VwGH vom 06.09.2011, 2010/05/0012

VwGH vom 06.09.2011, 2010/05/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Dr. EED in K, vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 449/09, betreffend Einwendungen gegen eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: H Gesellschaft mbH in Salzburg, vertreten durch Ploil Krepp Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 4; weitere Partei:

Wiener Landesregierung), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.489,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauansuchen vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses für eine Behindertengemeinschaft auf der Liegenschaft Wien, Estraße 80. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft Estraße 78.

Das Bauvorhaben soll direkt an die gemeinsame Grundgrenze der Liegenschaften Estraße 78 und Estraße 80 angebaut werden. Für beide Liegenschaften ist die offene oder gekuppelte Bauweise festgesetzt.

Bei der mündlichen Bauverhandlung am brachte der Beschwerdeführer vor, er erteile für die Errichtung des Wohngebäudes in gekuppelter Bauweise an seiner Grundgrenze keine Zustimmung. Auf seiner Liegenschaft sei nicht in gekuppelter Bauweise gebaut worden. Es sei lediglich neben dem Hauptgebäude im Jahr 1907 eine Garage direkt an der westlichen Grundgrenze errichtet worden. Das Garagengebäude stelle ein Nebengebäude dar, an das eine Kupplung nicht zulässig sei.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung mehrerer Auflagen erteilt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, da der Nachbar nicht zugestimmt habe, sei zu prüfen, ob eine Anbauverpflichtung nach § 76 Abs. 7 der Bauordnung für Wien (BO) vorliege. Nach dem zweiten Fall der genannten Bestimmung bestehe eine Anbauverpflichtung auch dann, wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an die gemeinsame Grundgrenze gebaut werden dürfe. Es komme somit nicht darauf an, dass der Nachbar die offene Bauweise gewählt habe, sondern ob er unter Bedachtnahme auf von ihm zu wahrende Anbauverpflichtungen noch berechtigt wäre, an die gemeinsame Grundgrenze anzubauen. Auf der Nachbarliegenschaft des Beschwerdeführers dürfe mangels anderer Anbauverpflichtung an die Liegenschaftsgrenze des Baugrundstückes angebaut werden. Somit lägen für die Bauwerberin die gesetzlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines Gebäudes in gekuppelter Bauweise entsprechend § 76 Abs. 7 BO vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Die Berufungsbehörde holte eine Stellungnahme der Magistratsabteilung 37, Baupolizei, vom sein. Darin wurde ausgeführt, dass die Liegenschaft Estraße Nr. 76 (Anmerkung: also jene, die die andere seitliche Nachbarliegenschaft zur Liegenschaft des Beschwerdeführers darstellt) unverbaut und ohne gültige Baubewilligung sei. Das Hauptgebäude auf der Liegenschaft Estraße 78 (Anmerkung: dies ist die Liegenschaft des Beschwerdeführers) sei in offener Bauweise errichtet worden. Verpflichtende Voraussetzungen für einen Anbau lägen nicht vor.

Zu dieser Äußerung der Magistratsabteilung 37 gab der Beschwerdeführer eine ablehnende Stellungnahme vom ab.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe rechtzeitig Einwendungen im Sinne des § 134a BO erhoben und sei daher Partei im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren. Da das Bauansuchen am bei der Baupolizei eingelangt sei, sei § 76 BO idF vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 anzuwenden. Art. III Abs. 1 und 2 der genannten Novelle bestimme, dass diese einen Monat nach ihrer Kundmachung () in Kraft trete und die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen für im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits anhängige Verfahren weiter gälten. § 76 Abs. 7 BO sehe eine Verpflichtung zum Anbauen vor, wenn der Nachbar bereits an diese Bauplatzgrenze angebaut habe oder wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an die gemeinsame Grundgrenze gebaut werden dürfe. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Nachbar die offene Bauweise gewählt habe, sondern ob er unter Bedachtnahme auf von ihm zu wahrende Anbauverpflichtungen noch berechtigt wäre, an die gemeinsame Grundgrenze anzubauen. Der Beschwerdeführer übersehe, dass an die Nachbargrenze angebaut werden müsse, wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an diese Grundgrenze gebaut werden dürfe. Aus der Stellungnahme der Magistratsabteilung 37 vom gehe hervor, dass die Liegenschaft Estraße 76 unverbaut und ohne gültige Baubewilligung sei und das Hauptgebäude auf der Liegenschaft Estraße 78 in offener Bauweise mit einer Kleingarage im Seitenabstand errichtet worden sei. Daraus folge aber, dass für die Liegenschaft des Beschwerdeführers Estraße 78 keine Anbauverpflichtung nach § 76 Abs. 7 BO an der östlichen (also der Bauliegenschaft abgewandten) Seite bestehe. Der Beschwerdeführer sei daher als Eigentümer der Liegenschaft Estraße 78 grundsätzlich noch berechtigt, an die mit dem Grundstück der Bauwerberin gemeinsame Grundgrenze anzubauen. Dies bedeute aber, dass gemäß § 76 Abs. 7 zweiter Fall BO in der hier maßgebenden Fassung für die Bauwerberin eine Verpflichtung zum Anbauen bestehe. Eine Versagung der Baubewilligung auf Grund der fehlenden Zustimmung des Beschwerdeführers würde zu Unrecht erfolgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, gemäß § 76 Abs. 7 zweiter Fall BO müsse in Gebieten der offenen oder gekuppelten Bauweise an die Nachbargrenze angebaut werden, wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an diese Grundgrenze gebaut werden dürfe. Hiebei sei folglich § 76 Abs. 4 BO anzuwenden, da dies die einzige Bestimmung darstelle, die normiere, wann bei einer offenen oder gekuppelten Bauweise an eine Bauplatzgrenze angebaut werden dürfe. § 76 Abs. 4 BO sehe aber die Zustimmung des Nachbarn vor. Bei der Zustimmung handle es sich nicht um eine solche für den Einzelfall, sondern um eine Zustimmung zur gekuppelten Bauweise, sodass diese durch eine gemeinsame Entscheidung festgelegte Regelung auch für künftige Bauvorhaben Geltung habe. Die "Zustimmung" könne nicht einseitig von der Bauwerberin erteilt werden. In den Antragsunterlagen liege überhaupt keine Zustimmungserklärung, geschweige denn eine gemeinsame Entscheidung der Liegenschaftseigentümer, wonach der Beschwerdeführer seinerseits ein Hauptgebäude an der gemeinsamen Liegenschaftsgrenze errichten dürfte.

Sieht der Bebauungsplan die offene oder gekuppelte Bauweise vor, so darf das Gebäude gemäß § 76 Abs. 4 BO an eine Bauplatzgrenze angebaut werden, wenn der Eigentümer des an diese Bauplatzgrenze anrainenden, bereits bestehenden oder noch zu schaffenden Bauplatzes zustimmt.

Gemäß § 76 Abs. 7 BO idF vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 muss in Gebieten der offenen bzw. offenen oder gekuppelten Bauweise an die Nachbargrenze angebaut werden, wenn der Nachbar an diese Bauplatzgrenze bereits angebaut hat oder wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an diese Grundgrenze gebaut werden darf.

Da im Beschwerdefall der Nachbar nicht im Sinne des § 76 Abs. 4 BO zugestimmt hat, war zu prüfen, ob eine Anbauverpflichtung nach einem der beiden Tatbestände des § 76 Abs. 7 BO vorliegt. Nach dem ersten dort genannten Fall kommt es darauf an, ob der Nachbar an diese Bauplatzgrenze bereits angebaut hat. Im gegenständlichen Fall ist ein Anbau durch ein Garagengebäude gegeben. § 76 BO hat aber nur die Situierung von Hauptgebäuden, nicht aber von Nebengebäuden bzw. von Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen im Auge, weil diesbezüglich in § 82 BO bzw. § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes besondere Regelungen bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0266). Der erste Fall des § 76 Abs. 7 BO kommt daher nicht zum Tragen.

Nach dem zweiten Fall des § 76 Abs. 7 BO besteht eine Anbauverpflichtung aber auch dann, wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an diese Grundgrenze angebaut werden darf. Es kommt somit nicht darauf an, dass der Nachbar die offene Bauweise gewählt hat, sondern ob er unter Bedachtnahme auf von ihm zu wahrende Anbauverpflichtungen noch berechtigt wäre, an die gemeinsame Grundgrenze anzubauen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde, aus denen sich ergibt, dass für ihn keine andere seitliche Anbauverpflichtung, nämlich an die Liegenschaft Estraße 76 besteht. Damit ist aber die belangte Behörde im Recht, dass der Beschwerdeführer mangels anderweitiger seitlicher Anbauverpflichtung seitlich jedenfalls auch an die Bauliegenschaft anbauen darf. Auf Grund dessen besteht somit jedoch eine Anbauverpflichtung für die Bauwerberin gemäß dem zweiten Fall des § 76 Abs. 7 BO.

Wenn der Beschwerdeführer seinerseits ein Hauptgebäude neu errichten wollte, hätte er nach der hier maßgebenden Rechtslage bereits auf Grund des § 76 Abs. 7 erster Fall BO die Verpflichtung, an die Nachbargrenze anzubauen, ohne dass es dafür noch einer Zustimmung der Bauwerberin als Nachbarin im Sinne des § 76 Abs. 4 BO bedürfte.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am