VwGH vom 18.03.2013, 2010/05/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der R GmbH in Wien, vertreten durch die Dr. Johannes Hock sen., Dr. Johannes Hock jun., Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1- BR-966/001-2008, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Baden in 2500 Baden, Hauptplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch des Bestandsobjekts und den Neubau einer Wohnhaus- und Geschäftsanlage auf dem Grundstück Nr. 692, KG Baden, Gutenbrunnerstraße 14.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom wies der Stadtrat der Stadtgemeinde Baden dieses Ansuchen in Anwendung des § 20 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, bereits die Vorprüfung des Vorhabens habe ergeben, dass das Projekt, welches nach dem Bebauungsplan innerhalb der "Schutzzone-Gutenbrunnerpark I" liege, nicht den örtlichen Bebauungsbestimmungen entspreche. Entgegen den Schutzzonenvorschriften, nach welchen "Öffnungen (Fenster, Türen, etc.) in zum Park gerichteten Gebäude(-teilen) sowie Dachgaupen und Dachflächenfenster in Richtung Park unzulässig" seien, weise das Projekt sowohl in nördlicher als auch in westlicher Richtung Tür- und Fensterelemente, zum Teil auf zwei Geschoßebenen, auf. Der Gemeinderat habe bereits am eine Bausperre für den Bereich "Gutenbrunner Park" beschlossen, aus deren Text eindeutig hervorgegangen sei, dass sie zur Vermeidung der Errichtung von Fenstern an der Grundstücksgrenze zum Gutenbrunner Park erlassen worden sei. Dies sei notwendig geworden, weil die historische Verpflichtung, an Grundstücksgrenzen fensterlose Brandmauern zu errichten, u.a. bei angrenzenden Parkanlagen angesichts der in der Bautechnikverordnung vorgesehenen diesbezüglichen Ausnahme nicht mehr bestehe. Überdies sei es durch den im Jahr 2004 eingeführten § 364 Abs. 3 ABGB dem Grundstückseigentümer ermöglicht worden, einem Nachbarn die von dessen Bäumen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht insoweit zu untersagen, als dadurch die Benützung des Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt werde. Am habe der Gemeinderat die Änderung des Bebauungsplans beschlossen, welcher nach seiner Kundmachung durch Aushang von
16. bis am in Kraft getreten sei. Gleichzeitig sei die Bausperre außer Kraft getreten. Die Überprüfung des Bebauungsplans durch die Niederösterreichische Landesregierung habe ergeben, dass dieser ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Obwohl der Bauwerberin diese Bebauungsbestimmungen bekannt gewesen seien, widerspreche ihnen das eingereichte Projekt, weshalb der Antrag abgewiesen werde.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung, in der im Wesentlichen die Bebauungsbestimmungen kritisiert wurden, wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen zunächst bei ihm gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG erhobenen Beschwerde nach Durchführung eines Vorverfahrens mit Beschluss vom , B 1489/08-7, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofs wurde die Beschwerde ergänzt. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Maßgebend sind im vorliegenden Fall folgende Bestimmungen der BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 8200-17 (auszugsweise):
"§ 20
Vorprüfung
(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben
1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone,
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2. | der Bebauungsplan, |
3. | eine Bausperre, |
4. | … |
… | |
entgegensteht. | |
… |
(2) … .
(3) Wenn die Baubehörde eines der im Abs. 1 angeführten Hindernisse feststellt, hat sie den Antrag abzuweisen. ...
...
§ 23
Baubewilligung
(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.
Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht. ...
…
§ 73
Änderung des Bebauungsplans
(1) Der Bebauungsplan ist dem geänderten örtlichen Raumordnungsprogramm anzupassen, wenn seine Festlegungen von der Änderung berührt werden.
Der Bebauungsplan darf abgeändert oder durch einen neuen ersetzt werden
1. wegen wesentlicher Änderung der Planungsgrundlagen in Folge struktureller Entwicklung oder
…
4. wenn die gesetzlichen Bestimmungen über den Regelungsinhalt geändert wurden.
…"
Gemäß § 51 Z 1 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung 1997 sind Außenwände an einer Grundstücksgrenze als Brandwände (welche nach § 50 Abs. 4 leg.cit. öffnungslos sein müssen) zu errichten, sofern nicht das angrenzende Grundstück als Verkehrsfläche, Parkanlage oder Grüngürtel gewidmet oder ein Gewässer (mindestens 5 m breit) ist.
Nach § 364 Abs. 3 ABGB kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das Maß des Abs. 2 (i.e. das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß) überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen.
Die am beschlossene Änderung des Bebauungsplans lautet auszugsweise:
"1.12 Schutzzone 'Gutenbrunner Park I':
Gutenbrunner Straße 14 und Schlossergässchen 2 bis
14:
1.12.1. …
1.12.2 Gebäudeöffnungen:
Öffnungen (Fenster, Türen, etc.) in zum Park gerichteten Gebäude(-teilen) sowie Dachgaupen und Dachflächenfenster in Richtung Park sind unzulässig.
1.13 Schutzzone 'Gutenbrunner Park II':
Rollettgasse 3-11, Schlossergäßchen 16 und Pelzgasse 4-12
1.13.1 Gebäudeöffnungen:
Öffnungen (Fenster, Türen, etc.) in zum Park gerichteten Gebäude(-teilen) sowie Dachgaupen und Dachflächenfenster in Richtung Park sind erst ab einem Abstand von 5 Meter von der parkseitigen Grundstücksgrenze zulässig."
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Soweit die Beschwerdeführerin auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend macht, die in § 73 Abs. 1 BO angeführten Änderungsanlässe lägen nicht vor, der Bebauungsplan sei in unsachlicher und willkürlicher Weise (u.a. wegen ungleicher Festlegungen für die Schutzzonen "Gutenbrunner Park I" und "Gutenbrunner Park II") nach einer nicht gesetzmäßigen Grundlagenforschung entstanden und daher gesetzwidrig, weshalb der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, ist ihr der zitierte Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom entgegenzuhalten. Der Verfassungsgerichtshof führte darin zur in der Beschwerde behaupteten Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes Folgendes aus:
"1. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Abänderung des Bebauungsplanes bzw. der Bebauungsvorschriften, wonach u. a. Öffnungen in zum Park gerichteten Gebäude(n)-teilen sowie Dachgauben und Dachflächenfenster in Richtung Park für unzulässig erklärt werden, waren gemäß § 73 NÖ BO 1996 gegeben:
Die vorgenommenen Festlegungen - welchen entgegen dem Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft eine umfassende und hinreichende Grundlagenforschung vorangegangen ist - dienen nach den Ausführungen im Erläuterungsbericht zur Hintanhaltung von Dachgeschoßausbauten und zur Erhaltung der Charakteristik des 'Gutenbrunner Parks' sowie dessen angrenzender Bebauung (Z 1 leg.cit.).
Darüber hinaus war es - nach In-Kraft-Treten des § 364 Abs. 3 ABGB - notwendig, Vorkehrungen für den Schutz des historischen Baumbestandes im 'Gutenbrunner Park' zu treffen (Z 4 leg.cit.).
2. Auf Grund der strukturellen Vielfalt der Planungsgegenstände innerhalb des 'Gutenbrunner Parks' erscheint es nicht als unsachlich für die beiden Schutzzonen unterschiedliche Festlegungen betreffend die Errichtung von Gebäudeöffnungen vorzusehen."
An der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes sind auch beim Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel entstanden und er schließt sich den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes an.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr Projekt sehe "keine Öffnungen in gesetzlichen Brandwänden" vor, ist vor dem Hintergrund des Bebauungsplanes, welcher Öffnungen Richtung Park nicht nur in Brandmauern, sondern in jeglicher Art von Gebäudeteilen verbietet, nicht zielführend.
Die Beschwerdeführerin bringt schließlich vor, die Anwendung der Bebauungsvorschriften sei "nicht schlüssig" erfolgt, da ihr Zweck - nämlich der Schutz des Baumbestandes im Gutenbrunner Park -
nicht erfüllt werde. Dies ergebe sich aus den der Beschwerde beigelegten Fotos, auf denen ersichtlich sei, dass Bäume im Park "mittlerweile" gefällt und geschnitten worden seien. Abgesehen davon, dass sich dieses Argument wiederum gegen die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans richtet, bezieht es sich offenbar auf einen nach Erlassung des angefochtenen Bescheides vom entstandenen Sachverhalt (die der Beschwerde beigelegten Fotos wurden weder im Bau- noch im Vorstellungsverfahren vorgelegt) und unterliegt daher dem sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbot.
3. Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am