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VwGH vom 25.01.2013, 2012/09/0112

VwGH vom 25.01.2013, 2012/09/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des AB in K, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 103/8-DOK/11, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem BDG 1979 (weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am ein von seinem Vorgesetzten RW durchzuführendes Update der SmartCard entgegen dessen Weisung nicht zugelassen und er habe dieses in der Folge (Anm.: nach den Sachverhaltsfeststellungen erfolgte dies noch am gleichen Tag) stattdessen selbst durchgeführt.

Der Beschwerdeführer habe dadurch schuldhafte Verstöße gegen seine Dienstpflichten gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 zu verantworten.

Es wurde die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe eines Ruhebezuges verhängt.

Von einem weiteren disziplinären Vorwurf der Begehung einer Dienstpflichtverletzung am wurde der Beschwerdeführer im Zweifel freigesprochen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach wörtlicher Wiedergabe des Bescheides der Behörde erster Instanz und der Berufung zur Verjährung Folgendes aus:

"Der (Beschwerdeführer) macht den seiner Ansicht nach eingetretenen Ablauf der in § 94 Abs. 1 BDG normierten Frist der Verfolgungsverjährung geltend und bringt dazu im Wesentlichen vor, die von der Disziplinarkommission angenommenen Hemmungstatbestände lägen im gegenständlichen Fall nicht vor.

Insbesondere die seitens RW gegen ihn eingebrachte Strafanzeige stellt nach Ansicht des (Beschwerdeführers) keinen derartigen Hemmungstatbestand dar, weil diese Anzeige nur strafrechtlich relevante Umstände, nicht jedoch dienstrechtliche Vorgänge umfassen könne. Der von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt behandelte Vorwurf sei jener der falschen Zeugenaussage (gemeint: Verleumdung gemäß § 297 StGB) gewesen, nicht hingegen sei davon der Vorwurf der Weigerung der Befolgung einer dienstlichen Weisung mitumfasst gewesen, sodass diesbezüglich eine entsprechende Trennung vorzunehmen sei.

Die Dauer des Strafverfahrens, das ein anderes Thema zum Inhalt gehabt habe als das Disziplinarverfahren, könne zu diesem Punkt daher keine Hemmung der Verjährung auslösen.

Daher sei die Frist des § 94 Abs. 1 BDG abgelaufen, sodass eine Bestrafung des (Beschwerdeführers) schon aus diesem Grund nicht hätte erfolgen dürfen.

Dazu vertritt der erkennende Senat die Rechtsauffassung, dass der Bezug habende gesetzliche Hemmungstatbestand des § 94 Abs. 2 Z 5 lit. b BDG einerseits nur von der 'Erstattung der Anzeige' an sich spricht, ohne eine Differenzierung danach vorzunehmen, von wem diese Anzeige eingebracht wurde, und dass in der hier in Rede stehenden Strafanzeige (des) RW gegen den beschuldigten Beamten wegen Verwirklichung des Straftatbestandes der Verleumdung gemäß § 297 StGB die die Grundlage des Disziplinarverfahrens bildenden Weisungsverletzungen sehr wohl erwähnt sind bzw. angeführt wurden.

Da eine nachträgliche Trennung der in der Strafanzeige enthaltenen Sachverhaltskomponenten (strafrechtlicher Vorwurf der Verleumdung gemäß § 297 StGB, disziplinarrechtlicher Vorwurf der Verletzung der in § 44 Abs. 1 BDG normierten Dienstpflichten) nach Ansicht des erkennenden Senates rechtlich nicht zulässig ist und auch die den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Anschuldigung des Verstoßes gegen die Gehorsamspflicht des Beamten vom Vorwurf der zu Unrecht erfolgten Anschwärzung des Vorgesetzten als tatsächlich relevantem gerichtlich strafbarem Verhalten gedeckt ist, hat das gegenständliche Verfahren gemäß § 114 BDG für die Dauer der Anhängigkeit der genannten Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt demnach geruht und kann dem (Beschwerdeführer) hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Eintrittes der Verfolgungsverjährung gemäß § 94 Abs. 1 BDG nicht gefolgt werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 94 BDG 1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 96/2007 lautet

auszugsweise:

"§ 94 …

(1a) Drei Jahre nach der an den beschuldigten Beamten erfolgten Zustellung der Entscheidung, gegen ihn ein Disziplinarverfahren durchzuführen, darf eine Disziplinarstrafe nicht mehr verhängt werden.

(2) Der Lauf der in Abs. 1 und 1a genannten Fristen wird - sofern der der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegende Sachverhalt Gegenstand der Anzeige oder eines der folgenden Verfahren ist - gehemmt

1. für die Dauer eines Verfahrens vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof,


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2.
für die Dauer eines Verfahrens vor der Berufungskommission,
2a.
für die Dauer eines Verfahrens vor einem unabhängigen Verwaltungssenat über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder auf andere Weise in ihren Rechten verletzt worden zu sein,
3.
für die Dauer eines Strafverfahrens nach der StPO oder eines bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder einer Verwaltungsbehörde anhängigen Strafverfahrens,
4.
für den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Beendigung oder, wenn auch nur vorläufigen, Einstellung eines Strafverfahrens und dem Einlangen einer diesbezüglichen Mitteilung bei der Dienstbehörde und
5.
für den Zeitraum zwischen der Erstattung der Anzeige und dem Einlangen der Mitteilung
a)
über die Beendigung des verwaltungsbehördlichen oder des gerichtlichen Verfahrens bzw. des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat,
b)
der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens oder
c)
der Verwaltungsbehörde über das Absehen von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens bei der Dienstbehörde."
Mit Beschluss der Behörde erster Instanz vom , dem Beschwerdeführer zugestellt am , wurde gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren unter anderem wegen der gegenständlichen Dienstpflichtverletzungen eingeleitet. Der Einleitungsbeschluss umfasst den Vorwurf von jeweils eigenständigen Dienstpflichtverletzungen, begangen teils am , teils am . Der Beschwerdeführer erhob gegen den Einleitungsbeschluss kein Rechtsmittel.
Am erfolgte an der Dienststelle des Beschwerdeführers und des RW ein Polizeieinsatz betreffend "Körperverletzung und Nötigung", Tatzeit , 16.05 Uhr, weil RW den Beschwerdeführer beim Streit um das Update einer Smartcard körperlich angegriffen habe. RW wurde mit Urteil des LG Klagenfurt vom von der gegen ihn seitens der Staatsanwaltschaft K erhobenen Anklage, er habe am den Beschwerdeführer
"1.
mit Gewalt, indem er ihm seinen Unterarm auf die Brust drückte, und durch gefährliche Drohung, indem er äußerte: 'Dir werde ich die Flügel stutzen!', zur Herausgabe einer 'Smart-Card' genötigt, und
2.
durch Zurückstoßen mit seinem Drehsessel gegen die Wand am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt (Abschürfung),
jeweils gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen."
Der privatbeteiligte Beschwerdeführer bekämpfte dieses Urteil mit Berufung wegen Nichtigkeit. Dieses blieb erfolglos (Urteil des OLG Graz vom , 11 Bs 53/09s).
Die "Sachverhaltsdarstellung" des RW vom betreffend den Verdacht der Verleumdung durch den Beschwerdeführer betraf den - eben behandelten - Vorwurf des Beschwerdeführers, RW hätte den Beschwerdeführer am um 16.05 Uhr am Körper verletzt und zur Herausgabe einer Key-Card genötigt.
Der im Einleitungssatz des § 94 Abs. 2 BDG 1979 genannte "zugrundeliegende Sachverhalt" führt dann zur Hemmung des Laufes der in § 94 Abs. 1 und 1a genannten Fristen, wenn der Beamte - in Idealkonkurrenz - durch ein und dieselbe Tat sowohl eine Dienstpflichtverletzung nach dem BDG 1979 als auch durch ein Delikt, das strafrechtlich oder verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden ist, begangen haben könnte. Die Voraussetzung der Identität des Sachverhalts bedeutet, dass es sich um dieselbe Tat handeln muss, nicht jedoch, dass sich die entsprechenden Sachverhaltselemente vollständig decken müssen. Auch auf die verbale Umschreibung des Verhaltens und auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Benennung der Tat kommt es nicht an. Umgekehrt tritt bei Realkonkurrenz
zwischen den genannten Delikten (wenn also z.B. wie hier eine Verfolgung wegen eines anderen Verhaltens erfolgt) eine Hemmung jedenfalls nicht ein (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 2010, S 70, und die darin referierte hg. Rsp).
Im vorliegenden Fall betrifft der Schuldspruch jeweils selbständige Dienstpflichtverletzungen, die der Beschwerdeführer am begangen hat. Das Gerichtsverfahren (Verdacht der Verleumdung) betraf jedoch davon wiederum getrennte Sachverhalte, die sich am , um 16.05 Uhr ereigneten. Durch das gegen eine andere Person geführte Strafverfahren konnte jedenfalls keine Hemmung eintreten. Von demselben Sachverhalt im Sinne des § 94 Abs. 2 BDG 1979 kann demnach keine Rede sein. Die von der belangten Behörde angenommene Hemmung des Fristenlaufes liegt hinsichtlich des Schuldspruches betreffend Begehung von Dienstpflichtverletzungen am nicht vor.
Das angefochtene Disziplinarerkenntnis vom wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt, somit mehr als drei Jahre (nahezu vier Jahre) nach der Zustellung des Einleitungsbeschlusses; die Frist des § 94 Abs. 1a BDG 1979 war zu diesem Zeitpunkt abgelaufen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am