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VwGH vom 30.04.2008, 2005/04/0078

VwGH vom 30.04.2008, 2005/04/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 34/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom , Zl. BMWA-320.644/5003-I/9/2004, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: B, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in 6332 Kufstein, Josef-Egger-Straße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte der Landeshauptmann von Tirol der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 74 Abs. 2, 77 Abs. 1 und 334 Z 4 GewO 1973 die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Beschneiungsanlage für näher genannte Schipisten in Scheffau.

Mit Antrag vom ersuchte die Mitbeteiligte, ihr die gewerbebehördliche Genehmigung auch für eine Beschneiungsanlage für die Talabfahrt Scheffau zu erteilen, mit Schriftsatz vom ersuchte sie überdies um die Genehmigung zur Pistenpräparierung mit näher genannten Pistengeräten. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom wurde gemäß den §§ 81 und § 334 Z 4 GewO 1994 die beantragte Erweiterung der Betriebsanlage unter Auflagen genehmigt.

Gegen den letztgenannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer als Nachbar Berufung, die mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde. In der Begründung gab die belangte Behörde das Verfahrensgeschehen, die maßgebenden Rechtsvorschriften sowie die Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen des gewerbetechnischen sowie des medizinischen Amtssachverständigen wieder und führte dann lediglich aus, sie folge mit ihrer Entscheidung den eindeutigen, klaren und ausführlichen Darlegungen des technischen Sachverständigen. Aus diesen ergebe sich, dass bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen und Beschreibungen mit keiner Beeinträchtigung des Beschwerdeführers zu rechnen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom , B 1604/04-7, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde ergänzt, die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, die belangte Behörde habe als sachlich unzuständige Behörde entschieden. Der Instanzenzug ende in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG dann beim Bundesminister, wenn der Landeshauptmann zur Entscheidung in erster Instanz zuständig gewesen sei. Letzteres sei aber gegenständlich nicht der Fall, weil der Landeshauptmann die Zuständigkeit zur Genehmigung der Betriebsanlage gemäß § 334 Z. 4 GewO 1994 - im vorliegenden Fall erstrecke sich die Betriebsanlage nicht über zwei Verwaltungsbezirke - zu Unrecht angenommen habe. Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, dass die belangte Behörde gemäß Art. 103 Abs. 4 letzter Satz B-VG jedenfalls zuständig war, über die Berufung des Beschwerdeführers zu entscheiden, weil es hierbei nicht darauf ankommt, welche Behörde den Erstbescheid hätte erlassen sollen, sondern von welcher Behörde er tatsächlich erlassen wurde (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 43 zu § 63 AVG referierte Judikatur). Im Fall der Unzuständigkeit der Erstbehörde hätte die belangte Behörde den Erstbescheid aufheben müssen, doch lagen die Voraussetzungen dafür gegenständlich nicht vor: Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem für die Zuständigkeit der Erstbehörde maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides (das war nach der Aktenlage der ) die Tatbestandsvoraussetzungen des § 334 Z. 4 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, erfüllt waren, ob sich also die Betriebsanlage über zwei oder mehrere Verwaltungsbezirke eines Bundeslandes erstreckt hat (wofür weder im Erstbescheid noch in der Aktenlage ausreichende Anhaltspunkte zu finden sind). Die Zuständigkeit des Landeshauptmannes als Gewerbebehörde erster Instanz ergibt sich gegenständlich nämlich schon aus § 334 Z. 7 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, weil die Beschneiungsanlage und die damit verbundene Wasserentnahme einer wasserrechtlichen Bewilligung bedurfte, die nach der Aktenlage mit Bescheid des Landeshauptmannes vom gemäß u.a. § 99 Abs. 1 lit. c WRG erteilt worden war. Unerheblich ist auch, ob die wasserrechtliche Genehmigung des Landeshauptmannes nur die ursprüngliche Beschneiungsanlage oder auch die gegenständliche Erweiterung dieser Anlage betraf. Hat nämlich der Landeshauptmann eine Betriebsanlage als gemäß § 334 Z. 7 GewO 1994 sachlich zuständige Behörde erster Instanz genehmigt, so ist er auch in allen weiteren, nicht der Bezirksverwaltungsbehörde vorbehaltenen, betriebsanlagenrechtlichen Verfahren betreffend diese Betriebsanlage sachlich zuständige Behörde erster Instanz (vgl. Kinscher/Sedlak, Die Gewerbeordnung, 19966, Anm. 16 zu § 334 sowie zum Zweck der Verfahrenskonzentration der Z 7 dieser Bestimmung etwa Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO, Rz 14 zu § 334).

Mit seinen weiteren Beschwerdeausführungen wendet sich der Beschwerdeführer nicht gegen die im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Beurteilung der Lärmsituation durch den gewerbetechnischen bzw. medizinischen Sachverständigen. Er bringt vielmehr vor, dass er im Verwaltungsverfahren mehrfach, so auch in der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am , die Gefährdung seines Eigentums geltend gemacht habe und dass sich die belangte Behörde daher mit dieser Frage hätte auseinander setzen müssen. Durch die Erweiterung der Beschneiungsanlage sei es ihm nicht mehr möglich, seinen Bergbauernhof bzw. die zugehörigen land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu bewirtschaften. Zum einen diene die von der Beschneiungsanlage erfasste Talabfahrt der Schipiste gleichzeitig als Hofzufahrt. Durch die Beschneiungsanlage könne diese Talabfahrt künftig um mehr als zwei Monate länger als Schipiste verwendet werden, sodass dem Beschwerdeführer die Hofzufahrt künftig sechs Monate lang, nämlich von Mitte November bis Anfang Mai, verwehrt sei. Lastkraftwagen könnten sogar erst wieder Mitte Mai zu seinem Hof zufahren. Zum anderen bewirke das wesentlich langsamere Abschmelzen der Kunstschnee-Eissockel eine verkürzte Vegetationsperiode der Bergwiesen, wodurch das Graswachstum für eine "zweite Mahd im August" nicht mehr ausreiche. Mit diesem Vorbringen habe sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinander gesetzt, obwohl der Beschwerdeführer diese Einwendungen mehrfach vorgebracht habe und obwohl schon in einer Stellungnahme der Landesforstdirektion Tirol vom die Eigentumsgefährdung aufgezeigt worden sei. Die unterbliebene Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen sei auch deshalb unverständlich, weil die belangte Behörde mit Bescheid vom gemäß § 354 GewO 1994 einen Versuchsbetrieb gerade zu dem Zweck genehmigt habe, um die Frage der Gefährdung des Eigentums des Beschwerdeführers klären zu können.

Dieses Vorbringen ist zielführend:

Die Einwendungen des Beschwerdeführers in der Verhandlung vom betreffend Gefährdung seines Eigentums (AS. 325) und sein diesbezügliches Vorbringen vom hat die Erstbehörde im Bescheid vom (siehe dort S. 31) deshalb als rechtlich unerheblich eingestuft, weil sie meinte, dass nach den eingeholten Gutachten, darunter jenes der Landesforstdirektion vom , weder ein Substanzverlust noch die gänzliche Unmöglichkeit der üblichen Nutzung zu befürchten seien. In Wahrheit aber gelangte die Landesforstdirektion im genannten Gutachten (AS. 394 f) zu dem Ergebnis, dass nicht nur Beeinträchtigungen des Ertrages der Liegenschaft sondern auch "der sinnvollen Nutzung der Grundstücke während der Wintersaison und damit der ortsüblichen Nutzungsweise des Waldes gegeben" seien. "Eventuelle Auflagen zur Verminderung oder Beseitigung der aufgezeigten Eigentumsgefährdungen" könnten laut Sachverständigem noch nicht genannt werden. In der Berufungsverhandlung der belangten Behörde vom präzisierte der Beschwerdeführer die ihm drohende Eigentumsgefährdung in ähnlicher Weise wie im zitierten Beschwerdevorbringen und führte aus, dass durch die Erweiterung der Betriebsanlage die notwendige und übliche Bewirtschaftung während der Wintermonate wie die Düngung, Holzbringung und Waldpflege gänzlich verhindert würden, was zu einem Substanzverlust führe.

Mit dem bereits erwähnten Bescheid vom genehmigte die belangte Behörde gemäß § 354 GewO 1994 einen Versuchsbetrieb für die gegenständliche Erweiterung der Beschneiungsanlage samt Pistenpräparierung. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das Ergebnis des Versuchsbetriebes sei für die Berufungsentscheidung "von wesentlicher Bedeutung, weil so geklärt werden könne, ob die Genehmigung des Ansuchens die Gefährdung des Eigentums" des Beschwerdeführers bedeuten würde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 nur gesprochen werden, wenn dieses in seiner Substanz bedroht ist bzw. wenn der Betrieb der Betriebsanlage jedwede Nutzung des Eigentums unmöglich machen würde. Letzteres ist bereits dann der Fall, wenn die nach der Verkehrsanschauung übliche bestimmungsgemäße Nutzung oder Verwertung ausgeschlossen ist. Ob ein landwirtschaftlicher Betrieb durch die Beeinträchtigung des Ertrages in seiner Substanz bedroht ist, ist auf dem Boden eines agrartechnischen Sachverständigengutachtens zu beurteilen (vgl. zum Ganzen die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, unter Rz. 24 zu § 74 referierte Judikatur).

Der Beschwerdeführer hat in konkreter und denkmöglicher Weise dargetan, dass die Genehmigung der Änderung der in Rede stehenden Betriebsanlage zu einer Gefährdung seines Eigentums im genannten Sinne führen könnte. Seine Befürchtungen werden nicht nur durch die genannte forsttechnische Stellungnahme vom gestützt, sondern auch durch die Begründung des Bescheides der belangten Behörde betreffend die Genehmigung eines Versuchsbetriebes. Vor diesem Hintergrund stellt es einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde zur Frage der Eigentumsgefährdung des Beschwerdeführers keine weiteren Ermittlungen angestellt hat und in der Begründung ihres Bescheides mit keinem Wort auf diese Frage eingegangen ist. Soweit die belangte Behörde aber in der Gegenschrift darauf hinweist, sie habe den Einwand der Eigentumsgefährdung bereits in der Verhandlung vom auf den Zivilrechtsweg verwiesen, so übersieht sie, dass die in Rede stehende Einwendung damit nicht formal erledigt war. Durch die Verweisung von Einwendungen auf den Zivilrechtsweg wird bloß zum Ausdruck gebracht, dass sich die Behörde zur Behandlung dieser Einwendungen nicht für zuständig erachtet, eine Zurückweisung der Einwendungen ist damit aber nicht verbunden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 531/68, und vom , Zl. 137/71).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Pauschalbeträge der genannten Verordnung die Mehrwertsteuer bereits beinhalten.

Wien, am