie die vorhandenen privaten Abstelleinrichtungen für Kraftfahrzeuge der Kunden, vorlägen. Wegen des Bestandes von Handelsbetrieben mit zentrumsrelevanten Waren, deren Summe der Bruttogeschoßflächen die Grenze von 1.000 m2 im umgebenden Bereich übersteige, erweise sich im Hinblick auf die Summationsverpflichtung überhaupt keine Neuerrichtung eines Handelsbetriebes an diesem Standort als zulässig und stehe einem derartigen Bauvorhaben die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart Bauland-Betriebsgebiet entgegen.
§ 68 Abs. 4 Z. 4 AVG ermächtige die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes für nichtig zu erklären, wenn sie an einen durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Mangel leiden. Das AVG verweise in diesem Zusammenhang auf die Verwaltungsvorschriften, konkret sohin auf § 23 Abs. 8 NÖ Bauordnung 1996.
Der Lauf der vierwöchigen Frist für die Nichtigerklärung werde erst mit dem zulässigen Baubeginn ausgelöst. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer der Baubehörde angezeigt, dass mit den Bauarbeiten am begonnen werde und sei somit die Frist für die Nichtigerklärung noch nicht abgelaufen.
Die belangte Behörde erachtete die ausgesprochene Nichtigerklärung insbesondere im Lichte des Umstandes, dass erst mit der Baureifmachung des Grundstückes begonnen worden sei und diese Maßnahmen auch für jede andere bauliche Nutzung genützt werden könnten, als verhältnismäßig.
In der dagegen (inhaltlich aber nur gegen Spruchpunkt I) erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren war im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () die NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden:

NÖ BO 1996), LGBl. 8200-0, i.d.F. LGBl. 8200-16 anzuwenden.

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der

NÖ BO 1996 lauten (teils in Auszügen) wie folgt:

"§ 20

Vorprüfung

(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben

1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone,


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2.
7.
eine Bestimmung dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, …
entgegensteht."
"§ 23
Baubewilligung

(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.

Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht.

(2) …

(7) … . Bei der Bewilligung von Handelseinrichtungen, für die auch eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung erforderlich ist sowie …, ist eine Ausfertigung des Baubewilligungsbescheides samt den dazugehörigen Beilagen der Bezirksverwaltungsbehörde zu übermitteln.

(8) Bescheide, die entgegen den Bestimmungen des Abs. 1

2. Satz erlassen werden, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Eine Aufhebung des Baubewilligungsbescheids ist jedoch ab dem Baubeginn nicht mehr zulässig; bei der Bewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes darf sie bis spätestens 4 Wochen nach Baubeginn erfolgen. Bei Neu-, Zu- und Umbauten von Handelseinrichtungen, für die auch eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung erforderlich ist, ausgenommen Handelsbetriebe gemäß § 17 Abs. 5 und 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, sowie bei der Baubewilligung für Hochhäuser, beginnt die 4-Wochenfrist frühestens mit dem Einlangen des Baubewilligungsbescheides samt der Unterlagen gemäß Abs. 7 bei der Bezirksverwaltungsbehörde. … ."

Weiters kommt das NÖ Raumordnungsgesetz 1976, LGBl. 8000-0 idF LGBl. 8000-23, zur Anwendung.

Die im vorliegenden Fall relevanten § 16 Abs. 1 Z. 3 und § 17 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 NÖ ROG 1976 lauten wie folgt:

"§ 16

Bauland

(1) Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Widmungsarten zu gliedern:


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1.
3.
Betriebsgebiete, die für Bauwerke solcher Betriebe bestimmt sind, die keine übermäßige Lärm- oder Geruchsbelästigung und keine schädliche, störende oder gefährliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen und sich - soweit innerhalb des Ortsbereiches gelegen - in das Ortsbild und die bauliche Struktur des Ortsbereiches einfügen. Betriebe, die einen Immissionsschutz beanspruchen, sind unzulässig."
"§ 17
Gebiete für Handelseinrichtungen

(1) In Zentrumszonen kann die Widmung Bauland-Kerngebiet mit dem Zusatz 'Handelseinrichtungen' bezeichnet werden. In dieser Widmung bestehen für die Errichtung von Handelsbetrieben keine Beschränkungen hinsichtlich der Verkaufsfläche oder Bruttogeschoßfläche. Die übrigen Nutzungsmöglichkeiten gemäß § 16 Abs. 1 Z. 2 bleiben zulässig.

(2) Innerhalb des geschlossenen, bebauten Ortsgebietes - ausgenommen in der Widmung Bauland-Kerngebiet-Handelseinrichtungen - darf die Bruttogeschoßfläche von Handelsbetrieben nicht mehr als 1.000 m2 betragen.

(3) Außerhalb der in Abs. 2 bezeichneten Bereiche darf die Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren 80 m2 nicht übersteigen.

(4) Bilden mehrere Handelsbetriebe eine bauliche, funktionelle oder organisatorische Einheit, darf die Summe der Bruttogeschoßflächen in den Fällen gemäß Abs. 2 nicht mehr als 1.000 m2 und die Summe der Verkaufsflächen gemäß Abs. 3 nicht mehr als 80 m2 betragen. Eine funktionelle Einheit ist dann gegeben, wenn im umgebenden Bereich die Gebäude ausschließlich oder dominierend für Handelseinrichtungen genutzt werden und mehrheitlich über private (eigene oder gemeinsame) Abstelleinrichtungen für die Kraftfahrzeuge der Kunden verfügen."

Gemäß § 23 Abs. 8 NÖ BO 1996 können Bescheide aus bestimmten in Abs. 1 genannten Gründen (u.a. bei einem Widerspruch zu der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart oder zu einer Bestimmung des NÖ ROG 1976) für nichtig erklärt werden. Die Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides ist weiters nach dieser Bestimmung zeitlich beschränkt. Für den vorliegenden Fall des Neubaues eines Gebäudes (nämlich Verkaufsmarktes), für dessen Erteilung der baubehördlichen Bewilligung gemäß § 1 der Bau-Übertragungsverordnung, LGBl. 1090/2-0 i.d.F. LGBl. 1090/2-15, (neben dem gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren) auch die Bezirksverwaltungsbehörde Waidhofen/Thaya zuständig war, war die Regelung des zweiten Satzes zweiter Halbsatz des § 23 Abs. 8 leg. cit. maßgeblich. (Der 3. Satz des § 23 Abs. 8 BO ist für einen solchen Fall, zumal es ja auch keine Verständigung nach Abs. 7 leg. cit. gibt, unanwendbar). Danach darf die Nichtigerklärung eines Baubewilligungsbescheides bis vier Wochen nach Baubeginn erfolgen. Als Baubeginn war nach den unbestrittenen Feststellungen der Behörde der anzunehmen. Die vorgesehene Vierwochenfrist endete im vorliegenden Fall somit am . Um diese zeitliche Voraussetzung für eine Nichtigerklärung zu erfüllen, musste der Bescheid betreffend die Nichtigerklärung bis zum erlassen worden sein. Die einzige Partei in diesem Nichtigerklärungsverfahren war der Beschwerdeführer.

In der Beschwerde gab der Beschwerdeführer als Zustelldatum des angefochtenen Bescheides den an. Nach den näheren Ausführungen zur Zustellung des angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift der belangten Behörde (der übermittelte Akt enthält keine Nachweise über vorgenommene oder versuchte Zustellungen) konnte der Bescheid dem Beschwerdeführer am wegen Ortsabwesenheit nicht zugestellt werden. Der Vertreter des Beschwerdeführers im Baubewilligungsverfahren, bei dem gleichfalls ein Zustellversuch im Dezember erfolgte, teilte der Behörde mit, dass kein Vollmachtverhältnis zum Beschwerdeführer mehr bestehe; eine Zustellvollmacht für das Nichtigerklärungsverfahren bestand somit nicht.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde genügt es zur Einhaltung der angeführten Frist nicht, dass in dieser Zeit ein Zustellversuch unternommen wurde (weil dies im Gesetz nicht vorgesehen ist), es muss (daher) vielmehr in der vorgesehenen Frist eine wirksame Erlassung des Nichtigerklärungsbescheides an eine Partei (im vorliegenden Fall: an die eine Partei) erfolgen. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0139). Die Erlassung eines schriftlichen Bescheides durch Zustellung liegt ab dem Zeitpunkt seiner rechtswirksamen Zustellung vor. Unbestritten erfolgte die wirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer am , somit nach Ablauf der Vierwochenfrist ab Baubeginn.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus dem Grund als inhaltlich rechtswidrig, weil die in § 23 Abs. 8 Nö BO 1996 vorgesehene zeitliche Beschränkung der Erlassung eines Nichtigerklärungsbescheides nicht eingehalten wurde.

Weiters erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt: Andernfalls hätte er darlegen können, dass die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten keineswegs den Schluss zuließen, dass ein funktioneller Zusammenhang zwischen dem auf seinem Grundstück geplanten Lebensmittelmarkt und anderen Handelsbetrieben bestehe.

Dazu ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer, der dem Nichtigerklärungsverfahren nicht beigezogen wurde, in dem geltend gemachten Recht auf Parteiengehör verletzt wurde und in seinen Ausführungen zu dem herangezogenen Versagungsgrund gemäß § 17 Abs. 4 NÖ ROG auch die Relevanz dieser Parteienverletzung entsprechend dargelegt hat. So verweist er zutreffend darauf, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen im unmittelbaren Umgebungsbereich lediglich an einer Seite seines Grundstückes ein teilweise einen Handelsbetrieb darstellendes Unternehmen bestehe.

Der Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides war im Hinblick auf die einer Verfahrensverletzung vorgehenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am