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VwGH vom 27.01.2010, 2007/21/0350

VwGH vom 27.01.2010, 2007/21/0350

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der K, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Abuja vom , Zl. 4.220/221/2007, betreffend Visum, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Kamerun, stellte am bei der Österreichischen Botschaft Abuja (der belangten Behörde) einen formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines für die Dauer von 31 Tagen gültigen Visums. Als Reisezweck gab sie an, ihren in Österreich lebenden Freund, Rechtsanwalt Dr. B, besuchen zu wollen. Dem Antrag wurde neben einer Verpflichtungserklärung ihres Freundes u.a. die Bestätigung der Buchung eines Fluges von Douala nach Wien (via Paris) für den sowie des Rückfluges von Wien nach Douala (ebenfalls via Paris) für den beigelegt.

Am hielt die belangte Behörde in einem Aktenvermerk fest, die Beschwerdeführerin habe angegeben, als Model tätig und mit dem sie einladenden Dr. B verlobt zu sein. Dieser schicke ihr Geld; eine Eheschließung sei allerdings derzeit nicht geplant. Die Beschwerdeführerin habe kein geregeltes Einkommen und lebe bei ihren Eltern. Es sei die Beziehung zum einladenden Dr. B unklar. Aus diesem Grund veranlasste die belangte Behörde die Durchführung einer Erhebung durch das Bundesministerium für Inneres. Im Anschluss wurde der belangte Behörde vom Bundesministerium für Inneres mitgeteilt, die Wiederausreise der Beschwerdeführerin sei nicht gesichert. Ein Ergebnis der in Österreich vorgenommenen Erhebungen ist nicht aktenkundig.

Mit Schreiben vom gab die belangte Behörde der Beschwerdeführerin bekannt, es bestehe Grund zur Annahme, dass sie das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde, weil sie nicht überzeugend habe nachweisen können, dass sie feste, familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihrem derzeitigen Wohnsitz habe. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

In ihrer daraufhin ergangenen Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin aus, die Annahme der belangten Behörde sei nicht gerechtfertigt. Sie wohne seit ihrer Geburt an ihrem derzeitigen Wohnsitz in Douala. Auch ihre gesamte Familie sei in Douala aufhältig und wohnhaft. Sie habe vier Brüder und zwei Schwestern, wobei sie mit ihrem jüngeren Bruder und einer ihrer Schwestern im gemeinsamen Haushalt bei ihren Eltern wohne, was auch dem traditionsverbundenen Familienempfinden in Afrika entspreche. Ihr Vater sei in Kamerun ein angesehener Mitarbeiter der staatlichen Eisenbahngesellschaft gewesen und befinde sich nunmehr im Ruhestand. Er beziehe auf Grund seiner früheren Tätigkeit eine staatliche Alterspension. Auch zu jenen Brüdern, die nicht mehr im elterlichen Haushalt lebten, bestehe ein enger sozialer Kontakt, zumal diese in unmittelbarer Umgebung des elterlichen Haushalts wohnhaft seien. Die Beschwerdeführerin habe eine einer österreichischen Gymnasialausbildung vergleichbare Schulausbildung absolviert und sei zum Besuch der Universität in Kamerun uneingeschränkt berechtigt. Sie habe lediglich deshalb von einer universitären Ausbildung Abstand genommen, weil sie schon während ihrer Schulzeit eine Ausbildung für Mannequins begonnen und abgeschlossen habe. Sie sei derzeit auch als Mannequin tätig und werde von einer (näher bezeichneten) Modeagentur betreut. Ihre Dienstleistungen würden hauptsächlich bei Modeschauen oder gesellschaftlichen Anlässen in Anspruch genommen und über die genannte Agentur gebucht. Die einzelnen Aufträge seien nicht vorhersehbar und von durchgeführten Veranstaltungen abhängig, jedoch könne ungeachtet dessen von einer gewissen Regelmäßigkeit der Beschäftigung, die sich auf das gesamte Gebiet Kameruns erstrecke, ausgegangen werden. Weiters habe die Beschwerdeführerin einen Rahmenvertrag mit einem Unternehmen zur Abwicklung von Filmproduktionen abgeschlossen, von dem sie ebenfalls in unregelmäßigen Intervallen für Filmproduktionen, insbesondere solche für typisch afrikanische "Sitkoms", beschäftigt werde. So sei sie etwa kürzlich bei einer Fernsehfilmproduktion tätig gewesen. Zum Nachweis für ihr Vorbringen legte sie der belangten Behörde die Kopie ihres Abschlussdiploms betreffend die Ausbildung zum Mannequin sowie Ausdrucke aus der Homepage der von ihr angeführten Modeagentur vor, aus denen ersichtlich ist, dass die Beschwerdeführerin bei dieser als Mannequin geführt wird.

Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, dass hinsichtlich der geplanten Reisezeit eine Änderung "wegen Zeitablaufs" (gemeint: im Hinblick auf das damals noch nicht abgeschlossene behördliche Verfahren) stattgefunden habe. Diesbezüglich lägen neue Flugbuchungen vor.

Darüber hinaus erstattete auch der die Einladung aussprechende Dr. B, der mittlerweile von der Beschwerdeführerin mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt wurde, eine Stellungnahme, in der er ebenfalls auf den nunmehr geänderten Zeitraum der Urlaubsreise hinwies. Weiters legte er Kopien der auf Grund der Änderung der Reisedaten neuen Flugbuchungen (Flug nach Wien am sowie Rückflug von Wien nach Douala am ) vor. Darüber hinaus betonte er, dass ihm mit Blick auf seine seit zwanzig Jahren währende Berufserfahrung und Tätigkeit als Rechtsanwalt wohl unterstellt werden könne, dass er keinesfalls Personen einlade, die sich nicht rechtmäßig verhalten würden, sowie dass er alle Vorkehrungen getroffen habe, um den sachlichen und rechtlichen Erfordernissen der Einladung zu entsprechen.

Ungeachtet dieser Stellungnahmen wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordruckes ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (die Wiederausreise der Beschwerdeführerin erscheine gesichert) als nicht erfüllt erachtete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Wie dargestellt, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 1 Z 2 FPG begründet. Das allein stellt freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel dar, genügt es demnach doch (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG), dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0104, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung zur Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 FPG, es dürfe nicht ohne Weiteres ("generell") unterstellt werden, dass Fremde - mag es auch einzelne Gesichtspunkte geben, die auf ein Naheverhältnis zu Österreich oder auf eine bloß "lockere" Verbindung zum Herkunftsland hinweisen - unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin in Österreich (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werden. Es bedürfte vielmehr konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung, andernfalls werde davon auszugehen sein, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheine. Liegen entsprechende Anhaltspunkte für den Verdacht eines Verbleibens in Österreich über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus vor, hat die Behörde diese im Rahmen ihrer aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG resultierenden Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs gegenüber dem Fremden konkret darzulegen, wonach es dessen Sache ist, die sich daraus ergebenden Bedenken durch unter Beweis zu stellendes geeignetes Vorbringen zu zerstreuen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0629, mwN).

Die belangte Behörde führt dazu in ihrer Gegenschrift aus, in Würdigung des "gesamten vorliegenden Sachverhaltes" sei sie insbesondere auf Grund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin keine ausreichenden familiären und wirtschaftlichen Bindungen im Heimatland nachweisen habe können, zu dem Schluss gekommen, dass die Wiederausreise nicht gesichert erscheine. Dem Akteninhalt ist dazu zu entnehmen, dass dies in erster Linie darauf zurückgeführt wurde, dass die Beschwerdeführerin nach Ansicht der belangten Behörde nicht habe nachweisen können, dass sie in Kamerun über ein regelmäßiges eigenes Einkommen verfüge.

Die behördliche Bewertung stellt sich als nicht nachvollziehbar dar. Die belangte Behörde zog das Bestehen der von der Beschwerdeführerin behaupteten familiären Bindungen in ihrem Heimatstaat nicht in Zweifel. Weiters ging die belangte Behörde auch von der Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Tätigkeit aus. Jedoch bezweifelte sie, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich daraus ein ausreichendes eigenes Einkommen erwirtschafte. Dazu führte allerdings die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Stellungnahme aus, bei ihren Eltern zu leben, sowie dass ihr Vater als Familienerhalter über ein ausreichendes Einkommen (aus einer staatlichen Alterspension) verfüge, so dass sie in ihrem Heimatland eine gesicherte Lebensgrundlage aufweise.

Der bloße Umstand, dass die - noch im Elternhaus lebende - Beschwerdeführerin aus ihrer Tätigkeit (noch) kein regelmäßiges Einkommen erwirtschaftet, stellt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für sich kein ausreichend konkretes Indiz dafür dar, sie werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des begehrten Visums in Österreich verbleiben, zumal der Unterhalt der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland durch das Einkommen ihres Vaters gesichert erscheint (siehe zur vergleichbaren Situation einer im Heimatland bei ihren Eltern wohnenden, über kein eigenes Einkommen verfügenden Studentin das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0241, sowie jenes vom , Zl. 2008/21/0629). Hingegen spricht die von der Beschwerdeführerin vor Antritt der Reise vorgenommene (infolge Verschiebung der Reisedaten zweimalige) Buchung eines Rückflug in ihr Heimatland gegen die Annahme der belangten Behörde (vgl. zur Relevanz derselben das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0427, mwN).

Sollte die belangte Behörde, worauf - kursorische - Hinweise im Verwaltungsakt zu finden sind, in Anbetracht dessen, dass die Beschwerdeführerin angegeben hat, mit Dr. B, den sie zu besuchen beabsichtigt, verlobt zu sein, die Befürchtung gehegt haben, sie könnte möglicherweise nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums das Bundesgebiet nicht wieder verlassen, so ist dazu ein konkreter Vorhalt seitens der belangten Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin nie erfolgt, sodass diese nicht die Möglichkeit hatte, diese Befürchtung zu entkräften (vgl. zur Verpflichtung zu konkret fallbezogenen Vorhalten die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/22/0626, und , Zl. 2008/21/0629). Darüber hinaus betonten allerdings die Beschwerdeführerin und ihr Freund schon aus eigenem, dass eine Eheschließung aktuell nicht ins Auge gefasst sei und es für die Reise der Beschwerdeführerin aus Gründen der Tradition, die eingehalten worden sei, des Einverständnisses ihrer Eltern bedurft habe, die nicht erteilt worden wäre, wenn die Beschwerdeführerin vorgehabt hätte, nicht mehr nach Kamerun zurückzukehren. Dass aber konkrete Hinweise für die Wahrheitswidrigkeit dieser Angaben - sei es gegenüber der Behörde, sei es gegenüber den Eltern des Beschwerdeführerin - vorhanden gewesen wären, ist weder dem vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen noch wurden solche von der belangten Behörde näher dargelegt.

Da nach dem Gesagten die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-72175