VwGH vom 13.02.2018, Ra 2017/02/0168
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der W in W, vertreten durch den Sachwalter Dr. Christian Burghardt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Am Hof 13, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 001/038/7786/2017-2, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Übertretung des TSchG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Revisionswerberin einer Übertretung des § 5 Abs. 2 Z 10 TSchG schuldig erkannt. Über sie wurde eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe eine Woche und 12 Stunden) verhängt.
2 Mit Beschluss vom wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für unzulässig. In dem Beschluss führte das Verwaltungsgericht aus, dass Erhebungen ergeben hätten, dass die Revisionswerberin seit durch einen Sachwalter vertreten werde. Bereits am Tag der Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses sei für die Revisionswerberin ein Sachwalter bestellt gewesen. Das angefochtene Straferkenntnis sei somit nicht rechtswirksam erlassen worden, weil es an die Revisionswerberin zugestellt worden sei, dieser aber zum damaligen Zeitpunkt keine Prozessfähigkeit zugekommen sei. Aufgrund der Bestellung eines Sachwalters und der dadurch fehlenden Prozessfähigkeit der Revisionswerberin habe von dieser auch nicht rechtswirksam Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden können, zumal der Aufgabenkreis des Sachwalters unter anderem die Vertretung der Revisionswerberin vor Gericht umfasse. Die Beschwerde hätte vielmehr von ihrem Sachwalter, welcher mit der Vertretung vor Gerichten beauftragt worden sei, eingebracht werden müssen. Aufgrund der rechtswirksamen Bestellung des einstweiligen Sachwalters bereits zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde habe nicht nur die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde gefehlt, sondern würde auch eine nachträgliche Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter ebenso wenig in Betracht kommen wie eine rückwirkende Bestätigung, sofern zwischenzeitig die Geschäftsfähigkeit eingetreten sein sollte. Die vorliegende Beschwerde sei daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen gewesen, ohne dass es einer Behebung der ihr anhaftenden Mängel bedurft hätte und ohne dass etwa auch der Versuch zu unternehmen gewesen sei, die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters der Revisionswerberin einzuholen.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge den angefochtenen Beschluss kostenpflichtig aufheben. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht brachte eine Revisionsbeantwortung ein, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragte.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revisionswerberin bringt vor, das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, zwecks Durchführung eines Sanierungsversuches dem einstweiligen Sachwalter die Beschwerde der Revisionswerberin zur allfälligen Genehmigung vorzulegen. Eine Zurückweisung wäre nach Ansicht der Revisionswerberin erst dann gerechtfertigt gewesen, wenn der einstweilige Sachwalter das Rechtsmittel nachträglich nicht genehmigt hätte. Das Verwaltungsgericht übersehe nämlich, dass der Wirkungsbereich des einstweiligen Sachwalters zwar die Vertretung in Gerichtsverfahren, nicht aber die Vertretung vor sonstigen Behörden umfasse, sodass die Zustellung des Straferkenntnisses der belangten Behörde an die Revisionswerberin formalrechtlich zulässig gewesen sei.
6 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis auch begründet. 7 Das Verwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung davon
aus, dass das Straferkenntnis der belangten Behörde vom aufgrund der fehlenden Prozessfähigkeit der Revisionswerberin nicht rechtswirksam erlassen worden sei, weshalb von der Revisionswerberin keine (allenfalls durch den Sachwalter nachträglich genehmigte) Beschwerde erhoben habe werden können. Mit dieser Ansicht verkennt das Verwaltungsgericht jedoch die Rechtslage.
8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bescheid als erlassen anzusehen, wenn er zumindest einer der am Verfahren beteiligten Personen zugestellt worden ist (siehe u. a. m.w.H.). Dies war im vorliegenden Fall gegeben, weil das Straferkenntnis jedenfalls dem Tierschutzombudsmann, dem unstrittig im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung zukam (vgl. § 41 Abs. 4 TschG), nachweislich zugestellt wurde. Angesichts dieser Sachlage wäre das Verwaltungsgericht gehalten gewesen, die von der Revisionswerberin gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur allfälligen Abklärung der Genehmigung an den Sachwalter zuzustellen (siehe ) und im Falle der nachträglichen Genehmigung über diese inhaltlich zu entscheiden.
9 Indem das Verwaltungsgericht zu Unrecht von der Rechtsunwirksamkeit des Straferkenntnisses ausgegangen ist und die Beschwerde aus diesem Grund zurückgewiesen hat, hat es den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war bereits aus diesem Grund wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
10 Für das fortgesetzte Verfahren ist weiters anzumerken, dass für die Revisionswerberin gemäß dem dem Akt beiliegenden Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom für die Einkommensverwaltung sowie zur "Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern in Angelegenheiten, die über den Alltagsbereich hinausgehen, und in Gerichtsverfahren" ein Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter bestellt wurde. Dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist mangels entsprechender Feststellungen nicht zu entnehmen, von welchem Wirkungskreis das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist bzw. ob sich seit der Bestellung zum einstweiligen Sachwalter der Wirkungskreis geändert hat. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht von einer fehlenden Prozessfähigkeit der Revisionswerberin bereits im Verfahren vor dem Magistrat ausging. Sollte der Sachwalter - wie in der Revision vorgebracht - im Zeitpunkt des Erlasses des Straferkenntnisses vom für behördliche Verfahren nicht bestellt gewesen sein, konnte das Straferkenntnis der belangten Behörde an die Revisionswerberin rechtswirksam zugestellt werden (vgl. ).
11 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am
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Schlagworte: | Sachwalter Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person |
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