VwGH vom 06.09.2012, 2012/09/0059

VwGH vom 06.09.2012, 2012/09/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Mag. K F in H, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-252800/5/Py/Hu, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Außenvertretungsbefugter der F GmbH mit Sitz in H gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin von bis zum Zeitpunkt der Kontrolle durch Organe des Finanzamtes L am , 09.40 Uhr, am Firmengelände in H den näher bezeichneten slowakischen Staatsangehörigen PT ohne Freizügigkeitsbestätigung beschäftigte, obwohl eine Verwaltungsübertretung begehe, wer entgegen § 32a Abs. 4 AuslBG einen EU-Bürger ohne Bestätigung gemäß § 32a Abs. 2 oder 3 AuslBG beschäftige. Eine solche Freizügigkeitsbestätigung sei zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht im Betrieb aufgelegen, sondern erst aufgrund der Kontrolle am um 15.29 Uhr ausgestellt worden.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 32a Abs. 4 iVm § 28 Abs. 1 Z. 6 AuslBG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 200,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) verhängt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 32a AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 lautete in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 85/2006:

"Übergangsbestimmungen zur EU-Erweiterung

§ 32a. (1) § 1 Abs. 2 lit. l und m gilt - mit Ausnahme der Staatsangehörigen der Republik Malta und der Republik Zypern - nicht für Staatsangehörige jener Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Beitrittsvertrag), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 236 vom , Seite 17 und Nr. C 227 E vom , der Europäischen Union beigetreten sind, es sei denn, sie sind Ehegatten, Kinder, Eltern oder Schwiegereltern eines freizügigkeitsberechtigten Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), der bereits vor In-Kraft-Treten des Beitrittsvertrages dem EWR angehörte, oder sie sind Ehegatten oder Kinder eines österreichischen Staatsbürgers oder eines Staatsangehörigen eines anderen EWR-Mitgliedstaates, der sein Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nimmt.

(2) Den EU-Bürgern gemäß Abs. 1 ist vom Arbeitsmarktservice das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt schriftlich zu bestätigen, wenn sie

1. am Tag des Beitritts oder nach dem Beitritt rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt zugelassen waren oder

2. die Voraussetzungen für einen Befreiungsschein (§ 15) erfüllen oder

3. seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen sind und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügen.

(3) Ehegatten und Kindern (§ 1 Abs. 2 lit. l) von EU-Bürgern gemäß Abs. 2 ist vom Arbeitsmarktservice das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt schriftlich zu bestätigen, wenn sie mit diesem am Tag des Beitritts oder, sofern sie erst später nachziehen, mindestens 18 Monate einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet haben. Ab dem ist diesen Ehegatten und Kindern die Bestätigung unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet auszustellen.

(4) Bestätigungen gemäß Abs. 2 und 3 sind vor Beginn der Beschäftigung einzuholen. Der Arbeitgeber hat eine Ausfertigung der Bestätigung im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Die Bestätigungen erlöschen bei Ausreise aus dem Bundesgebiet aus einem nicht nur vorübergehenden Grunde."

Der Sachverhalt bleibt vom Beschwerdeführer unbestritten. Rechtlich argumentiert er dahingehend, PT sei seit mit einer ordnungsgemäßen Beschäftigungsbewilligung bei der F GmbH beschäftigt gewesen. Bei der daran anschließenden Beschäftigung habe es sich um ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis gehandelt. § 32a Abs. 4 AuslBG normiere aber nur, dass Bestätigungen gemäß § 32a Abs. 2 oder 3 AuslBG vor Beginn der Beschäftigung einzuholen seien. § 32a Abs. 4 AuslBG wolle nur verhindern, dass ein "neues Beschäftigungsverhältnis ohne Bestätigung gemäß Abs. 2 oder 3 begonnen" werde.

Diese Auslegung geht an der Norm vorbei. Aus § 32a Abs. 2 Z. 1 und 2 AuslBG wird ohne jeden Zweifel klar, dass - gleich wie auch in den in § 19 Abs. 5 AuslBG geregelten "Normalfällen" der Erteilung oder Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung bei einer "durchgehenden" Beschäftigung ein neuer Antrag vor deren Ablauf gestellt werden muss - einer der in § 32a Abs. 1 AuslBG genannten EU-Bürger das Recht auf den freien Zugang zum Arbeitsmarkt während einer "durchgehenden" Beschäftigung erwirbt, der Regelfall ist (auch gegenständlich liegt ein Fall des § 32a Abs. 2 Z. 1 AuslBG vor). Die Wortfolge in § 32a Abs. 4 AuslBG "vor Beginn der Beschäftigung" kann demnach nur in der Form verstanden werden, als damit jedes nach Ablauf der Bewilligungsdauer etwa einer Beschäftigungsbewilligung unter Inanspruchnahme des bestimmten EU-Bürgern eingeräumten freien Zugangs zum Arbeitsmarkt weiter fortgesetztes ("durchgehendes") Beschäftigungsverhältnis u. a. im Sinne des § 32a Abs. 2 und 3 geregelt wird.

Die gegenteilige Auslegung des Beschwerdeführers stellt schon wegen dieses unmissverständlichen Wortlautes der Norm keine "mit guten Gründen vertretbare Rechtsauffassung" dar. Im Übrigen sind Übertretungen nach dem § 28 Abs. 1 AuslBG Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs. 1 VStG, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder eine Gefahr nicht gehört. In einem solchen Fall ist das verantwortliche Organ strafbar, wenn es nicht genügende Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es liegt ihm daher eine Unterlassung zur Last. Bei Erfüllung des objektiven Tatbildes hat der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Solange dies nicht der Fall ist, hat die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können.

Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur im Falle der Erteilung einer, auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilten, unrichtigen Rechtsauskunft der für die Erteilung einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zuständigen Behörde (der regionalen Geschäftsstelle des AMS), im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden könnte. Unterlässt der Beschwerdeführer - wie hier - die Einholung einer Auskunft der zuständigen Behörde, kann der Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass sie von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0145).

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die aus Anlass des EU-Beitritts der Slowakei in Österreich vorgesehene Frist von sieben Jahren bereits abgelaufen gewesen sei. Ein Verhalten, das zur Tatzeit allenfalls strafbar gewesen sei, im Zeitpunkt der Bestrafung aber nicht mehr strafbar sei, könne nicht mehr bestraft werden.

Gegenständlich wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom bestraft. Es erübrigt sich, den Zeitpunkt der Zustellung (Erlassung) zu erheben, weil die Berufung bereits am erhoben wurde, sohin zu diesem Zeitpunkt der Bescheid der Behörde erster Instanz (auf diesen Zeitpunkt kommt es gemäß § 1 Abs. 2 VStG an) jedenfalls erlassen war. Die Übergangsfrist von sieben Jahren nach dem am erfolgten Beitritt der Slowakei zur EU war bei Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz noch nicht abgelaufen.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , B 1003, 1004/11-7, dazu ausgeführt, im Lichte der Bedeutung die der EGMR dem Art. 7 EMRK zu Letzt beigelegt habe, gebietet es Art. 7 EGMR zwar, bei Änderung der Rechtslage nach der Begehung der Straftat die für den Beschuldigten mildere Strafe zu verhängen. Es ist jedoch auch mit Blick auf Art. 49 Abs. 1 Grundrechte-Charta nicht geboten, von der Verhängung einer Strafe im Fall eines Verstoßes gegen eine konkrete Verhaltenspflicht, der zur Zeit seiner Begehung strafbar war, dessen Strafbarkeit nach Begehung der Tat, aber noch vor der Verhängung der Strafe weggefallen ist, abzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Ansicht an.

Die formelle Rüge, es sei dem Beschwerdeführer nicht konkret vorgehalten worden, welche der auf Grund unterschiedlicher Tatbestände nach § 32a Abs. 2 oder 3 AuslBG einzuholenden Bestätigungen erforderlich gewesen sei, ist unbeachtlich, weil Tatbestandselement nach § 28 Abs. 1 Z. 6 AuslBG nur ist, dass ein Arbeitgeber entgegen dem § 32a Abs. 4 einen EU-Bürger, dessen Ehegatten oder Kind ohne Bestätigung gemäß § 32a Abs. 2 oder 3 beschäftigt, nicht aber, auf Grund welcher Tatbestände eine solche Bestätigung allenfalls einzuholen gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer bringt noch vor, dass "keine unzulässige Beschäftigung" vorgelegen sei. Dies ist angesichts der hier bestraften Ordnungsvorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0220) und des darin enthaltenen Ordnungszweckes im Hinblick auf eine Anwendung des § 21 VStG aber ohne Bedeutung.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am