VwGH vom 22.05.2012, 2010/04/0139
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2012/04/0063
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4/Top 1, gegen 1.) den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Salzburg vom , Zl. 20001-SVKS/25/29-2010, und 2.) den "Beschluss" des Vergabekontrollsenates des Landes Salzburg vom , Zl. 20001-SVKS/25/30-2010, jeweils betreffend ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei:
Stadtgemeinde Salzburg in 5020 Salzburg, Schloss Mirabell; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der erstangefochtene Bescheid und der zweitangefochtene Bescheid ("Beschluss") werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.652,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligte (Auftraggeberin) schrieb mit Bekanntmachung vom die Planung und Errichtung eines Pflegewohnhauses für ein näher bezeichnetes Seniorenheim durch einen Totalunternehmer im Wege eines nicht offenen Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung aus.
Gegen diese Bekanntmachung brachte der Beschwerdeführer im März 2004 einen Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 16 Abs. 1 Salzburger Vergabekontrollgesetz, LGBl. Nr. 103/2002 (S.VKG 2002), ein.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag ab.
Auf Grund einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0104, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Im fortgesetzten Verfahren brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den Schriftsatz vom ein, in dem er zunächst unter Bezugnahme auf das zitierte aufhebende hg. Erkenntnis darauf hinwies, dass auf Grund der Übergangsvorschrift des § 38 Abs. 3 Salzburger Vergabekontrollgesetz 2007 (S.VKG 2007) für das fortzusetzende Verfahren weiterhin die Bestimmungen des S.VKG 2002 gelten würden. Der Beschwerdeführer nehme an, dass die im Jahr 2004 angefochtene Ausschreibung mittlerweile durch Zuschlagserteilung oder Widerruf beendet worden sei. Er rege daher an, bei der Auftraggeberin zu erheben, ob dies zutreffe. Wenn ein Zuschlag oder Widerruf vorliege, habe die belangte Behörde gemäß § 27 Abs. 2 S.VKG 2002 festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung der Auftraggeberin rechtswidrig gewesen sei. Es werde darauf hingewiesen, dass es für eine derartige Feststellung keines gesonderten Antrags des Beschwerdeführers bedürfe. Im Übrigen stelle der Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 5 S.VKG 2002 den Antrag auf Ersatz der von ihm für den Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühren durch den Ausspruch, dass die Auftraggeberin schuldig sei, die vom Beschwerdeführer entrichteten Pauschalgebühren in näher bezeichneter Höhe binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren zurück.
Begründend führte sie aus, dass der Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren am erteilt worden sei. Am sei das S.VKG 2007 in Kraft getreten. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers sei die Übergangsvorschrift des § 38 Abs. 3 S.VKG 2007 im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden, weil die genannte Vergabesache zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht bei der belangten Behörde anhängig gewesen sei. Es sei daher im vorliegenden Fall bereits das S.VKG 2007 anzuwenden. Nach § 32 Abs. 4 S.VKG 2007 wäre das Nachprüfungsverfahren vor der belangten Behörde (nach Zuschlagserteilung) nur über (fristgerechten) Antrag des Beschwerdeführers als Feststellungsverfahren weiter zu führen gewesen. Ein dieser Bestimmung entsprechender Antrag sei vom Beschwerdeführer aber nicht eingebracht worden. Da mangels Feststellungsantrag über die Hauptsache nicht abgesprochen werden könne, sei der Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren zurückzuweisen.
Mit "Beschluss" vom (zweitangefochtene Erledigung) stellte die belangte Behörde das Nachprüfungsverfahren ein.
Zur Begründung verwies sie - unter Hinweis auf die Rechtsgrundlagen der §§ 38 und 32 S.VKG 2007 und auf den bisherigen Verfahrensverlauf - darauf, dass das vorliegende Verfahren nach dem S.VKG 2007 abzuschließen sei und ein dem § 32 Abs. 4 S.VKG 2007 entsprechender Antrag vom Beschwerdeführer nicht eingebracht worden sei. Das Verfahren sei daher einzustellen. Diesen "Beschluss" stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer und der Auftraggeberin zu.
Gegen die genannten beiden Entscheidungen der belangten Behörde wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete - wie auch die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 38 Abs. 3 des am in Kraft getretenen S.VKG 2007, LGBl. Nr. 28/2007, sind im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes beim Vergabekontrollsenat anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des "im Abs. 2 genannten Gesetzes" (S.VKG 2002) fortzuführen.
Im vorliegenden Fall wurde der im ersten Rechtsgang ergangene Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der Nachprüfungsantrag des Beschwerdeführers vom März 2004 in Anwendung des S.VKG 2002 abgewiesen worden war, mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0104, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG trat die Rechtssache dadurch in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Die mit dieser Bestimmung angeordnete ex-tunc-Wirkung von aufhebenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes hat zur Folge, dass der Rechtszustand im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid nie erlassen worden wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0185, mwN). Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren ist daher so zu behandeln, als wäre es im Zeitpunkt des Inkrafttretens des S.VKG 2007 bei der belangten Behörde anhängig gewesen. Dass der Gesetzgeber mit der Übergangsvorschrift des § 38 Abs. 3 S.VKG 2007 eine davon abweichende (gegenüber dem § 42 Abs. 3 VwGG speziellere) Regelung schaffen wollte, ergibt sich weder aus dem Wortlaut dieser Norm noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. RV 171 BlgLT 13. GP).
Der Beschwerdeführer ist daher im Recht, wenn er geltend macht, dass für das gegenständliche Verfahren gemäß § 38 Abs. 3 S.VKG 2007 noch die Vorschriften des S.VKG 2002 zur Anwendung kommen.
2. Ausgehend davon ist die Regelung des § 32 Abs. 4 S.VKG 2007, die vorsieht, dass ein Verfahren vor der belangten Behörde "formlos einzustellen" ist, wenn nach einem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes in einem Nachprüfungsverfahren und einer mittlerweile erfolgten Zuschlagserteilung kein (fristgerechter) Antrag auf Fortführung des Nachprüfungsverfahrens als Feststellungsverfahren gestellt wird, im vorliegenden Fall nicht maßgeblich.
Anzuwenden ist vielmehr § 27 Abs. 2 S.VKG 2002, wonach der Vergabekontrollsenat (belangte Behörde) nach einem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes in einem Nachprüfungsverfahren und einer mittlerweile erfolgten Zuschlagserteilung unter Zugrundelegung der festgestellten Rechtsanschauung nur festzustellen hat, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war. Daraus ergibt sich, dass der ursprüngliche, auf Nichtigerklärung der Auftraggeberentscheidung gerichtete Antrag des Beschwerdeführers auch nach Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom aufrecht war und gemäß § 27 Abs. 2 S.VKG 2002 ex lege in einen Feststellungsantrag modifiziert wurde (vgl. zur gleichlautenden Rechtslage des § 175 Abs. 2 BVergG 2002 etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0162). Somit erforderte die hier noch anzuwendende Rechtslage keinen gesonderten Feststellungsantrag des Beschwerdeführers, sondern das Nachprüfungsverfahren "kippte" ex lege in ein Feststellungsverfahren (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0043, argumentum e contrario). Unter diesem Blickwinkel war eine (formlose) Verfahrenseinstellung nach § 32 Abs. 4 S.VKG 2007 im vorliegenden Fall nicht zulässig. Das Verfahren war vielmehr von Amts wegen weiter zu führen und zu entscheiden.
3. Auf dieser Grundlage war die mit dem erstangefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Ersatz von Pauschalgebühren rechtswidrig: Gemäß § 29 Abs. 5 S.VKG 2002 hat der vor dem Vergabekontrollsenat - wenn auch nur teilweise - obsiegende Antragsteller Anspruch auf Ersatz seiner entrichteten Gebühren durch den Antragsgegner. Vor der Entscheidung in der Hauptsache, die im gegenständlichen Fall noch aussteht, konnte über den Kostenersatz nach dieser Gesetzesstelle noch nicht entschieden werden.
4. Aus dem bisher Gesagten folgt auch, dass die mit der zweitangefochtenen Erledigung erfolgte Einstellung des Verfahrens (wegen unterbliebener Antragstellung nach § 32 Abs. 4 S.VKG 2007) nicht dem Gesetz entsprach.
5. Strittig ist im Verfahren allerdings, ob die als "Beschluss" bezeichnete zweitangefochtene Erledigung, mit der die belangte Behörde die Verfahrenseinstellung vornahm, als "Bescheid" im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG anzusehen war und daher mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden konnte.
5.1. Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, die belangte Behörde habe mit dem zweitangefochtenen "Beschluss" unmissverständlich ihren Willen zur normativen Regelung des vom Beschwerdeführer eingeleiteten Vergabekontrollverfahrens zum Ausdruck gebracht, nämlich dahingehend, dieses Verfahren einzustellen und damit keine Sachentscheidung zu fällen. Dieser Regelungswille der belangten Behörde werde nachdrücklich auch dadurch bestätigt, dass sie die Einstellung des Verfahrens in einem "Beschluss" ausgesprochen und nicht etwa in eine bloß formlose Mitteilung oder einen Aktenvermerk aufgenommen habe. Nur Letzteres ließe allenfalls noch den Schluss auf eine bloße (unrichtige) Wissenserklärung der belangten Behörde zu. Anzumerken sei auch, dass dieser "Beschluss" die wesentlichen Merkmale eines Bescheides aufweise und insbesondere einen Spruch enthalte.
5.2. Diesem Vorbringen erwidert die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift, sie habe das Verfahren gar nicht mit Bescheid einstellen können, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe. Im Gegenteil sehe, wie im zitierten Beschluss ausgeführt werde, § 32 Abs. 4 S.VKG 2007 ausdrücklich vor, dass das Verfahren formfrei einzustellen sei, wenn kein fristgerechter Feststellungsantrag gestellt werde. Nichts anderes sei mit dem Beschluss vom ausgedrückt worden.
5.3. Diesen behördlichen Erwägungen ist nicht zuzustimmen:
Es wurde bereits ausgeführt, dass die belangte Behörde zu Unrecht angenommen hat, das vorliegende Nachprüfungsverfahren sei nach den Bestimmungen des S.VKG 2007 abzuschließen. Unter Zugrundelegung dieser - unrichtigen - Rechtsauffassung wäre es zwar folgerichtig gewesen, das Nachprüfungsverfahren mangels eines entsprechenden Parteienantrags gemäß § 32 Abs. 4 S.VKG 2007 formlos einzustellen. Nach der tatsächlich anzuwendenden Rechtslage kam eine Verfahrenseinstellung aber nicht in Frage, sondern es wäre das Verfahren durch einen die Hauptsache erledigenden Bescheid zu beenden gewesen.
Die belangte Behörde wählte für die angestrebte Einstellung des Verfahrens die Form eines "Beschlusses" und bezeichnete ihre Erledigung nicht als "Bescheid". Mit Ausnahme dieser dem § 58 Abs. 1 AVG nicht entsprechenden Bezeichnung lässt ihre Erledigung nach Form und Inhalt aber keinen Zweifel daran, dass damit normativ über die im Verfahren vor der belangten Behörde strittige Frage der (amtswegigen) Fortführung des Nachprüfungsverfahrens als Feststellungsverfahren abgesprochen werden sollte, und zwar in dem Sinne, dass eine Fortsetzung des Verfahrens ohne entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers von der belangten Behörde abgelehnt wurde. Aufgrund des eindeutigen normativen Abspruches schadet die fehlende Bezeichnung als Bescheid nicht (vgl. dazu etwa die in Hengstschläger/Leeb , AVG Rz 6 zu § 58, zitierten Hinweise auf die hg. Rechtsprechung); auch der Umstand, dass eine Verfahrenseinstellung (wäre sie im vorliegenden Fall rechtens gewesen) grundsätzlich nicht bescheidmäßig zu erfolgen hat, ändert daran nichts, weil die belangte Behörde - ungeachtet dessen - eine hoheitliche, normative und außenwirksame Anordnung getroffen hat um das Verfahren aus ihrer Sicht zu beenden.
Dem Beschwerdeführer ist daher zuzustimmen, dass die zweitangefochtene Erledigung als "Bescheid" zu qualifizieren ist.
6. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am