VwGH vom 23.05.2013, 2012/09/0110

VwGH vom 23.05.2013, 2012/09/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R in F, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 21, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 111/8-DOK/11, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung (weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1965 geborene Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Bis zu seiner Suspendierung im Mai 2011 war er als Bezirksinspektor bei der Grenzpolizeiinspektion F tätig.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer - in diesbezüglicher Bestätigung des Spruchteils A des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres (in der Folge: DK) vom - für schuldig erkannt, er habe (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"1. in seiner Freizeit in wiederholten Angriffen im Zeitraum vom bis mit Hilfe eines pinzettenförmigen Werkzeuges aus dem versperrten Sparvereinskasten im Gasthaus W in F, zum Nachteil des Gastwirtes (G) Banknoten -insgesamt EUR 600. - - - durch den Einwurfschlitz mit dem Vorsatz 'gefischt', um sich dadurch fortgesetzt zu bereichern,

2. über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren die (A-GmbH) über seine Zahlungsunfähigkeit getäuscht, als er sich trotz seines ungedeckten Kontos mit Hilfe der Kreditkarte anfangs durch den Ankauf von Dingen des täglichen Lebens ab Mitte 2008 aber zum Bezahlen zahlreicher Wetteinsätze unrechtmäßig bereichert und dem Kreditinstitut einen Schaden in Höhe von EUR 6.793,66 zugefügt."

Der Beamte habe dadurch seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, gemäß § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt, weshalb gegen ihn die Disziplinarstrafe der Entlassung nach § 92 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. verhängt wurde.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde neben Wiedergabe der bezughabenden Teile des erstinstanzlichen Bescheides der DK und der Berufung des Beschwerdeführers im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer zu der im Spruchpunkt 1. umschriebenen Tathandlung ein Geständnis abgelegt habe. Das zu diesem Faktum anhängig gemachte Strafverfahren sei von der Staatsanwaltschaft F wegen tätiger Reue des Disziplinarbeschuldigten eingestellt worden. Ungeachtet dieser Einstellung der strafgerichtlichen Verfolgungshandlungen, an welche die Disziplinarbehörden nicht gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 gebunden seien, könne es keinerlei Zweifeln unterliegen, dass der Beschwerdeführer mit diesem überaus gravierenden außerdienstlichen Fehlverhalten, das er während eines Tatzeitraumes von mehr als zwei Monaten wiederholte Male an den Tag gelegt habe, gegen seine in § 43 Abs. 2 BDG 1979 normierte Dienstpflicht verstoßen habe. Dies werde in der Berufung im Ergebnis auch nicht substanziell in Abrede gestellt. Der von der Judikatur geforderte Dienstbezug der hier in Rede stehenden, vom beschuldigten Beamten zielgerichtet gesetzten Verhaltensweisen liege ohne Frage vor, habe dieser durch sein diesbezüglich mehrfaches deliktisches Vorgehen doch gerade eines jener Rechtsgüter (fremdes Vermögen) schwerstens verletzt, dessen Wahrung ihm in Ausübung seines Dienstes als Exekutivbeamter in besonderem Maß auferlegt sei.

Hinsichtlich des Spruchpunktes 2. setzte die belangte Behörde fort, der Beschwerdeführer habe eingestanden, dass er in dem mit dem Kreditkarten-Unternehmen A-GmbH geführten Schriftverkehr wiederholt einen den Tatsachen nicht entsprechenden Bericht über seine triste finanzielle und persönliche Situation gegeben habe, wobei seine Darstellungen z.T. unrichtig bzw. übertrieben ausgefallen seien, um auf diese Weise immer wieder die Aufhebung der Sperre seiner Kreditkarte bzw. die Verlängerung des ihm zur Verfügung stehenden Geldflusses zu erwirken. Zum Umstand, dass die Staatsanwaltschaft F zu diesem Sachverhalt das gegen den Beschwerdeführer wegen Betrugsvorwurfes erhobene Strafverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt habe, wurde wiederum auf § 95 Abs. 2 BDG 1979 hingewiesen und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durch seine wiederholten wahrheitswidrigen Angaben (Scheidung, Dienstunfall usw.) der Aktenlage zufolge die A-GmbH sehr wohl wiederholt (mehr als einmal) dazu veranlasst habe, die zuvor jeweils erfolgte Sperre seiner Kreditkarte wieder aufzuheben. Von der in diesem Zusammenhang beantragten Befragung eines "informierten Vertreters" von dieser Gesellschaft zur damaligen Motivation des Kreditkarten-Unternehmens hinsichtlich der zugunsten des Kunden erfolgten wiederholten Aufhebungen der unternehmensseitig zuvor erfolgten Sperren von dessen Kreditkarte sei aus prozessökonomischen Gründen Abstand zu nehmen gewesen. In Kenntnis seiner zur gleichen Zeit erdrückend gewesenen finanziellen Verhältnisse habe der Disziplinarbeschuldigte diese Vorgangsweise gewählt, um erneut bzw. weiterhin über einen Zugang zu Geldern zu verfügen, um mit diesen in erster Linie seiner Spielleidenschaft nachzukommen.

Dieses Verhalten erfülle - so die belangte Behörde weiter - aber ohne jeden Zweifel objektiv den Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979, weil durch ein derartiges konsequentes Verhalten eines Exekutivbeamten das Vertrauen der Bevölkerung in die Ordnungsgemäßheit seiner Diensterfüllung ganz empfindlich in Mitleidenschaft gezogen werde; dies bereits unabhängig von der Höhe eines durch die unrichtigen Angaben beim Kreditkarten-Unternehmen bewirkten wirtschaftlichen Schadens bzw. einer dadurch bei ihm als dessen Kunden eingetretenen monetären Bereicherung. Der von der Rechtsprechung geforderte Dienstbezug des inkriminierten außerdienstlichen Verhaltens des im Bereich der Sicherheitsverwaltung eingesetzt gewesenen Beamten sei jedenfalls gegeben.

Zur Argumentation des Beschwerdeführers in der Berufung, die (zugegebenermaßen) wahrheitswidrigen Angaben in mehreren Schreiben des Beschwerdeführers zu seiner persönlichen Situation und finanziellen Lage hätten bei der A -GmbH keinen finanziellen Schaden verursacht - dieser sei vielmehr bereits durch die Überziehung des Kontorahmens an sich entstanden - , wurde angemerkt, "dass das bereits zuvor entstanden gewesene Debit (die Verbindlichkeiten) auf dem Kreditkarten-Konto des Beschwerdeführers infolge der von ihm pflichtwidriger Weise wiederholte Male erwirkten Aufhebungen der Sperre seiner Kreditkarte noch weiter anwachsen konnte, was dieser sehr wohl zumindest billigend in Kauf nahm (Schuldform des dolus eventualis)".

Wenn der Beschwerdeführer zur subjektiven Tatseite vorbringe, im Hinblick auf seine im Tatzeitraum nicht vorhanden bzw. eingeschränkt gewesene Schuldfähigkeit wäre das Disziplinarverfahren einzustellen gewesen, und sich in diesem Zusammenhang auf die bei ihm diagnostizierte krankhafte Spielsucht und sein anlässlich eines einzelnen konkreten, viele Jahre vor dem Tatzeitraum (im Jahr 2000) stattgefundenen Vorfalles zu Tage getretenes psychiatrisch auffälliges Verhalten beziehe bzw. die Erkrankung an einer Psychose mit akuten "Schüben" geltend mache, die eine fachärztliche Behandlung erforderten, so stimme die belangte Behörde "den auf einen im angefochtenen Disziplinarerkenntnis angeführten medizinischen Fachartikel gestützten Ausführungen der Erstinstanz zu, dass eine nicht stoffgebundene Abhängigkeit (substanzgebundene Suchterkrankung) mit (forensischer) Zurechnungsunfähigkeit nicht gleichzusetzen ist."

Da sich für die belangte Behörde aus der Aktenlage auch sonst die vom beschuldigten Beamten relevierten erheblichen Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitraum, die ein schuldhaftes (vorwerfbares) Verhalten iSd § 91 BDG 1979 ausgeschlossen hätten, ebenfalls nicht ergeben hätten, könne in der Abstandnahme von der Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen-Gutachtens über den Geisteszustand des beschuldigten Beamten zur fraglichen Zeit kein Verfahrensmangel erblickt werden. Ohne dass es weiterer Ermittlungsschritte bedürfe, sei vielmehr davon auszugehen, dass der Disziplinarbeschuldigte die einzelnen Tathandlungen (Verletzungen seiner Dienstpflicht gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979) als vorsätzlich (immerhin habe er sich zu diesem Zweck ganz bewusst ein Hilfsmittel angefertigt) und daher iSd § 91 leg. cit. schuldhaft begangen zu verantworten habe.

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen zusammengefasst aus, dass "die objektive Schwere insbesondere der im Spruchpunkt 1. umschriebenen Tat sowie spezialpräventive, nicht weniger aber auch generalpräventive Gründe die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung erforderten". Durch die beiden vom Beschwerdeführer wiederholte Male begangenen Taten habe er gegen ein von der Rechtsordnung in besonderem Maß geschütztes Rechtsgut, nämlich gegen fremdes Eigentum verstoßen, dessen Schutz ihm als Polizeibeamten auferlegt gewesen sei, und dadurch ein dem Grunde nach zu missbilligendes Verhalten gesetzt, von welchem nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angenommen werde, dass dieses zur absoluten Zerstörung des Vertrauens der Allgemeinheit im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 führe bzw. führen könne; die verfahrensgegenständlichen überaus gravierenden Verstöße des Disziplinarbeschuldigten gegen die ihm als Exekutivbeamten auferlegten Dienstpflichten seien so schwerwiegend, dass er sich für eine weitere Verwendung im öffentlichen Dienst untragbar gemacht habe und die Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses für den Dienstgeber unzumutbar geworden sei.

Der beschuldigte Beamte habe durch die ihm im Spruchpunkt 1. zur Last gelegten schwerstwiegenden Verfehlungen, die sich über einen Tatzeitraum von mehr als zwei Monaten erstreckten und wiederholte direkte Angriffe gegen fremdes Eigentum darstellen, erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er gegenüber der ihn treffenden Treueverpflichtung - gemessen an der Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Exekutivbeamten - tendenziell (und nicht bloß ausnahmsweise) eine zumindest gleichgültige Einstellung besitze.

Erschwerend seien das Zusammentreffen zweier Dienstpflichtverletzungen, die mehrfache Tatbegehung sowie die langen Tatzeiträume zu werten, mildernd die ansonsten straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, seine geständige Verantwortung zum Faktum 1., seine nicht zu beanstanden gewesene Dienstausübung während insgesamt etwa acht Dienstjahren im Polizeidienst, vier Leistungsbelohnungen aus dem Jahren 2000 bis 2003 sowie "seine die Zurechnungsfähigkeit (Schuldfähigkeit) nicht ausgeschlossen habende Spielleidenschaft in den Tatzeiträumen". Die Wiedergutmachung des Schadens gegenüber dem Gastwirt G idHv EUR 600,-- und die teilweise Tilgung des aushaftenden Betrages beim Kreditkartenunternehmen A-GmbH habe nur bedingt als strafmildernd herangezogen werden können, weil diese Schritte vom ihm erst nach Entdeckung seines Vorgehens gesetzt worden seien. Was die spezialpräventive Funktion der Disziplinarstrafe betreffe, könne hier - auch wenn man dem Berufungsvorbringen folgen möchte, dass die Spielleidenschaft des beschuldigten Beamten mittlerweile erfolgreich behandelt werde - angesichts des seit Begehung der letzten der inkriminierten Straftaten verstrichenen Zeitraumes von lediglich etwas mehr als 14 Monaten derzeit jedenfalls noch keineswegs ausgeschlossen werden, dass sich dieser in Zukunft erneut einschlägig strafbar machen könnte, um auf diese Weise seinem Suchtverhalten zu folgen und zudem zu versuchen, sich aus seiner ihm ausweglos erscheinenden finanziellen Situation zu befreien. Für eine entscheidend positive Zukunftsprognose (von der Rechtsprechung werde das Vorliegen einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit gefordert, dass der Beamte künftig keine Straftaten mehr begehen werde) würden "zum gegenwärtigen Zeitpunkt - auch angesichts der im Rahmen der Strafbemessung sehr wohl Berücksichtigung findenden Milderungsgründe - noch zu wenige konkrete Anhaltspunkte vorliegen." Eine Versetzung des Disziplinarbeschuldigten komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es im Bereich der Sicherheitsexekutive keinen seiner Einstufung entsprechenden Planposten gebe, auf dem er nicht mit fremden Geldern und/oder sonstigen Vermögenswerten in Berührung kommen könne, sodass auch unter diesem Aspekt eine Rückfallstäterschaft des Beamten derzeit jedenfalls nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Nach § 93 Abs. 1 leg. cit. ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 11 StGB handelt nicht schuldhaft, wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen einer geistigen Behinderung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Mangels erkennbarer Abweichung knüpft das BDG 1979 bei den von ihm nicht definierten Deliktselementen (tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes menschliches Verhalten) am Begriffsverständnis des Allgemeinen Teils des StGB an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0126). Unter Schuld ist dabei die "Vorwerfbarkeit der Tat mit Rücksicht auf die darin liegende zu missbilligende Gesinnung des Täters" zu verstehen, die drei Komponenten umfasst: a) das biologische Schuldelement, d.h. der Täter muss voll zurechnungsfähig sein; b) das psychologische Schuldelement, d.h. der Täter muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben und c) das normative Schuldelement, d.h. dem Täter muss zugemutet werden können, dass er sich rechtmäßig verhält. Diese angeführten Elemente sind Voraussetzung für eine disziplinäre Strafbarkeit eines Verhaltens; fehlt auch nur eines dieser Elemente, so darf eine Strafe nicht verhängt werden. Liegt etwa ein (sachlicher oder persönlicher) Strafausschließungsgrund vor, hat die Tat bzw. der Täter straflos zu bleiben (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0131).

Im vorliegenden Fall erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf (teilweise) Einstellung des Disziplinarverfahrens bzw. Verhängung einer geringeren Strafe als jener der Entlassung verletzt.

Wenn der Beschwerdeführer dazu im Wesentlichen moniert, dass im Hinblick auf die in der Verhandlung bei der DK vom Bruder des Beschwerdeführers gemachten Angaben die Einholung eines psychiatrisch neurologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der allfälligen Zurechnungsunfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten geboten gewesen wäre, so kommt der Beschwerde Berechtigung zu:

Die DK hat im erstinstanzlichen Bescheid das Vorliegen einer Spielsucht bejaht und zu deren möglichen Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit auf einen Fachartikel in der Zeitschrift "Clinicum", einem Magazin für Führungskräfte in Krankenhäusern, in der Sonderausgabe 12/2005, hingewiesen, der die Ergebnisse des Konsensus-Meetings von unter der Patronanz der Gesellschaft zur Erforschung nicht stoffgebundener Abhängigkeiten enthalte und worin zum Umstand einer durch Spielsucht ausgelösten allfälligen Schuldunfähigkeit Folgendes (auszugsweise) vermerkt sei:

"In der öffentlichen Diskussion wird 'psychische Erkrankung' häufig mit 'Unzurechnungsfähigkeit' gleichgesetzt. Dieser Auffassung muss aus forensischer Sicht entgegengetreten werden. (Es folgt die Zitierung von § 11 StGB).

In der Praxis begehen spielsüchtige Personen, die straffällig werden, häufig Geldbeschaffungsdelikte wie Betrug, Diebstahl, Raubüberfälle etc. Bei suchtkranken Personen muss man - mit Ausnahmen von akuten Rauschzuständen bei Substanzabhängigkeit - zwar von einer herabgesetzten Steuerungsfähigkeit bzw. Impulskontrolle ausgehen, was jedoch rechtlich keineswegs mit einer Unzurechnungsfähigkeit im Sinne des Strafgesetzes gleichzusetzen ist.

Komorbide Störungen im Zusammenhang mit Spielsucht, wie z. B. organisch bedingte Persönlichkeitsveränderungen, können zu einer Einschränkung des Dispositionsvermögens, selten auch bis hin zur Unzurechnungsfähigkeit, führen. Eine andere mögliche Komorbidität sind endogene Psychosen, wo z.B. in akuten manischen Phasen eine Zurechnungsfähigkeit nicht gegeben sein wird. In symptomfreien Intervallen bzw. leichten Residualzuständen besteht oft nur ein eingeschränktes Diskretions- und Dispositionsvermögen."

Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung vorgebracht, es seien die Strafbemessung berührende Umstände der Schuldfrage unberücksichtigt geblieben, da seine Zurechnungsfähigkeit in den Tatzeitpunkten infolge seiner "im Verfahren hervorgekommenen krankhaften Spielsucht sowie der mehrfach erwähnten Psychosen", welche durch einen erwähnten (früheren) Vorfall akut geworden seien und akute Psychoseschübe verursachen würden, durch Einholung eines "Sachbefundes über den Geisteszustand des Disziplinarbeschuldigten" zu prüfen gewesen wäre. Dazu verweist er auf das Protokoll der Verhandlung bei der DK, worin festgehalten wurde: "Der Beschuldigte litt offensichtlich an einer schweren psychischen Erkrankung und musste psychiatrisch betreut werden"; weiters auf die in der Verhandlung gemachten Angaben des Bruders des Beschwerdeführers über das Vorliegen psychischer Beeinträchtigungen.

Die belangte Behörde hält diesem Berufungsvorbringen lediglich die auf den zitierten Fachartikel gestützte Ansicht der DK entgegen, dass eine nicht stoffgebundene Abhängigkeit (substanzgebundene Suchterkrankung) mit (forensischer) Zurechnungsunfähigkeit nicht gleichzusetzen sei. Ohne sich mit den Angaben des Beschwerdeführers ("ich habe akute Psychoseschübe") bzw. seines Bruders in der Verhandlung bei der DK (die nicht nur im zeitlichen Umfeld mit der erstmaligen Behandlung der Krankheit im Jahr 2000 sondern auch für danach für eine psychische Beeinträchtigung in Abhängigkeit von der Einnahme der notwendigen Medikamente sprechen) näher auseinanderzusetzen, schloss die belangte Behörde Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers in den Tatzeitpunkten aus.

Dabei verkennt sie, dass es sich bei der Beurteilung, ob beim Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Spielleidenschaft - welche von der belangten Behörde auch als strafmildernd gewertet wird - auch eine psychische Erkrankung mit Beeinträchtigung seiner Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit zu den relevanten Tatzeiten vorgelegen habe, um eine medizinische Frage handelt, die nicht ohne Sachkenntnis und bloß auf Grund eigener Wahrnehmung umfassend beantwortet werden konnte (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/09/0394, und , Zl. 2005/09/0155). Die fehlende Sachkenntnis kann im vorliegenden Fall auch nicht durch die Heranziehung des von der DK ins Treffen geführten Fachartikels kompensiert werden. Im Übrigen ist auch anzumerken, dass selbst in diesem Artikel "komorbide Störungen" im Zusammenhang mit Spielsucht sehr wohl als die Dispositionsfähigkeit einschränkend (bis hin zur Unzurechnungsfähigkeit) gesehen werden, eine diesbezügliche Abklärung, ob dies im vorliegenden Fall allenfalls durch Hinzutreten solcher anderer Faktoren gegeben sein könnte, aber ausbleibt.

Durch die Unterlassung der Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie zur Rechtsfrage, ob zu den Zeitpunkten der Begehung der Dienstpflichtverletzungen die Zurechnungsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten gegeben war, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; er war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am