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VwGH 17.04.2012, 2010/04/0133

VwGH 17.04.2012, 2010/04/0133

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Es liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 3 AVG reicht es aus, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht werden und damit objektiv beleidigenden Charakter hat; auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an. Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (Hinweis E vom , 2008/09/0344, mwN).
Normen
RS 2
Gemäß § 34 Abs. 3 AVG besteht keine Verpflichtung der Behörde, auf Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Betroffenen Bedacht zu nehmen; vielmehr ist für das Ausmaß einer Ordnungsstrafe die Überlegung maßgebend, welche Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Änderung des Fehlverhaltens erwarten lasse (Hinweis E vom , 98/02/0320).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X Y in T, vertreten durch Mag. Dr. Marlene Wintersberger, Rechtsanwältin in 2340 Mödling, Hauptstraße 36, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zl. BMWFJ-91.500/0046-I/3/2010, betreffend Ordnungsstrafe in einer Angelegenheit nach dem Ingenieurgesetz 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe in der Höhe von EUR 500,-- verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am bei der belangten Behörde die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" beantragt. Nach einem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG seien die gemäß § 4 Abs. 2 Ingenieurgesetz 2006 für die Bearbeitung des Ansuchens des Beschwerdeführers erforderlichen Dokumente nicht vorgelegt worden. Vielmehr seien in zahlreichen vom Beschwerdeführer an die belangte Behörde gerichteten E-mails mehrmals unqualifizierte, der Sache nicht dienende und beleidigende Aussagen getroffen worden.

Im angefochtenen Bescheid werden (unter anderem) folgende Aussagen angeführt:

"Mail vom an Post I/3 ('unnötige listige Schikanen- Dienstaufsichtsbeschwerde'):

'… denn wenn weit überbezahlte aber untätige und bequeme österr. Beamte weiterhin so die Bürger quälen, benachteiligen und schikanieren usw. wäre das auch für die m.E. eigenartigen Ing.Titel-Verweigerer und die FH- Mobber im Burgenland ev. eine gute Alternative, um sich vor dem Neid und der Missgunst der Besitzlosen (haben auch selbst leider nicht einmal eine Matura, keine Patente, beherrschen keine einzige Fremdsprache, sollen aber mehrsprachige Maturanten und Hochschul- ausgebildete beurteilen) zu retten?'

Mail vom , 11:19 an Post I/3:

'… Wann werde ich endlich auch in Österreich von Fachinspektoren anerkannt werden können? Aber dieses wesentliche Wissen darf man von gut bürgerlichen Nichtmaturanten (FI) wohl leider gar nicht erwarten? …'

Mail vom , 5:14 an Post I/3:

'.. Anliegend bitte nochmals die Arbeitsübersetzung des Maturazeugnisses aus 2001, die auch von höheren staatlichen Stellen in ganz Europa und sogar an einer US-Eliteuniversität voll anerkannt wurde, nur von einer Fachinspektorin beim BMW nicht verstanden werden kann …'

'Das ÖBH in der jetzigen Form wird abgeschafft werden müssen, (Milliardenvergeudungen), dennoch verlangt die Dame irgendwelche Nachweise über die Heeressklaverei junger Männer, nur um zu schikanieren und um weiterhin zu schädigen und zu verschleppen ? Wenn schon so hohe Steuern verlangt werden, geben Sie uns bitte bessere und höher qualifizierte Beamte und verjagen Sie nicht die letzte Intelligenz (ich sende meine zig Seiten Patente nicht, weil das ohnehin nicht verstanden wird.)'"

Da nach diesen Aussagen kein Zweifel bestehe, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 3 AVG, insbesondere das Vorliegen einer beleidigenden Schreibweise, erfüllt seien, erscheine die Verhängung einer Ordnungsstrafe geboten, da die Bearbeitung der unsachlichen Eingaben des Beschwerdeführers für die Behörde einen unverhältnismäßigen, zeitintensiven und unzumutbaren Aufwand darstelle. Da die beleidigende Schreibweise über einen längeren Zeitraum (Juli-August) fortgeführt und wiederholt worden sei, erscheine die Verhängung einer Ordnungsstrafe in angemessener Höhe notwendig, um von weiteren Störungen des Verfahrens abzuhalten und das Verfahren künftig in einer möglichst sachlichen Weise abwickeln zu können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 34 Abs. 2 AVG sind Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

Gemäß § 34 Abs. 3 AVG können die gleichen Ordnungsstrafen von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 3 AVG reicht es aus, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht werden und damit objektiv beleidigenden Charakter hat; auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an. Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen zu müssen (vgl. zu allem etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0344, mwN).

2. Die belangte Behörde ging in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die strittigen E-mails vom Beschwerdeführer verfasst worden sind.

Dem hält die Beschwerde entgegen, die Eingaben stammten nicht vom Beschwerdeführer, sondern von seinem Vater, dem der beleidigende Inhalt aufgrund seiner krankheitsbedingt subjektiven Falschwahrnehmung nicht erkennbar gewesen sei. Die belangte Behörde habe die gegenständlich beleidigenden Eingaben lediglich auszugsweise zitiert, dabei aber vermieden bzw. verkannt, den angeführten Absender (Vater des Beschwerdeführers) anzuführen. Bei richtiger Beurteilung hätte die Behörde daher bereits nach Durchsicht der gegenständlichen Eingaben feststellen müssen, dass es sich bei dem Absender nicht um den Beschwerdeführer handle.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil nach der Aktenlage die der Bestrafung zugrundeliegenden Eingaben keinen Hinweis auf einen anderen Absender als den Beschwerdeführer geben. Es kann daher nach dem auf die Schlüssigkeitsprüfung der Beweiswürdigung beschränkten Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht als fehlerhaft erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Eingaben dem Beschwerdeführer zurechnete.

3. Soweit die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer wäre vor Verhängung einer Ordnungsstrafe zunächst zu ermahnen gewesen, so ist dem zu entgegnen, dass nach der hg. Rechtsprechung die Verhängung einer Ordnungsstrafe nach § 34 Abs. 3 AVG nicht die vorhergehende Ermahnung und Androhung voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/10/0469, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

4. Soweit die Beschwerde letztlich rügt, die Behörde habe sich bei der Verhängung der Ordnungsstrafe nicht mit der finanziellen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers auseinandergesetzt noch berücksichtigt, dass es sich um die erste Ordnungsstrafe handle, ist festzuhalten, dass gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Verpflichtung der Behörde, auf Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Betroffenen Bedacht zu nehmen nicht besteht, sondern vielmehr maßgebend für das Ausmaß einer Ordnungsstrafe die Überlegung ist, welche Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Änderung des Fehlverhaltens erwarten lasse (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0320). In dieser Hinsicht ist der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig zu erkennen.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2010040133.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAE-72105