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VwGH vom 19.05.2011, 2007/21/0321

VwGH vom 19.05.2011, 2007/21/0321

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-02/V/11/9530/2003-12, betreffend § 88 Abs. 2 SPG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat behauptet, bei einem polizeilichen Einschreiten beschimpft worden zu sein. Die in diesem Zusammenhang erhobene Administrativbeschwerde hatte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) mit - bereits im zweiten Rechtsgang ergangenem (zum ersten Rechtsgang vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0215) - Bescheid vom 6./ gemäß § 67c Abs. 3 AVG iVm § 88 Abs. 2 SPG zurückgewiesen. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass der Vorwurf von Beschimpfungen durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien mangels Einbringung einer Richtlinienbeschwerde nur unter § 88 Abs. 2 SPG "subsumiert" habe werden können. Die genannte Bestimmung ermögliche eine Beschwerde jedoch nur im Rahmen der Sicherheitsverwaltung. In diesem Rahmen seien die Polizisten aber nicht tätig geworden.

Mit Erkenntnis vom , Zl. 2003/01/0596, hob der Verwaltungsgerichtshof den genannten Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Des Näheren wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen. Hier bleibt nur klarzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck brachte, der gegenständlichen Amtshandlung wohne auch eine sicherheitspolizeiliche Komponente inne, wenn die einschreitenden Beamten - wie vom Beschwerdeführer behauptet - ihm gegenüber geäußert hätten, er müsse ein "Drogenhändler" sein. Dann könne die These, es fehle an einer der Sicherheitsverwaltung zuzurechnenden Amtshandlung, nicht aufrechterhalten werden.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde neuerlich - gestützt auf § 67c Abs. 3 AVG - als unzulässig zurück. Das begründete sie nach kursorischer Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und Zitierung des § 88 Abs. 2 SPG wie folgt:

"Festzuhalten ist, dass im Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz, Hauer/Keplinger, festgehalten ist, dass diese Beschwerde auf Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung beschränkt ist. Die ursprüngliche Beschwerdeeingabe, welche eingangs zitiert wurde, enthält keinerlei Hinweis darauf, dass dem Bf unterstellt worden wäre, er wäre ein Drogenhändler. Die von ihm interpretierte Frage, 'hast du etwas geraucht (gemeint war nach dem BfV wohl Suchtgift)' als sicherheitspolizeiliche Amtshandlung nach dem Suchtmittelgesetz zu subsumieren, hat das umfassend geführte Beweisergebnis nicht hervorgebracht und wurden auch diesbezüglich von der anwaltlichen Vertretung keinerlei Fragen und Anträge in diese Richtung angestellt. Sofern er nunmehr diesen Aspekt vor dem Verwaltungsgerichtshof einwendet, stößt er damit nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien an die Grenzen des Neuerungsverbotes. Das Bejahen oder Verneinen dieser (zusätzlichen) Parameter, ist jedoch nicht Inhalt einer Beschwerde nach § 88 Abs. 2 SPG, wie dies Hauer/Keplinger ausführen. Einer Beschwerde nach § 88 Abs. 2 SPG sind lediglich solche Amtshandlungen zugängig, die den Bf in einem Recht verletzt haben. Es ist jedoch der Bf in allen zwei Verfahrensgängen schuldig geblieben, die diesbezügliche Rechtsverletzung darzulegen oder wenigstens zu behaupten. Nach dem ersten Verfahrensgang führte er hiezu lediglich aus, er benötige über diesen Spruchpunkt keinen Abspruch. Am zweiten Verfahrensgang zu diesem undifferenzierten Beschwerdepunkt vermutlich nach § 88 Abs. 2 SPG, kam der Bf und auch der ausgewiesene Rechtsfreund nicht einmal seiner ihm angelegenen Mitwirkungspflicht nach. Es ist somit nicht dargelegt worden, in welchem Recht durch die vermutlich nach § 88 Abs. 2 SPG zu behandelnde Beschwerde überhaupt eine Rechtsverletzung vorgelegen haben könnte. Ungeachtet der nunmehrigen Feststellungen, dass es fraglich ist, ob die ausschließlich zu beurteilenden Beschimpfungen überhaupt der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen sind, da das Beweisergebnis hiefür keinerlei Anhaltspunkte biete, kann die Beschimpfung nur dann im Lichte des § 88 Abs. 2 untersucht werden, wenn der Bf dadurch eine Rechtsverletzung nach den Bestimmungen des SPG geltend macht. Dies ist er jedoch sowohl in seiner ursprünglichen Eingabe als auch in seinen bisherigen Schriftsätzen schuldig geblieben, müsste auch innerhalb der sechswöchigen Frist dahingehend präzisiert worden sein. Es ermangelt somit an dem Erfordernis eines offenkundig subjektiven Rechtsanspruches, weshalb die Beschwerde abermals als unzulässig zurückzuweisen war.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien vertritt auch die Auffassung, dass es im Licht einer Beschwerde, die von einem rechtlich ausgebildeten Vertreter abgefasst u vertreten wurde, es nicht Aufgabe der Behörde sein kann zu versuchen in mehreren Rechtsgängen eine Möglichkeit der Behandlung dieser Beschwerde zu finden, zumal der BfV hiezu jedwede Ausformulierung, rechtliche Begründung und Anträge samt behaupteter Rechtsverletzung schuldig blieb."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Die belangte Behörde setzt sich im Ergebnis über die Ausführungen im Vorerkenntnis vom hinweg. Das betrifft zunächst die - aktenwidrige - Annahme, die ursprüngliche Beschwerdeeingabe enthalte "keinerlei Hinweis darauf, dass dem Bf unterstellt worden wäre, er wäre ein Drogenhändler". Aber auch die weitere Überlegung, eine Beschimpfung könne nur dann im Lichte des § 88 Abs. 2 SPG "untersucht" werden, wenn der Beschwerdeführer dadurch eine Rechtsverletzung nach den Bestimmungen des SPG geltend mache, steht zum genannten Vorerkenntnis letztlich im Widerspruch. Darin wurde zunächst jedenfalls implizit zum Ausdruck gebracht, dass Beschimpfungen tauglicher Beschwerdegegenstand eines Verfahrens nach § 88 Abs. 2 SPG sein können. Das steht nicht nur mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nur Punkt 4. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom , Zl. 2004/01/0133, VwSlg. 17.331, mwN.), sondern auch mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dessen Erkenntnis vom , B 1341/97, Slg. Nr. 15.372, II.3. der Entscheidungsgründe) in Einklang. Die Auffassung aber, es müsse eine Rechtsverletzung nach den Bestimmungen des SPG geltend gemacht werden bzw. es sei "die diesbezügliche Rechtsverletzung darzulegen oder wenigstens zu behaupten", lässt sich dem Vorerkenntnis vom nicht entnehmen und ist rechtlich verfehlt. Das ergibt sich aus dem auch im vorliegenden Zusammenhang (vgl. § 88 Abs. 4 SPG) anzuwendenden § 67c Abs. 2 AVG; demnach muss nämlich nicht angegeben werden, in welchem Recht sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb , AVG § 67c Rz 20). Was die (mögliche) Rechtsverletzung anlangt, so kann auf Hauer/Keplinger , Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3 (2005), Anm. A. 18. zu § 88 SPG, und das schon erwähnte Erkenntnis VfSlg. 15.372 verwiesen werden, in dem der Verfassungsgerichtshof auf § 87 SPG Bezug genommen hat. Auch der Beschwerdeführer hat sich - in seinem ergänzenden Schriftsatz vom , den die belangte Behörde übergangen hat - auf § 87 SPG berufen, weshalb der bekämpfte Bescheid auch insoweit, als er das Fehlen einer Rechtsverletzungsbehauptung moniert, mit Aktenwidrigkeit belastet ist.

Nach dem Gesagten war auch der vorliegende Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Bezüglich der erstatteten Gegenschrift ist der Vollständigkeit halber noch ergänzend anzumerken, dass die dort erkennbar vertretene Auffassung, der Beschwerdeführer habe bezüglich der Beschimpfungen seine Administrativbeschwerde zurückgezogen, schon im ersten Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0215, verworfen worden ist.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-72121

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