VwGH vom 22.02.2011, 2010/04/0123

VwGH vom 22.02.2011, 2010/04/0123

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/04/0127 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch MMag. Martin Aringer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/G/20/4078/2010-1, betreffend Übertretung der GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, daher soweit damit Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 18. Bezirk, vom bestätigt wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - soweit beschwerderelevant - der Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 18. Bezirk, vom im Hinblick auf die Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 1 iVm § 1 Abs. 4 GewO 1994 und die Verhängung einer Geldstrafe, für den Fall deren Uneinbringlichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe, und die Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrags in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde bestätigt.

Die Tatumschreibung wurde im angefochtenen Bescheid wie folgt neu gefasst:

"Sie haben vom bis in Wien (…) durch das Anbieten von Tätigkeiten, die den Gegenstand der reglementierten Gewerbe 'Metalltechnik für Metall- und Maschinenbau (vormals Schlosser)' und 'Tischler' bilden, an einen größeren Kreis von Personen, diese Gewerbe ausgeübt, ohne im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung zu sein, da Sie nur im Besitz der Gewerbeberechtigungen 'Schlosser, eingeschränkt auf Aufsperrdienst', 'Schlosser, eingeschränkt auf Anfertigung von Schlüsseln mittels Kopierfräsmaschinen' und 'Handelsgewerbe und Handelsagenten, beschränkt auf den Kleinhandel mit Handys und Handyzubehör' sind, da auf der Internetseite www.aufsperrdienstnotruf.at diese Tätigkeiten mit dem Wortlaut: 'Soforthilfe nach Einbruch' angeboten wurde."

Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von EUR 102,00 vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 51e Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 51e Abs. 3 VStG kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird (Z. 1) oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet (Z. 2) oder im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (Z. 3) oder sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet (Z. 4) und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen.

Gemäß § 51e Abs. 5 VStG kann der unabhängige Verwaltungssenat von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

2. Im Beschwerdefall war der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten. Unter dem Blickwinkel des Art. 6 EMRK konnte daher die Unterlassung der Antragstellung auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zum Verlust des Rechtes des Beschwerdeführers auf die in Strafsachen grundsätzlich garantierte mündliche Verhandlung führen, es sei denn, er wäre über die Antragstellung belehrt worden oder es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er von dieser Möglichkeit wissen musste (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/10/0168, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0110, mwN).

Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren über die Antragstellung betreffend eine mündliche Verhandlung nicht belehrt. Es bestanden auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er von dieser Möglichkeit wissen musste, da der angefochtene Bescheid den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge unmittelbar nach Vorlage der Berufung des Beschwerdeführers an die belangte Behörde erlassen wurde und sich auch in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses keine entsprechende Belehrung findet.

3. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Sie hat dadurch ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

4. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden. Im gegebenen Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass einzig die belangte Behörde als Tribunal im Verwaltungsstrafverfahren die Anforderungen des Art. 6 EMRK erfüllen kann (vgl. die Urteile des Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom , Nr. 32381/96, Baischer, Randnrn. 25 ff, sowie vom , Nr. 13201/05, Krumpholz, Randnr. 41, mwN).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am