VwGH 05.12.2017, Ra 2017/02/0252
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Im Falle eines nunmehr mit Beschwerde an das VwG zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat der Gesetzgeber in § 43 VwGVG 2014 dieselbe fünfzehnmonatige Frist festgelegt, wie sie zuvor in § 51 Abs 7 VStG statuiert war. Die Neuordnung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und damit verbunden der Zuständigkeitsübergang für das nunmehr zu beurteilende Verwaltungsstrafverfahren auf das VwG ändert nichts an dem aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl E ) gebotenen Anspruch auf Entscheidung über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen ein Straferkenntnis binnen angemessener Frist. Vor diesem Hintergrund ist daher § 43 VwGVG 2014 dahin auszulegen, dass ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlangen (bei der Verwaltungsbehörde I. Instanz) der nun als Beschwerde zu beurteilenden (rechtzeitig eingebrachten und zulässigen) Berufung 15 Monate vergangen sind. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/02/0106 E RS 1 |
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RS 2 | Entscheidet das VwG über ein nach Ablauf der fünfzehnmonatigen Frist des § 43 Abs 1 VwGVG 2014 als aufgehoben geltendes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet das VwG dadurch seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl zu § 51 Abs 7 VStG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung das hg E , Ro 2014/02/0025). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/02/0106 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des U, vertreten durch Dr. Metin Akyürek, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Köstlergasse 1/23, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-808/001-2014, betreffend Übertretung des KFG, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.381/A) erforderlich, dass eine revisionswerbende Partei schon in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihr behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt.
3 Im vorliegenden Fall enthält der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Begründung, sodass mangels Darlegung eines unverhältnismäßigen Nachteils im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt (vgl. , mwN).
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des D in W, vertreten durch Dr. Metin Akyürek, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Köstlergasse 1/23, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-808/001-2014, betreffend Übertretungen des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber wegen Übertretung des KFG (Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom , Zl. NKS2-V-13 15474/5) eingestellt wird.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom wurde der Revisionswerber dreier Übertretungen des KFG für schuldig erkannt. Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Berufung langte am bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen ein.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die als Beschwerde zu wertende Berufung als unbegründet ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Revision mit dem Antrag, es kostenpflichtig aufzuheben.
4 Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/02/0106, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber im Fall eines nunmehr mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses in § 43 VwGVG dieselbe 15-monatige Frist festgelegt hat, wie sie zuvor in § 51 Abs. 7 VStG statuiert war. Die Neuordnung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und damit verbunden der Zuständigkeitsübergang für das nunmehr zu beurteilende Verwaltungsstrafverfahren auf das Verwaltungsgericht ändert nichts an dem aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl. , u.a.) gebotenen Anspruch auf Entscheidung über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen ein Straferkenntnis binnen angemessener Frist. Vor diesem Hintergrund ist daher § 43 VwGVG dahin auszulegen, dass ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlagen (bei der Verwaltungsbehörde I. Instanz) der nun als Beschwerde zu beurteilenden (rechtzeitig eingebrachten und zulässigen) Berufung 15 Monate vergangen sind ().
9 Im vorliegenden Revisionsfall endet die 15-monatige Entscheidungsfrist - ausgehend vom Einlangen der Berufung am - am (einem Montag, der kein gesetzlicher Feiertag war oder ein anderer Tag, an dem der Ablauf der Frist gemäß § 33 Abs. 2 AVG gehemmt gewesen wäre). Dass die Berufung nicht rechtzeitig eingebracht oder aus anderen Gründen nicht zulässig gewesen wäre, wird von den Verfahrensparteien nicht vorgebracht und geht auch aus den vorgelegten Akten nicht hervor. Ebensowenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Zeiten zu berücksichtigen gewesen wären, die gemäß § 43 Abs. 2 VwGVG bzw. § 51 Abs. 7 zweiter Satz VStG in die Frist nicht einzurechnen wären.
10 Die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses erfolgte nicht innerhalb dieser Frist (Zustellung an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen und an den Revisionswerber am ).
11 Entscheidet das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - über ein nach Ablauf der 15-monatigen Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG als aufgehoben geltendes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet es dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes ().
12 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies trifft im vorliegenden Fall zu.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber gemäß § 43 VwGVG einzustellen ist, weil das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis bereits mit Ablauf des außer Kraft getreten ist.
14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017020252.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAE-72200