VwGH vom 06.09.2011, 2010/05/0017
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der B in V, vertreten durch Dr. Alexander Schoeller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 1/2, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-310/09, betreffend Erteilung eines Bauauftrages (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft in Wien 11, H.gasse 8 und 10. In der am in Abwesenheit der Beschwerdeführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde von einem Sachverständigen der Baubehörde erster Instanz folgender Sachverhalt festgestellt:
"Auf der gegenständlichen Liegenschaft im 11. Bezirk" … "befinden sich zwei Bauwerke, die im Verlauf der inne liegenden Grundstücksgrenze zwischen den Grundstück Nr. 652 und .651 angebaut wurden. An der Straßenfront wird das Bauwerk 1 auf Grundstück Nr. 651 und das Bauwerk 2 auf Grundstück Nr. 652 augenscheinlich erfasst.
Bauwerk 1 auf Grundstück Nr. 651:
Am gegenständlichen Bauwerk wurde ohne vorerwirkter baubehördlicher Bewilligung der gesamte Dachboden für Wohnzwecke ausgebaut. Dabei wurde die Dachform sowie die Gebäudehöhe abgeändert und durch das errichten von div. Trenn- und Scheidewänden Wohneinheiten geschaffen. Die maximale Höhe des Bauwerks beträgt straßenseitig ca. 8,00 m. Zudem wurden entlang der linken Grundgrenze zur Nachbarliegenschaft … Stiegen hergestellt, um den Zutritt zu den neu geschaffenen Räumlichkeiten im Dachgeschoß zu gewähren. Weiters wurden im Erdgeschoß ohne vorerwirkter baubehördlicher Bewilligung Scheidewände in der Form und Lage abgeändert und neue Raumaufteilungen geschaffen. Zudem wurden hof- sowie straßenseitig Fensteröffnungen ausgemauert bzw. neu geschaffen und in den neu geschaffenen Dachflächen einige Fenster eingebaut.
(Bildaufnahmen)
Bauwerk 2 auf Grundstück Nr. 652:
Am gegenständlichen Bauwerk wurde ohne vorerwirkter baubehördlicher Bewilligung der gesamte Dachboden für Wohnzwecke ausgebaut. Dabei wurde die Dachform sowie die Gebäudehöhe abgeändert und durch das errichten von div. Trenn- und Scheidewänden Wohneinheiten geschaffen. Die maximale Höhe des Bauwerks beträgt straßenseitig ca. 9,00 m. Zudem wurde ein Teil des Hofs mittels einer Tramdeckenähnlichen Holzkonstruktion begehbar überdacht. Begehbar deswegen, da der darüberliegend und dadurch entstandene Laubengang die Zugänglichkeit zu den neu geschaffenen Räumlichkeiten im Dachgeschoß gewährt bzw. gewähren soll. Weiters wurden in den neu geschaffenen Dachflächen einige Fenster eingebaut.
(Bildaufnahmen)"
In der Folge erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, mit Bescheid vom der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) folgenden Auftrag:
"1.) Sämtliche Zubauten und baulichen Änderungen am Bauwerk auf Grundstück Nr. 651, welche ohne vorerwirkter baubehördlicher Bewilligung hergestellt wurden sind zu beseitigen und der konsensgemäße Zustand ist herstellen zu lassen.
2.) Sämtliche Zubauten und baulichen Änderungen am Bauwerk auf Grundstück Nr. 652, welche ohne vorerwirkter baubehördlicher Bewilligung hergestellt wurden sind zu beseitigen und der konsensgemäße Zustand ist herstellen zu lassen.
Die Maßnahmen sind binnen 6 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Vertreter habe mit Schreiben vom die Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragt. Diesem Antrag sei nicht stattgegeben worden, sodass die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit erhalten habe, in diesem Verfahren Stellung zu nehmen. Die Zustellung des Bescheides sei rechtswidrig erfolgt, da spätestens seit Einschreiten des Rechtsvertreters am das Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben worden sei. Das auf der gegenständlichen Liegenschaft befindliche Gebäude sei in seiner ursprünglichen Form bereits zweistöckig gewesen, sodass durch die derzeitige Bauführung keine zusätzlichen Flächen geschaffen worden seien. Die vorgenommenen Umbauten lägen im Rahmen des bestehenden Konsenses.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens, der anzuwendenden Rechtsvorschriften und der maßgeblichen Judikatur im Wesentlichen aus, dass die durchgeführten Baumaßnahmen, die zum Teil auch auf den im Akt erliegenden Fotos erkennbar seien, nicht im Rahmen des bestehenden Konsenses lägen. Dadurch, dass entsprechend den Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen die Gebäudehöhe verändert worden sei, liege eine Vergrößerung des Gebäudes und ein bewilligungspflichtiger Zubau gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO vor. Die Herstellung und Abmauerung von Fensteröffnungen und der Einbau von Dachflächenfenstern bewirke eine Veränderung der Außenhaut und somit des äußeren Ansehens des Gebäudes, sodass diese baulichen Änderungen ebenso wie die Änderung der Dachform, die Herstellung von Außenstiegen und eines Laubenganges der Bewilligungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO unterliegen würden. Die Herstellung von Außenstiegen sei zudem jedenfalls gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO bewilligungspflichtig, zumal dabei - schon um eine gesicherte und gefahrlose Benützung der Stiegen zu gewährleisten - neben einer kraftschlüssigen Verbindung auch ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich seien und öffentliche Rücksichten berührt werden würden. Die Errichtung bzw. Änderung von Trenn- und Scheidewänden im Inneren der beiden Gebäude stellten jedenfalls anzeigepflichtige Änderungen dar. Somit bedürften die gegenständlichen, im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Baumaßnahmen einer Genehmigung bzw. einer Anzeige.
Den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Verfahrensfehlern hielt die belangte Behörde entgegen, selbst wenn man davon ausginge, dass mit dem Schreiben vom ein Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben worden sei, sei der behauptete Zustellmangel zumindest als geheilt zu betrachten, weil der erstinstanzliche Bescheid dem Vertreter der Beschwerdeführerin am tatsächlich zugekommen sei. Der Beschwerdeführerin sei der Zeitraum vom bis zur Verfügung gestanden, um Vorkehrungen für die Teilnahme eines (bevollmächtigten) Vertreters an der mündlichen Verhandlung zu treffen. Jedenfalls wäre die behauptete Verletzung in ihrem Recht auf Parteiengehör als geheilt anzusehen, weil die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegeben und ihr diese mit der Bescheidzustellung zur Kenntnis gebracht worden seien, wodurch sie mit der Berufung Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
6. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6.1. Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden (vgl. dazu sowie zum Folgenden das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0162, mwH). Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung ist im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach auch keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage. Selbst ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch hindert die Erlassung eines solchen Auftrages nicht, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung und nach der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung nicht (mehr) vollstreckt werden.
Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -
Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist.
6.2. Die belangte Behörde hat sich in Bezug auf die als bewilligungspflichtig beurteilten Baumaßnahmen auf § 60 Abs. 1 lit. a bis c BO gestützt, wonach - soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a BO zur Anwendung kommen - für Zubauten (lit. a) bzw. für die Errichtung aller sonstigen baulichen Anlagen über oder unter der Erde, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine kraftschlüssige Verbindung gebracht werden und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sind, öffentliche Rücksichten zu berühren (lit. b) bzw. für die Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, durch die (u.a.) das äußere Ansehen geändert wird (lit. c), vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken ist. Hinsichtlich der als anzeigepflichtig angesehenen Maßnahmen bezog sie sich offenkundig auf § 62 Abs. 1 Z. 4 BO, wonach für alle sonstigen Bauführungen, die keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirken, nicht die Umwidmung von Wohnungen betreffen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösen, eine Bauanzeige genügt.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Einklang mit der dargestellten Rechtslage schlüssig dargelegt, dass die von der Beschwerdeführerin unbestritten durchgeführten baulichen Maßnahmen bewilligungs- bzw. anzeigepflichtig sind. Die Beschwerdeführerin tritt diesen Ausführungen der belangten Behörde nicht konkret entgegen. Mit dem bloßen Hinweis, schon der Konsens sei zweistöckig, wird die Feststellung, die Gebäudehöhe sei verändert worden (und betrage jetzt 8,00 m bzw. 9,00 m), nicht in Frage gestellt, geschweige denn widerlegt. Auch zu den Fensteröffnungen wird überhaupt nicht Stellung genommen.
Der Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO erging daher zu Recht.
Bemerkt wird, dass die Beschwerde trotz des Begehrens, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zu beheben, keine Ausführungen dazu enthält, worin die Beschwerdeführerin eine inhaltliche Rechtswidrigkeit dieses Bescheides zu erblicken vermeint.
6.3. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel liegen ebenfalls nicht vor. Die in der mündlichen Verhandlung erstattete Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen wurde im erstinstanzlichen Bescheid wörtlich wiedergegeben, sodass eine in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung des Parteiengehörs nicht gegeben ist. Aus welchen Gründen es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sein soll, zu diesen Ausführungen in ihrer Berufung Stellung zu nehmen, legt die Beschwerde nicht dar. Soweit sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorwurf, von der belangten Behörde nicht zur Präzisierung und Konkretisierung ihres Vorbringens aufgefordert worden zu sein, auf eine Verletzung der Manuduktionspflicht bezieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie bereits im Verwaltungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten war und die Manuduktionspflicht iSd § 13a AVG somit nicht verletzt sein kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0070, mwN). Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit den Voraussetzungen für die Erlassung des gegenständlichen Bauauftrages ausreichend auseinander gesetzt, weshalb auch der von der Beschwerde behauptete Begründungsmangel nicht vorliegt. Im Übrigen zeigt die Beschwerdeführerin die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht auf, weil sie nicht darlegt, auf Grund welcher Beweiserhebungen die belangte Behörde zu welchem anderen Ergebnis hätte kommen sollen.
6.4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-72204