VwGH 26.09.2012, 2010/04/0095
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Im Beschwerdefall kommt der Beschwerdeführerin bereits auf Grund ihrer Stellung als Nachbarin der gegenständlichen Betriebsanlage die beschränkte Parteistellung im Verfahren gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 zu. Das Erheben von Einwendungen zum Zwecke der Aufrechterhaltung dieser Parteistellung ist gemäß § 42 Abs. 1 AVG nur dann notwendig, wenn eine mündliche Verhandlung, deren Kundmachung der letztgenannten Vorschrift entspricht, durchgeführt wird. Nur im Fall der Durchführung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verhandlung konnte die Beschwerdeführerin ihre beschränkte Parteistellung wieder verlieren (vgl. zur mündlichen Verhandlung als Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionsfolgen etwa Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 3 zu § 42). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/04/0087 E RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Eine Versäumung einer mündlichen Verhandlung nach § 71 Abs. 1 AVG tritt dann nicht ein, wenn die Partei (um eine solche handelt es sich im vorliegenden Fall auf Grund einer beschränkten Parteistellung nach § 359b GewO 1994) nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen wurde. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Dr. Alois Autherith, Dr. Herwig Hammerer und Mag. Rainer Samek, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Krems an der Donau vom , Zl. KS-AN-4104/10/42-2010, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: A in B, vertreten durch Dr. Christoph Brenner - Mag. Severin Perschl Rechtsanwälte OG, in 3500 Krems, Ringstraße 68), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte die belangte Behörde gemäß den §§ 71 und 72 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "für das gewerbebehördliche Verfahren" (gemeint: gegen die Versäumung der Verhandlung) zur Errichtung und zum Betrieb einer Steckerlfischverkaufsstelle mit Griller durch die Beschwerdeführerin an einem näher genannten Standort (erster Spruchabschnitt) und sprach aus, dass die der Beschwerdeführerin mit gewerbebehördlichem Bescheid vom "erteilte Genehmigung" für die Errichtung und den Betrieb einer Steckerlfischverkaufsstelle mit Griller an diesem Standort hiermit außer Kraft trete (zweiter Spruchabschnitt).
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bei ihr eingelangten Eingaben (u.a.) der Mitbeteiligten aus, das gegenständliche (Genehmigungs-)Verfahren sei gemäß § 359b GewO 1994 durchgeführt worden. Somit hätten die Anrainer mittels Anschlag der Verhandlungsausschreibung über den Antrag der Beschwerdeführerin sowie die Augenscheinsverhandlung am informiert werden sollen. Auf Grund der Eingabe der Mitbeteiligten sei festgestellt worden, dass kein Nachweis über die Anbringung der Anschläge vorliege. Es sei somit davon auszugehen, dass die Anrainer nicht gehört und dadurch deren Rechte nicht gewahrt worden seien. Deshalb sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und das Genehmigungsverfahren fortzusetzen. Die mit gewerbebehördlichem Bescheid vom der Beschwerdeführerin erteilte Genehmigung sei somit außer Kraft zu setzen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf richtige Anwendung der Bestimmungen der §§ 71 und 72 AVG und somit in ihrem Recht auf Aufrechterhaltung des Feststellungsbescheides vom verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie vor, über ihren Antrag auf gewerbebehördliche Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Steckerlfischverkaufsstelle sei in einem gemäß § 359b GewO 1994 durchgeführten Verfahren verhandelt und durch Feststellungsbescheid entschieden worden. Gemäß § 359b GewO 1994 hätten Nachbarn, sohin auch die Mitbeteiligte, im sogenannten vereinfachten Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahren keine Parteistellung, sofern sie subjektiv-öffentliche Nachbarrechte geltend machten. Nachbarn seien daher zu keiner im vereinfachten Verfahren abgeführten Verhandlung als Parteien zu laden. Das Projekt sei lediglich durch Anschlag mit dem Hinweis auf ein Anhörungsrecht der Nachbarn bekannt zu machen. Über die in Wahrung des Anhörungsrechtes vorgebrachten Einreden von Nachbarn habe die Behörde nicht zu entscheiden. Die Mitbeteiligte habe somit durch die Versäumung der in diesem Verfahren anberaumten Augenscheinsverhandlung vom nicht in ihren Parteirechten beeinträchtigt werden können. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung und die damit verbundene Aufhebung aller Verfahrensschritte ab einschließlich der Verhandlung vom sei somit verfehlt. Die Mitbeteiligte habe in ihrem Wiedereinsetzungsantrag ausschließlich geltend gemacht, durch die Versäumung der Verhandlung vom an der Einwendung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte gegen die geplante Betriebsanlage gehindert worden zu sein. Gerade derartige Einwendungen begründeten jedoch im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 359b GewO 1994 keine Parteistellung. Eine allfällige auf Verletzung subjektivöffentlicher Nachbarrechte gestützte Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom wäre zurückzuweisen. Umso weniger könne der Mitbeteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Augenscheinsverhandlung vom bewilligt werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung (u.a.) einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, (u.a.) zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Gemäß § 72 Abs. 1 AVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
Gemäß § 72 Abs. 4 AVG ist gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung kein Rechtsmittel zulässig.
2. Die Beschwerdeführerin ist zunächst mit ihrer Ansicht im Recht, den vorliegenden verfahrensrechtlichen Bescheid über die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unmittelbar mittels Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof anfechten zu können (vgl. § 72 Abs. 4 AVG, siehe dazu auch die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 72 Rz. 13, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
3. Die belangte Behörde hat auf Grund des Vorbringens der Mitbeteiligten in Verbindung mit der ihr vorliegenden Aktenlage das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Verhandlung bejaht. Sie hat dies damit begründet, dass die der Mitbeteiligten als Anrainerin zukommenden Rechte nicht gewahrt wurden, weil ein Nachweis über die Verständigung der Mitbeteiligten von der anberaumten Augenscheinsverhandlung nicht vorliege. Dem tritt die Beschwerdeführerin mit ihrem wiedergegebenen Vorbringen nicht entgegen.
4. Nach der hg. Rechtsprechung kommt den Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 eine eingeschränkte Parteistellung zu, die auf die Frage beschränkt ist, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach § 359b GewO 1994 erfüllt sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/04/0136 und 0137, mwN).
Das Erheben von Einwendungen zum Zwecke der Aufrechterhaltung dieser Parteistellung ist gemäß § 42 Abs. 1 AVG nur dann notwendig, wenn eine mündliche Verhandlung, deren Kundmachung der letztgenannten Vorschrift entspricht, durchgeführt wird. Nur im Falle der Durchführung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verhandlung kann die beschränkte Parteistellung verloren gehen (vgl. auch hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/04/0136 und 0137, mwN).
Im Beschwerdefall wurde am eine mündliche Verhandlung durchgeführt, doch wurden nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides die Anrainer (gemeint: gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994) nicht ordnungsgemäß geladen.
Eine Versäumung einer mündlichen Verhandlung nach § 71 Abs. 1 AVG tritt jedoch dann nicht ein, wenn die Partei (und um eine solche handelte es sich bei der Mitbeteiligten auf Grund der ihr zukommenden beschränkten Parteistellung nach § 359b GewO 1994) nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen wurde (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz. 29, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
5. Der angefochtene Bescheid ist daher bereits aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig und war wegen seines untrennbaren Zusammenhanges (der zweite Spruchabschnitt gibt lediglich die bereits ex lege gemäß § 72 Abs. 1 AVG eintretende Wirkung der Bewilligung der Wiedereinsetzung wieder) in seinem gesamten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Für das fortgesetzte Verfahren ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Mitbeteiligte mangels ordnungsgemäßer Kundmachung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG ihre beschränkte Parteistellung im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO 1994 nicht verloren hat und daher einen Anspruch auf Zustellung der insoweit ergehenden Erledigung hat.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Gewerberecht Nachbar übergangener Übergangene Partei |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2010040095.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAE-72028