VwGH vom 01.03.2017, Ra 2017/03/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl LVwG-AV-755/002-2016, betreffend ein Waffenverbot (Mitbeteiligter: R W, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Graben 42), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Mit Mandatsbescheid vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Amstetten (BH) über den Mitbeteiligten ein Waffenverbot nach § 12 Waffengesetz 1996 (WaffG), das - nach Vorstellung des Mitbeteiligten - mit Bescheid der BH vom bestätigt wurde.
2 Begründend sah es die Behörde als erwiesen an, dass der Mitbeteiligte (ein Jäger, der über entsprechende Jagdwaffen verfügte) im Zeitraum vom bis in Abständen von mehreren Wochen bzw Monaten den neuen Lebenspartner seiner geschiedenen Frau mehrfach mit Äußerungen wie "I da schieß di", "I stich di ab" oder "des Gewehr hab i eh schon geladen" bedroht habe. Überdies habe die Schwester des Mitbeteiligten dessen Jagdwaffe Anfang April 2016 dem Jagdleiter des Jagdgebiets S übergeben, weil sie befürchtet habe, dass sich der Mitbeteiligte wegen der gescheiterten Ehe damit etwas antun werde. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts sah die BH die Voraussetzungen für ein Waffenverbot als gegeben an.
3 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und hob den Bescheid der BH auf. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG für nicht zulässig.
4 Auch das LVwG stellte fest, dass der Mitbeteiligte die von der BH festgestellten Drohungen gegen den neuen Lebenspartner seiner früheren Ehefrau ausgesprochen hatte. Am habe jedoch ein außergerichtlicher Tatausgleich stattgefunden, bei dem sich die beiden Männer ausgesprochen hätten und sich der Mitbeteiligte für sein Fehlverhalten entschuldigt habe. Er befinde sich auch laufend in einer psychotherapeutischen Behandlung.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das LVwG aus, dass der Mitbeteiligte zwar in schwer alkoholisiertem Zustand Drohungen gegen den neuen Lebenspartner seiner geschiedenen Frau ausgesprochen habe, jedoch niemals den Versuch unternommen habe, diese Drohungen auch zu verwirklichen. Er habe sein Fehlverhalten mittlerweile eingesehen und es habe eine Aussprache mit seinem Widersacher im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleichs gegeben. Der Mitbeteiligte befinde sich außerdem freiwillig laufend in psychotherapeutischer Therapie. Er habe in der Verhandlung gezeigt, dass er die Vorfälle bereue und von ihm keine Gefahr mehr ausgehe. Es sei somit nicht mehr anzunehmen, dass er künftig Waffen missbräuchlich verwenden werde, weshalb es des Waffenverbots nicht mehr bedürfe.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Amtsrevision, in der zusammengefasst geltend gemacht wird, dass das LVwG von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Verhängung eines Waffenverbotes abgewichen sei. Das LVwG habe zum einen unberücksichtigt gelassen, dass die Schwester des Mitbeteiligten aufgrund eines von ihm angekündigten Suizids dessen Waffen außer Haus gebracht habe, und zum anderen nicht hinreichend gewürdigt, dass der Mitbeteiligte über einen Zeitraum von nahezu drei Jahren wiederholt Drohungen mit dem Umbringen gegen den neuen Lebenspartner seiner früheren Ehefrau ausgesprochen hatte. Ausgehend davon sei ein Beobachtungszeitraum von nur etwa acht Monaten zwischen den letzten Anlasstaten und der angefochtenen Entscheidung zu kurz, um eine positive Prognose für den Revisionswerber abgeben zu können, woran auch die vom LVwG genannten Umstände (Eingeständnis des Fehlverhaltens, Tatausgleich und psychotherapeutische Behandlung) nichts änderten.
7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er zum einen die Zulässigkeit der Revision verneinte, weil es sich bloß um eine Einzelfallbeurteilung handle. Zum anderen führte er aus, dass die Beurteilung des LVwG richtig gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe nicht festgestellt, dass der Mitbeteiligte einen Suizid angekündigt habe, und es sei auch nicht - wie die BH -
von mehrfachen massiven Drohungen des Mitbeteiligten über einen Zeitraum von drei Jahren ausgegangen. Vielmehr habe es berücksichtigt, dass der Mitbeteiligte tatsächlich niemals gewalttätig geworden sei, seine Drohungen nicht ernst gemeint habe und sich gesetzestreu verhalten wolle.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung ist das LVwG, wie im Folgenden auszuführen sein wird, in der vorliegenden Entscheidung von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Verhängung eines Waffenverbots abgewichen. Die Revision erweist sich daher im Sinne der Zulassungsbegründung der BH als zulässig und im Ergebnis auch als begründet.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist (vgl etwa , mit weiteren Nachweisen).
10 Die Bedrohung eines Menschen mit dem Erschießen stellt eine "konkrete Tatsache" im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG dar, die ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotenzials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag (vgl etwa Zl 2005/03/0039, mwN). Aber auch andere massive Drohungen mit Gewalttaten erlauben die für die Verhängung des Waffenverbots erforderliche Gefährdungsprognose (vgl etwa ).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, dass ernsthafte Selbstmordabsichten die Verhängung eines Waffenverbots rechtfertigen. Derartige Absichten müssen sich aber nicht nur bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, sondern auch noch bei Erlassung des Waffenverbots durch die entscheidende Behörde feststellen lassen, um die Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG nachvollziehbar zu machen (vgl etwa , mit weiteren Nachweisen).
12 Im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Waffenverbots wegen Wegfalls der dafür gegebenen Gründe nach § 12 Abs 7 WaffG hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Behörde unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Betroffenen seit seiner Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes zu prüfen hat, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs 1 WaffG noch aufrecht ist. Bei einem Wohlverhalten des Betroffenen zwischen der Anlasstat und dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Aufhebung des Waffenverbots muss dieser Beobachtungszeitraum ausreichend lang sein, um vom Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbotes ausgehen zu können. Im Hinblick auf den dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren ist auch hier ein strenger Maßstab anzulegen. Bei der Wahl des Beobachtungszeitraums sind stets die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wozu die Bedachtnahme auf Art und zeitliches Ausmaß der Anlasstat gehört (vgl etwa ).
13 Nichts anderes gilt dann, wenn - wie im Revisionsfall - im Rechtsmittelweg zu beurteilen ist, ob im Zeitpunkt der Erlassung der Rechtsmittelentscheidung weiterhin eine Prognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG gerechtfertigt ist. Auch in diesem Fall muss also ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens verstrichen sein, um der einstigen Anlasstat das entscheidende Gewicht zu nehmen und damit zu einer für den Betroffenen günstigeren Prognose zu gelangen (vgl etwa , mit weiteren Nachweisen).
14 Werden diese rechtlichen Leitlinien aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf den vorliegenden Fall angewandt, so ist zunächst festzuhalten, dass die über einen langen Zeitraum und wiederholt ausgesprochenen Drohungen des Mitbeteiligten gegen den neuen Lebenspartner seiner früheren Ehefrau eine Befürchtung der missbräuchlichen Verwendung von Waffen im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG rechtfertigten. Sie waren von ihrem Inhalt her geeignet, eine Fremdgefährdung anzunehmen, und es bestehen - entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbeantwortung - keine ausreichenden Hinweise dafür, sie als nicht ernst gemeint zu qualifizieren. Darauf lässt sich weder aus dem Umstand, dass der Mitbeteiligte bei der Äußerung der Drohungen schwer alkoholisiert war, noch aus der Tatsache, dass er sie anschließend nicht sogleich wahr gemacht hatte, schließen. Im Gegenteil spricht für die Ernsthaftigkeit der Äußerungen auch, dass der Bedrohte sich tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt gesehen und deshalb auch eine polizeiliche Anzeige erstattet hatte.
15 Hinzu kommt, dass die BH die Verhängung des Waffenverbots auch auf eine mögliche Eigengefährdung des Mitbeteiligten gestützt hatte, indem sie davon ausging, dass die Schwester des Mitbeteiligten dessen Jagdwaffen Anfang April 2016 außer Haus geschafft hatte, weil sie befürchtet hatte, der Mitbeteiligte könnte sich damit etwas antun. Mit diesem Sachverhaltselement hat sich das LVwG nicht beschäftigt, es hat - entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbeantwortung - auch nicht festgestellt, dass sich dieses Geschehen nicht ereignet hätte bzw es keine Hinweise für einen Suizidgefahr beim Mitbeteiligten gegeben hat.
16 Somit ist als Zwischenergebnis davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Verhängung des Waffenverbotes durch die BH aufgrund der Anlasstaten bis April 2016 jedenfalls wegen Fremdgefährdung, möglicherweise aber auch wegen Eigengefährdung des Mitbeteiligten gegeben waren.
17 Das LVwG hatte daher zu berücksichtigen, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung knapp acht Monate nach den letzten Anlasstaten ausreichende Hinweise dafür vorlagen, dass die qualifizierte Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG nicht mehr besteht.
18 In diesem Zusammenhang ist der Amtsrevision Recht zu geben, dass der Beobachtungszeitraum von nur acht Monaten sehr kurz war und eine verlässliche positive Prognose zugunsten des Mitbeteiligten überhaupt nur dann rechtfertigen konnte, wenn genügend gesicherte Umstände auf den Wegfall der für die Verhängung des Waffenverbots maßgeblichen Gründe schließen ließen. Solche Umstände lagen aber im vorliegenden Fall nicht vor. Das LVwG begnügte sich bei seiner positiven Zukunftsprognose im Wesentlichen mit der Aussage des Mitbeteiligten, sich für die getätigten Äußerungen zu entschuldigen, nun keine Probleme mehr mit dem neuen Lebenspartner seiner früheren Ehefrau zu haben, in laufender Therapie zu sein und Alkohol nur mehr in Maßen zu trinken. Es ließ sich weder die behauptete Therapie und ihren Erfolg nachweisen, beurteilte - wie zuvor bereits erwähnt - nicht die mögliche Selbstgefährdung des Mitbeteiligten und hinterfragte auch nicht, in welcher Häufigkeit und Menge der Mitbeteiligte noch immer Alkohol konsumiert (ein Umstand, der in der Vergangenheit aufgrund seiner enthemmenden Wirkung offenbar seine Aggressivität in hohem Maße gesteigert hatte). Dass die Anzeige des Bedrohten zu einer Diversion geführt hatte, aufgrund derer - wie auch der Bedrohte bestätigte - derzeit keine Streitigkeiten zwischen den Männern mehr bestehen, mag zwar zutreffen. Diesbezüglich ist allerdings der vorliegende Beobachtungszeitraum von nur acht Monaten angesichts eines davor über mehrere Jahre bestehenden Konfliktes noch zu kurz, um für sich genommen gesichert eine positive Prognose im Sinne von § 12 Abs 1 WaffG stellen zu können.
19 Aus diesen Gründen erweisen sich die vom LVwG getätigten Ermittlungen und die darauf beruhenden Sachverhaltsfeststellungen als unzureichend, um im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom Wegfall der für die Verhängung des Waffenverbots durch die BH gegebenen Gründe ausgehen zu können.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am