Suchen Hilfe
VwGH 12.11.2013, 2012/09/0051

VwGH 12.11.2013, 2012/09/0051

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §59 Abs1;
VwRallg;
RS 1
Ein Teilabspruch, der in Rechtskraft erwachsen kann, kommt nur dann in Betracht, wenn jeder der getrennten Bescheidpunkte für sich allein ohne inneren Zusammenhang mit anderen Punkten einem gesonderten Abspruch zugänglich ist, also die Entscheidung über jeden dieser Punkte ohne Einfluss auf die Entscheidung über alle anderen Punkte ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/10/0089 E RS 2
Normen
AVG §59 Abs1;
AVG §64a Abs2;
AVG §64a Abs3;
AVG §64a;
RS 2
Enthält ein Bescheid mehrere voneinander trennbare Teile, in denen jeweils gesonderte Entscheidungen getroffen werden, handelt es sich in Wahrheit um mehrere selbständige Bescheide, die - jeder für sich - gesondert bekämpft werden können. In diesem Fall sind auch die Verfahren betreffend die Berufungsvorentscheidung voneinander trennbar. Die bescheiderlassende Behörde kann demnach auch nur einen Teil ihrer eigenständigen Entscheidungen durch Berufungsvorentscheidungen erledigen und bezüglich der restlichen die zweimonatige Frist ungenützt verstreichen lassen (vgl. E , 2011/05/0101).
Normen
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
RS 3
Werden im erstinstanzlichen Straferkenntnis über die Besch wegen zweier Verwaltungsübertretungen zwei Geldstrafen verhängt, so liegen - wenngleich in einer einzigen Bescheidausfertigung zusammengefasst - zwei Bescheide mit ebenso vielen selbständigen (trennbaren) Absprüchen über zwei verschiedene Taten vor (Hiweis E , 2010/06/0045; die Trennbarkeit der Absprüche bei Übertretungen nach dem AuslBG implizit bejahend zuletzt E , 2011/09/0065; E , 2011/09/0070).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der A Ö in S, vertreten durch Dr. Manfred Ammann, Rechtsanwalt in 6830 Rankweil, Bahnhofstraße 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-1-020/E5-2011, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen; Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom erkannte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die Beschwerdeführerin schuldig, sie habe

1. die bulgarische Staatsangehörige SV im Zeitraum vom bis , 21:35 Uhr, und

2. den türkischen Staatsangehörigen BÖ, am , 21:35 Uhr,

beschäftigt, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin habe dadurch zu 1. und zu 2. die Rechtsvorschrift des § 28 Abs. 1 Z 1a lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verletzt und wurde über sie wegen dieser Verwaltungsübertretungen zu 1. wie auch zu 2. gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 Schlusssatz AuslBG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 134 Stunden), verhängt.

Über die fristgerecht erhobene Berufung der Beschwerdeführerin, mit der das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach im Wesentlichen mit der Begründung angefochten wurde, das SV nicht beschäftigt sondern selbständig tätig und für BÖ eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt gewesen sei, erließ die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch folgende Berufungsvorentscheidung vom :

"Gemäß § 64a Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz wird das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom , (…) bzgl Spruchpunkt (2.) abgeändert:

Bzgl der Beschäftigung von BÖ, geb.  wird das Verfahren wegen Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1a lit a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz eingestellt.

Die Gesamtstrafe inkl Verfahrenskosten reduziert sich daher auf 2.200,00 Euro, falls die Geldstrafe uneinbringlich ist auf eine Ersatzarreststrafe von 134 Stunden."

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis in seinem ersten Spruchpunkt mit der Maßgabe, dass die Übertretungsnorm "§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG" und die Strafnorm § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG zu lauten habe.

Die belangte Behörde führte in der Begründung zunächst aus, dass mit der Berufungsvorentscheidung das Straferkenntnis insofern abgeändert worden sei, als damit das Verfahren zu Spruchpunkt 2. eingestellt worden sei. Da hinsichtlich dieser Berufungsvorentscheidung kein Vorlageantrag gestellt worden sei, sei diese Entscheidung in Rechtskraft erwachsen.

Des Weiteren begründete die belangte Behörde näher, weshalb die Beschäftigung von SV durch die Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG darstelle.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt gegen den angefochtenen Bescheid ausschließlich vor, dass die Berufungsvorentscheidung das Straferkenntnis zur Gänze ersetzt habe. Die Berufungsvorentscheidung sei nicht durch einen Vorlageantrag außer Kraft gesetzt worden, weshalb die Berufung als erledigt anzusehen gewesen und der belangten Behörde keine Entscheidungskompetenz mehr zugekommen sei. Das Straferkenntnis habe somit nicht mehr dem Rechtsbestand angehört und hätte von der belangten Behörde nicht mehr bestätigt werden können. Da der Spruch der Berufungsvorentscheidung keine Verurteilung enthalte, habe die belangte Behörde eine im Straferkenntnis verhängte Geldstrafe nicht bestätigen können, woran auch der Umstand nichts ändere, dass sich die Berufungsvorentscheidung nur mit einem Teil des Straferkenntnisses beschäftigt habe. Weil das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten worden sei, sei es durch die Berufungsvorentscheidung zur Gänze aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Sofern die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die Verurteilung betreffend das Faktum SV hätte aufrechterhalten wollen, hätte dies in der Berufungsvorentscheidung dadurch zum Ausdruck gebracht werden müssen, dass der Berufung insoweit keine Folge gegeben werde.

Auch wenn in einem Straferkenntnis mehrere Verwaltungsübertretungen gemeinsam abgeurteilt würden, handle es sich doch um eine einzige Entscheidung, gegen die nur einmal Berufung erhoben werden könne. Wenn die Berufung mit Berufungsvorentscheidung erledigt werde, könne nicht die Behörde zweiter Instanz nochmals über die Berufung entscheiden.

Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Gemäß § 64a Abs. 1 AVG kann die Behörde (die den Bescheid erlassen hat) die Berufung binnen zwei Monaten nach Einlangen bei der Behörde erster Instanz durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Sie kann die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern. Nach § 64a Abs. 2 AVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Mit Einlangen des Vorlageantrags tritt die Berufungsvorentscheidung außer Kraft (§ 64a Abs. 3 AVG).

Sowohl die Beschwerdeführerin wie auch die belangte Behörde gingen - zutreffend - davon aus, dass die Berufungsvorentscheidung nur den zweiten Spruchpunkt des Straferkenntnisses behandelte und das Verfahren insoweit eingestellt wurde. Während die belangte Behörde daraus jedoch ableitete, dass die Berufung gegen den ersten Spruchpunkt des Straferkenntnisses noch unerledigt offen sei, schließt die Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass über ihre das Straferkenntnis zur Gänze anfechtende Berufung eine Berufungsvorentscheidung erging, dass damit das Straferkenntnis zur Gänze außer Kraft getreten und ihre Berufung ebenso zur Gänze erledigt worden sei.

Die Lösung dieser Frage hängt davon ab, ob es sich bei den in der Strafverfügung enthaltenen Spruchpunkten um jeweils getrennte Absprüche handelt, die auch getrennt bekämpfbar sind und keine (untrennbare) Einheit bilden.

Ein Teilabspruch kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn jeder der getrennten Bescheidpunkte für sich allein ohne inneren Zusammenhang mit anderen Punkten einem gesonderten Abspruch zugänglich ist, also die Entscheidung über jeden dieser Punkte ohne Einfluss auf die Entscheidung über alle anderen Punkte ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 2011/10/0089, 0090).

Enthält der Bescheid mehrere voneinander trennbare Teile, in denen jeweils gesonderte Entscheidungen getroffen werden, handelt es sich in Wahrheit um mehrere selbständige Bescheide, die - jeder für sich - gesondert bekämpft werden können. In diesem Fall sind auch die Verfahren betreffend die Berufungsvorentscheidung voneinander trennbar. Die bescheiderlassende Behörde kann demnach auch nur einen Teil ihrer eigenständigen Entscheidungen durch Berufungsvorentscheidungen erledigen und bezüglich der restlichen die zweimonatige Frist ungenützt verstreichen lassen (ebenso Hengstschläger/Leeb, AVG, § 64a AVG Rz 12, mit Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensnovellen 1995, 31; vgl. zur Frage der Trennbarkeit von Absprüchen im Zusammenhang mit einem Vorlageantrag auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2011/05/0101, mwN).

Im vorliegenden Fall wurden im erstinstanzlichen Straferkenntnis über die Beschwerdeführerin wegen zweier Verwaltungsübertretungen zwei Geldstrafen verhängt. Damit liegen - wenngleich in einer einzigen Bescheidausfertigung zusammengefasst - zwei Bescheide mit ebenso vielen selbständigen (trennbaren) Absprüchen über zwei verschiedene Taten vor (siehe etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0045; die Trennbarkeit der Absprüche bei Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz implizit bejahend zuletzt etwa auch die Erkenntnisse vom , Zl. 2011/09/0065, und vom , Zl. 2011/09/0070).

Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch hat ihre Befugnis eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen - wie ausgeführt - nur hinsichtlich der im zweiten Spruchpunkt abgehandelten Verwaltungsübertretung wahrgenommen. Im Umfang des ersten Spruchpunkts trat damit das Straferkenntnis durch die Erlassung der Berufungsvorentscheidung nicht außer Kraft; die Berufung wurde in diesem Umfang durch die Berufungsvorentscheidung auch nicht erledigt. Die belangte Behörde war somit zuständig, über die Berufung soweit sie sich gegen ersten Spruchpunkt des Straferkenntnisses richtete zu entscheiden.

Die Beschwerde, die der Beurteilung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin durch Beschäftigung von SV den Tatbestand des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG verwirklicht habe, inhaltlich nicht mehr entgegentritt - diesbezüglich ist eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen - und sich im Übrigen auch nicht gegen das Strafausmaß wendet, war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §64a Abs2;
AVG §64a Abs3;
AVG §64a;
VwRallg;
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter Abspruch
Bescheidbegriff Bescheidcharakter Diverses
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von
Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2012090051.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAE-72064