VwGH vom 27.07.2017, Ra 2017/02/0084
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des W in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom , Zl. LVwG-1-292/2016-R10, betreffend Übertretungen nach dem Vorarlberger Wettengesetz (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: BH Feldkirch), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber folgender Übertretungen für schuldig erachtet (Abkürzungen nicht im Original):
"1. Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und
sohin als das gemäß § 9 Abs 1 VStG nach außen vertretungsbefugte Organ der ‚S s.r.o.' mit Sitz in SVK-81108 B ... zu verantworten, dass dieses Unternehmen am im Wettlokal ‚S G' in 6840 G, M-straße, Wettkunden gewerbsmäßig an die Buchmacherfirma ‚S Sportwetten GmbH' mit Sitz in 6020 I, G-weg, vermittelt hat und somit die Tätigkeit eines Wettunternehmers iSd § 1 Abs 2 dritter Fall Wettengesetz ausgeübt hat, obwohl das Unternehmen nicht im Besitz einer hierfür erforderlichen Bewilligung der Vorarlberger Landesregierung war.
2. Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und
sohin als das gemäß § 9 Abs 1 VStG nach außen vertretungsbefugte Organ der ‚S s.r.o.' mit Sitz in SVK-81108 B ... zu verantworten, dass dieses Unternehmen als Wettunternehmer iSd § 1 Abs 2 dritter Fall Wettengesetz am im Wettlokal ‚S G' in 6840 G, M-straße, die Teilnahme an Livewetten und sohin an verbotenen Wetten (§ 1 Abs 6 Wettengesetz) ermöglicht hat. Am gegen 14:30 Uhr konnten Wetten auf das Fußballspiel South China FC vs. Pahang FA, Spielbeginn 14.00 Uhr, sowie auf das Fußballspiel FC Global vs. Yadanarbon, Spielbeginn 14:00 Uhr, während der laufenden Sportveranstaltung, bspw. für das nächste Tor oder für die Restzeit, abgeschlossen werden.
Tatzeit:
Tatort: G, M-straße
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 15 Abs 1 lit a iVm § 2 Abs 1 Gesetz über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten sowie die Vermittlung von Wettkunden (Wettengesetz), LGBL Nr. 18/2003 idF. LGB1. Nr. 44/2013
2. § 15 Abs 1 lit c iVm § 1 Abs 6 Gesetz über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten sowie die Vermittlung von Wettkunden (Wettengesetz), LGB1. Nr. 18/2003 idF LGB1. Nr. 44/2013
Wegen dieser/diesen Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:
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Zu | Geldstrafe Euro | falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von | Gemäß |
1 | 2.000,00 | 26 Stunden | § 15 Abs 3 Wettengesetz, LGBl. Nr. 18/2003 idF LGBl. Nr. 44/2013 |
2 | 2.000,00 | 26 Stunden | § 15 Abs 3 Wettengesetz, LGBl. Nr. 18/2003 idF LGBl. Nr. 44/2013 |
Ferner haben Sie zu bezahlen:
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Betrag Euro | Für |
200,00 | Strafverfahrenskosten gemäß § 64 Abs. 1 + 2 VStG |
200,00 | Strafverfahrenskosten gemäß § 64 Abs. 1 + 2 VStG |
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Zu zahlender Gesamtbetrag (Strafe/Barauslagen): | Euro 4.400,00" |
2 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
3 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, die S s.r.o. mit Sitz in B sei laut Untermietvertrag vom Untermieterin des Lokals M-straße in G. Die Hauptmieterin sei die S Sportwetten GmbH in I. Der Revisionswerber sei Geschäftsführer der S s.r.o. Die S Sportwetten GmbH verfüge über eine Wettbewilligung ohne Wettterminals vom bis an der Adresse M-straße in G. Am sei über Auftrag der BH Feldkirch eine Kontrolle im Lokal in der M-straße durchgeführt worden. Es seien ein Mitarbeiter sowie sechs Kunden anwesend gewesen. Dem Beamten sei bei der Kontrolle die Durchführung einer Testwette nicht ermöglicht worden. Ein Spieler habe den Wettablauf des Wettens erklärt. Dazu habe er dem Mitarbeiter des Lokals Bargeld gegeben und im Gegenwert eine Karte erhalten, mit der er am Wettterminal habe wetten können. Es sei ihm möglich gewesen, auf verschiedene Ergebnisse der Spiele oder etwa auch auf das nächste Tor zu wetten. Der Wettablauf habe zum Zeitpunkt der Kontrolle so funktioniert, dass der Kunde am Schalter an den Mitarbeiter des Wettbüros Bargeld übergeben habe und dieser habe dann den Betrag auf die Kundenkarte aufgeladen. In der Folge habe der Kunde an einem der Wettterminals ohne weitere Unterstützung eines Mitarbeiters sein Guthaben oder Teile davon von der Kundenkarte auf das Wettterminal übertragen und die dort angebotenen Wetten tätigen können. Für jede abgeschlossene Wette sei direkt am Terminal eine Quittung ausgedruckt worden, mit der es dem Kunden möglich gewesen sei, sich allfällige Wettgewinne in bar auszahlen und wiederum auf die Kundenkarte aufspielen zu lassen. An den Wettterminals sei es auch möglich gewesen, Livewetten wie eine Null-Stands-Wette, ein nächstes Tor usw. zu platzieren. Auf dem Wettterminal sei bei der Seitenansicht das Logo der S Sportwetten GmbH ersichtlich. Für die S s.r.o. sei keine Bewilligung vom Amt der Vorarlberger Landesregierung ausgestellt worden.
4 Das Verwaltungsgericht ging erkennbar auch davon aus, dass die Terminals sowie die Software von der S Sportwetten GmbH stammten. Im Lokal sei die S s.r.o. ansässig. Das Lokal werde von der S s.r.o. betrieben. Der Revisionswerber als Geschäftsführer der S s.r.o. habe im Namen des Buchmachers die Wetteinsätze eingenommen und einen allfälligen Wettgewinn im Namen des Buchmachers an die Wettkunden ausgezahlt. Die S s.r.o. sei Untermieterin der S Sportwetten GmbH gewesen.
5 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, dass die Wettannahmesysteme, über die die Vermittlungstätigkeit ausgeübt worden sei, Wettterminals im Sinne des § 5 Abs. 5 Wettengesetz seien. Die Wettkunden hätten an den Wettterminals den Wettgegenstand und den Wetteinsatz selbst bestimmen können. Ein Wettterminal sei jede technische Einrichtung in einer Betriebsstätte des Wettunternehmers, die geeignet sei, einer Person unmittelbar die Teilnahme an einer Wette zu ermöglichen.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
7 Die belangte Behörde hat auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Als zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision, weil Judikatur zu den Fragen fehle, ob die Ausgabe von Kundenkarten eines Buchmachers durch einen Dritten eine Tätigkeit eines Wettunternehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 dritter Fall Wettengesetz dieses Dritten darstelle, ob das Tätigwerden eines Dritten im Namen und auf Rechnung eines Wettunternehmers gleichsam auch eine selbständige Tätigkeit als Wettunternehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 dritter Fall Wettengesetz dieses Dritten darstelle und ob die für die Annahme einer Tätigkeit eines Wettunternehmers geforderte Gewerbsmäßigkeit nach § 1 Abs. 2 Wettengesetz auch dann vorliege, wenn ein Vermittler von Wettkunden an der Vermittlung in wirtschaftlicher Hinsicht nicht partizipiere.
9 Die Revision ist aus folgenden Gründen zulässig und berechtigt:
10 Gemäß § 1 Abs. 2 des Vorarlberger Gesetzes über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten sowie die Vermittlung von Wettkunden (Wettengesetz) idF LGBl. Nr. 44/2013 ist Wettunternehmer, wer Wetten gewerbsmäßig abschließt (Buchmacher), wer Wetten gewerbsmäßig vermittelt (Totalisateur) oder wer Wettkunden gewerbsmäßig vermittelt (Vermittler von Wettkunden).
11 Gemäß § 1 Abs. 6 Wettengesetz sind Wetten, die das sittliche Empfinden verletzen, sowie Wetten während eines laufenden Ereignisses (Livewetten), ausgenommen Livewetten auf das Endergebnis, verboten.
12 Nach § 2 Abs. 1 Wettengesetz bedarf die Tätigkeit eines Wettunternehmers in einer oder mehreren Betriebsstätten im Land einer Bewilligung der Landesregierung.
13 Eine Übertretung begeht gemäß § 15 Abs. 1 Wettengesetz unter anderem, wer die Tätigkeit als Wettunternehmer ohne die erforderliche Bewilligung oder Berechtigung aufgrund einer Anzeige ausübt (lit. a) und wer als Wettunternehmer die Teilnahme an einer verbotenen Wette (§ 1 Abs. 6) ermöglicht (lit. b).
14 Der Verfassungsgerichtshof sieht die Vermittlung von Wettkunden an Buchmacher und Totalisateure als eine der Tätigkeit der Buchmacher und Totalisateure vorgeschaltete Tätigkeit an. Sie erfolge mittlerweile vielfach über Wettterminals und das Internet. Der Wettkundenvermittler schließe dabei nicht unmittelbar eine Wette ab oder vermittle eine solche, sondern vermittle vielmehr den Wettkunden an den Buchmacher oder den Totalisateur. Der Vermittler nehme im Namen des Buchmachers oder Totalisateurs die Wetteinsätze ein und zahle einen allfälligen Gewinn in dessen Namen auch wieder aus (vgl. ).
15 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Beurteilung an, weshalb die zweite Zulässigkeitsfrage dahin zu beantworten ist, dass das Tätigwerden der S s.r.o. im Namen und auf Rechnung der S GmbH bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen eine Tätigkeit als Wettunternehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 dritter Fall Wettengesetz darstellte.
16 Die in der Revision zunächst gestellte Zulässigkeitsfrage lässt für sich rechtlich keine Relevanz erkennen, sondern kann nur im Zusammenhang mit der zweiten Frage gesehen werden, weil nach den Feststellungen keine Ausgabe von Kundenkarten eines Buchmachers durch einen Dritten erfolgte, sondern der Kunde am Schalter an den Mitarbeiter des Wettbüros Bargeld übergeben und dieser dann den Betrag auf die Kundenkarte aufgeladen hat.
17 Hinsichtlich der dritten Zulässigkeitsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2016/02/0189, ausgeführt, dass das Vermitteln von Wettkundinnen und Wettkunden ein Tätigwerden des Vermittlers zur Zuführung von Wettkundinnen und Wettkunden an Buchmacher oder Totalisateure, das typischerweise durch eine Provision für jede abgeschlossene Wette honoriert wird, erfordert.
18 Dahingehend hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies führt weiter zum Tatbestandsmerkmal der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkunden, wozu das Verwaltungsgericht ebenfalls keinerlei Feststellungen getroffen hat (zur Gewerbsmäßigkeit vgl. die Definition in § 1 Gewerbeordnung 1994). Auch hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen zu den näheren Umständen des Tätigwerdens des Vermittlers zur Zuführung von Wettkunden getroffen.
19 Das Verwaltungsgericht ist auf Basis eines unvollständig festgestellten Sachverhaltes zu Unrecht davon ausgegangen, es seien Wettkunden gewerbsmäßig vermittelt worden.
20 Da der festgestellte Sachverhalt eine abschließende Beurteilung dieser Rechtsfrage nicht erlaubt, weil er in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2013.
Wien, am
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Schlagworte: | Verfahrensbestimmungen Diverses |
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