VwGH vom 22.02.2011, 2010/04/0121
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Kardinalsplatz 9/3/4, gegen den Bescheid des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch die Regner Günther Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Rechte Wienzeile 31/7, vertretenen Beschwerdeausschusses der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom , Zl. BA-ZP 58/2010, betreffend Beiträge zur Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit (erstinstanzlichem) Bescheid des Ausschusses der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Ermäßigung des jährlichen Beitrages (zur Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder) für das Jahr 2010 stattgegeben und der Beitrag auf einen näher bezeichneten Betrag reduziert.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin - ihrem Vorbringen zufolge - am zugestellt. Ein Zustellnachweis findet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht.
Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Beschwerde an die belangte Behörde, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, ihre Einkommenssituation für das Jahr 2010 habe sich in der Zwischenzeit abweichend von ihrem Antrag vom grundlegend geändert. Diese Beschwerde wurde laut vorgelegten Verwaltungsakten am zur Post gegeben.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Beschwerde gemäß § 153 Abs. 4 und § 173 Abs. 7 und 10 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) iVm § 11 Abs. 1, 4 und 7, § 23 und § 26 der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (Satzung) sowie den §§ 66 Abs. 4 und 71 AVG "keine Folge gegeben". Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften aus, die Beitragshöhe sei bereits mit dem Bescheid vom rechtskräftig festgesetzt worden. Das gegenständliche Vorbringen der Beschwerdeführerin, mit dem die Abänderung des rechtskräftigen und daher der Beschwerde nicht mehr unterliegenden Beitragsbescheides vom begehrt werde, sei daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin im "Recht auf Einhaltung der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder … bzw. auf Beitragsbefreiung bzw. Beitragsermäßigung nach § 11 der genannten Satzung für das Jahr 2010" verletzt erachtet. Sie bringt gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen vor, ihr sei der (erstinstanzliche) Bescheid vom am zugestellt worden und sie habe rechtzeitig binnen 14 Tagen Beschwerde gegen diesen Bescheid an die belangte Behörde erhoben. Die belangte Behörde hätte daher über diese Beschwerde eine Sachentscheidung treffen müssen und sei nicht berechtigt gewesen, diese wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die von ihr rechtzeitig erhobene Beschwerde hätte nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden dürfen, treffe zu und die Begründung des angefochtenen Bescheides sei insoweit in der Tat unrichtig. Jedoch habe die Beschwerdeführerin ihr Recht auf Sachentscheidung nicht als Beschwerdepunkt geltend gemacht und sei im Übrigen im angefochtenen Bescheid, mit dem der Beschwerde keine Folge gegeben worden sei, eine Sachentscheidung ergangen. Die Begründung lasse, wenn auch kursorisch, erkennen, dass die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde an die belangte Behörde als nicht geeignet erachtet habe, dieser zum Erfolg zu verhelfen. Sodann folgen Ausführungen, wonach § 11 Abs. 4 und 8 der Satzung im vorliegenden Fall eine gänzliche Beitragsbefreiung nicht ermöglichten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des WTBG lauten wie folgt:
"Ausschüsse
§ 153. …
(3) Der Vorstand hat für die Vorsorgeeinrichtungen gemäß § 173 Abs. 1 und 2 je einen Ausschuss einzurichten. Die Ausschüsse haben aus vier Mitgliedern zu bestehen. Die Ausschüsse sind beschlussfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind.
(4) Der Kammertag hat einen Beschwerdeausschuss für die Vorsorgeeinrichtungen gemäß § 173 Abs. 1 und 2 einzurichten. Der Beschwerdeausschuss hat aus fünf Mitgliedern zu bestehen. Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses sind vom Kammertag zu wählen. Dem Beschwerdeausschuss dürfen Mitglieder des Vorstandes und eines Ausschusses gemäß Abs. 3 nicht angehören. Der Beschwerdeausschuss ist beschlussfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind. Er hat mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu entscheiden. Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses sind an keine Weisungen gebunden.
(5) Gegen den Beschluss eines Ausschusses gemäß Abs. 3 steht die Beschwerde zu. Die Beschwerde ist binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses zu erheben. Über die Beschwerde hat der Beschwerdeausschuss zu entscheiden. Die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses sind endgültig und können durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht angefochten werden.
Vorsorgeeinrichtungen
§ 173. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder kann zur Vorsorge für den Fall der Krankheit ihrer ordentlichen Mitglieder, deren Angehörigen und deren eingetragenen Partnern sowie sonstiger Personen auch Einrichtungen schaffen, welche die Voraussetzungen des § 5 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 560/1978, erfüllen. Diese Einrichtungen können auch in Form einer von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgeschlossenen vertraglichen Gruppenversicherung bestehen. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist berechtigt, derartige Einrichtungen auch für außerordentliche Mitglieder zu schaffen und aufrechtzuerhalten.
(2) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat für ihre ordentlichen Mitglieder ergänzend zur gesetzlichen Altersvorsorge Einrichtungen zur Vorsorge für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Alle natürlichen Personen, die ordentliche Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sind, unterliegen verpflichtend solchen Vorsorgeeinrichtungen der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Kammermitglieder, deren Berufsbefugnis ruht, können sich auf Antrag von dieser Verpflichtung befreien lassen. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist berechtigt, derartige Einrichtungen auch für außerordentliche Mitglieder zu schaffen und aufrechtzuerhalten.
...
(7) In der Beitragsordnung ist die Höhe der jährlichen Beiträge festzusetzen. Dabei ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder Bedacht zu nehmen. …
(8) Alle für die Vorsorgeeinrichtungen gemäß § 173 Abs. 1 und 2 erforderlichen Entscheidungen, insbesondere über die Feststellung der verpflichtenden Teilnahme an einer Vorsorgeeinrichtung, über die Vorschreibung von Beiträgen, über Anträge auf Befreiungen, Beitragsermäßigungen und die Zuerkennung von Leistungen, haben die gemäß § 153 Abs. 3 zu bestellenden Ausschüsse zu treffen. …"
2. Im Beschwerdefall ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides unmissverständlich, dass die belangte Behörde die Beschwerde der Beschwerdeführerin wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat (vgl. zur Auslegung eines auslegungsbedüftigen Spruches eines Bescheides im Wege der Bescheidbegründung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/07/0110). Diese Zurückweisung erfolgte aber im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde nach § 153 Abs. 5 WTBG - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst ausführt - nicht zu Recht.
Zu den von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift angestellten Erwägungen zu § 11 der Satzung genügt es darauf hinzuweisen, dass mit der Gegenschrift eine fehlende Bescheidbegründung nicht nachgetragen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/12/0224).
Insoweit die belangte Behörde meint, die Beschwerdeführerin habe im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung wegen entschiedener Sache den Beschwerdepunkt verfehlt, so ist festzuhalten, dass in der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, die unter anderem vom Recht auf Beitragsbefreiung bzw. Beitragsermäßigung spricht, ausreichend erkennbar das Recht auf Sachentscheidung geltend gemacht wird.
3. Da sich der angefochtene Bescheid somit als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am