VwGH vom 28.03.2006, 2005/03/0209
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J H in T, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 39, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT-53.497/0003-II/L1/2005, betreffend Widerruf gemäß § 40 Luftfahrtgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurden die dem Beschwerdeführer mit Bescheiden vom (Privatpilotenschein), (Berufspilotenschein) und (Linienpilotenschein) erteilten Erlaubnisse zur Ausübung von Zivilluftfahrertätigkeiten gemäß §§ 25, 26, 32 und 40 des Luftfahrtgesetzes, BGBl Nr 253/1957 idF BGBl I Nr 98/2005 (LFG), widerrufen und die Rückgabe der Zivilluftfahrt-Personalausweise vorgeschrieben.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer als Kraftfahrer zweimal gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen habe, was jeweils zum Entzug seiner Lenkberechtigung geführt habe. So habe er am im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle, bei der die kontrollierenden Beamten deutliche Alkoholisierungssymptome wahrgenommen hätten, die Durchführung eines Testes mittels Alkomat verweigert, was zur Entziehung seiner Lenkberechtigung für die Dauer von vier Monaten geführt habe. Mit Bescheid vom sei dem Beschwerdeführer wiederum die Lenkberechtigung, diesmal für die Dauer von neun Monaten, entzogen worden, weil am im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle bei ihm eine Alkoholisierung im Ausmaß von 1,58 ‰ Blutalkoholwert festgestellt worden sei. Für die Frage der Verlässlichkeit nach § 32 LFG sei maßgeblich, ob auf Grund des bisherigen Verhaltens des Betreffenden anzunehmen sei, dass er den aus dem LFG sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen werde. Gemäß § 7 der Zivilluftfahrt-Personalverordnung (ZLPV) sei als verlässlich insbesondere nicht anzusehen, wer Alkohol oder Suchtgifte missbrauche oder wer sich einer schweren Zuwiderhandlung oder wiederholter Zuwiderhandlung gegen die Zoll- oder Verkehrsvorschriften oder gegen eine Vorschrift zum Schutz der körperlichen Sicherheit schuldig mache. Bei der erforderlichen Prüfung sei vom Gesamtverhalten des Betroffenen auszugehen und von diesem auf sein Persönlichkeitsbild zu schließen. Die festgestellten Verfehlungen des Beschwerdeführers seien als schwerwiegend zu werten, zumal die vom Betrieb von Luftfahrzeugen ausgehenden Gefährdungen ein wesentlich größeres Ausmaß hätten als jene von Fahrzeugen im Straßenverkehr. Diese Verfehlungen könnten durch die vom Beschwerdeführer aufgezeigten positiven Aspekte seiner Persönlichkeit (Tätigkeit als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr) nicht aufgewogen werden; der Zeitraum des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers seit Ablauf der Entziehungsdauer am sei zu kurz, um substantielle Auswirkungen zu haben.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 25 Luftfahrtgesetz, BGBl Nr 253/1957 idF BGBl I Nr 98/2005 (LFG), gehören zum zivilen Luftfahrtpersonal alle in der Zivilluftfahrt tätigen Personen, deren Tätigkeit für die Sicherheit der Luftfahrt von Bedeutung ist und flugtechnische oder flugbetriebliche Kenntnisse voraussetzt.
Gemäß § 26 LFG ist zur Ausübung der in § 25 angeführten Tätigkeiten eine Erlaubnis der Austro Control GmbH oder einer auf Grund einer Übertragung gemäß § 140b zuständigen Behörde erforderlich. Diese Erlaubnis ist durch schriftlichen Bescheid zu erteilen (Zivilluftfahrt-Personalausweis).
Voraussetzung für die Erteilung eines Zivilluftfahrerscheines ist u.a. gemäß § 30 Abs 1 lit b LFG die Verlässlichkeit.
Gemäß § 32 LFG ist ein Bewerber um einen Zivilluftfahrerschein dann als verlässlich anzusehen (§ 30 Abs 1 lit b), wenn auf Grund seines bisherigen Verhaltens anzunehmen ist, dass er den aus diesem Bundesgesetz sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen wird.
Gemäß § 40 Abs 1 LFG ist die Erlaubnis zur Ausübung der in § 25 angeführten Tätigkeiten zu widerrufen und die Rückgabe der hierüber ausgestellten Ausweise vorzuschreiben, wenn eine der Voraussetzungen, die zur Erteilung der Erlaubnis geführt haben, nicht oder nicht mehr gegeben sind.
Gemäß § 7 der Zivilluftfahrt-Personalverordnung (ZLPV), BGBl Nr 219/1958, ist als verlässlich im Sinne der §§ 28, 32 und 51 LFG in der Regel insbesondere nicht anzusehen, wer beschränkt oder voll entmündigt ist, Alkohol oder Suchtgifte missbraucht oder wer sich einer schweren Zuwiderhandlung oder wiederholter Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- oder Verkehrsvorschriften oder gegen die Vorschriften zum Schutz der körperlichen Sicherheit schuldig gemacht hat.
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass die beiden Vorfälle bei Berücksichtigung seines Gesamtverhaltens nicht ausreichten, seine fehlende Verlässlichkeit zu begründen. So habe er keinen Verkehrsunfall - schon gar nicht in alkoholisiertem Zustand - verursacht, sein Führerschein sei ihm am wieder ausgefolgt worden, weshalb er nicht nur PKW, sondern (als Inhaber der Lenkberechtigungen für die Klassen A, B, C, E, F und
G) auch Gefahrgut befördern dürfe. Die daraus resultierenden
Gefahren seien durchaus mit dem Führen eines Luftfahrzeuges zu vergleichen. Positiv zu bewerten sei, dass er keine weiteren Verwaltungsvorstrafen aufweise und zudem jahrelang im Rahmen der Freiwilligen Feuerwehr karitative Tätigkeiten geleistet habe. Er sei am Tag nach der Führerscheinabnahme vom von seinem Arbeitgeber, der T Airways, trotz Kenntnis des Vorfalls aufgefordert worden, den schon eingeteilten Flugdienst zu versehen. Durch den Entzug der Luftfahrerscheine würde seine Existenz vernichtet, er müsste dann in einem ganz anderen Beruf neu beginnen. Verglichen mit dem dem hg Erkenntnis vom , Zl 2002/03/0069, zu Grunde liegenden Sachverhalt (der dortige Beschwerdeführer sei mehrfach strafgerichtlich verurteilt worden, was nicht ausgereicht habe, seine mangelnde Verlässlichkeit zu begründen) überwögen in seinem Fall jedenfalls die positiven Aspekte, weshalb seine weitere Verlässlichkeit anzunehmen sei.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.
Ausgehend von § 32 LFG ist für die Frage der Verlässlichkeit maßgeblich, ob auf Grund des bisherigen Verhaltens des Inhabers eines Zivilluftfahrtscheines anzunehmen ist, dass er den aus diesem Bundesgesetz sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen werde. Als verlässlich ist gemäß § 7 ZLPV ua nicht anzusehen, wer sich einer schweren Zuwiderhandlung gegen eine Verkehrsvorschrift oder eine Vorschrift zum Schutz der körperlichen Sicherheit schuldig macht.
Dem Beschwerdeführer war bereits mit Bescheid vom die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Monaten entzogen worden, weil er im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle am , bei der die kontrollierenden Beamten deutliche Alkoholisierungssymptome wahrnahmen, die Durchführung eines Alkotests verweigerte. Mit Bescheid vom war ihm wiederum die Lenkberechtigung - nunmehr für die Dauer von neun Monaten - entzogen worden, weil im Zuge einer am durchgeführten Lenker- und Fahrzeugkontrolle ein Blutalkoholwert von 1,58 ‰ festgestellt worden war. Mit diesen Verhaltensweisen hat der Beschwerdeführer gegen § 99 Abs 1 lit b bzw Abs 1a StVO verstoßen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zählen Alkoholdelikte zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2004/11/0013). Für diese Bewertung ist nicht entscheidend, ob es zu einem Unfall gekommen ist. Die Verwerflichkeit der Wiederholung solcher Delikte fällt daher besonders ins Gewicht. In Betracht zu ziehen ist auch, dass der Beschwerdeführer am in erheblichem Ausmaß alkoholisiert war.
Wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, auf Grund der beiden Alkoholdelikte des Beschwerdeführers könne nicht mehr angenommen werden, dass er noch die vom LFG geforderte Verlässlichkeit aufweise, ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer ab , also rund dreieinhalb Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, wieder über die ihm zuvor entzogenen Lenkberechtigungen verfügte, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, weil diese Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers zu kurz ist, um seine Verlässlichkeit im Sinne des § 30 Abs 1 lit b LFG wieder herzustellen. Zwar ist im Sinne des § 7 Abs 2 ZLPV auf die seit den Vorfällen vom Dezember 2001 und September 2004 verstrichene Zeit und insbesondere das Verhalten des Beschwerdeführers seither Bedacht zu nehmen, doch ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die Entziehung der Lenkberechtigung mit Bescheid vom den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten hat, am wiederum ein gravierendes Alkoholdelikt zu begehen. Entscheidend ins Gewicht fällt aber der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, dass eine alkoholbedingte Beeinträchtigung im Flugverkehr wesentlich schwerwiegender wirkt als im Straßenverkehr. So ist das Gefährdungspotential im Luftverkehr schon wegen der regelmäßig größeren Anzahl der von einem Berufspiloten beförderten, durch einen alkoholbeeinträchtigten Piloten unmittelbar gefährdeten Passagiere größer, aber auch im Hinblick auf die mit einem Luftfahrtunglück für Dritte entstehenden Gefahren. Zudem ist auch der Betrieb eines Luftfahrzeuges ein wesentlich komplexerer Vorgang als der Betrieb eines Kraftfahrzeuges. Ein mögliches durch einen alkoholbeeinträchtigten Piloten herbeigeführtes Luftfahrtunglück ist mit einem derart hohen Gefährdungspotential verbunden, dass selbst eine nur mehr geringe "Rückfallgefahr" ein ins Gewicht fallendes, die Verlässlichkeit ausschließendes Risiko bedeutet.
Dass die Hintanhaltung einer derartigen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Ausschluss eines nicht verlässlichen Piloten von der Tätigkeit in der Zivilluftfahrt gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers, der seinen bisherigen Beruf deshalb nicht mehr ausüben kann, Vorrang hat, wurde schon von der belangten Behörde zutreffend dargestellt.
Warum aus dem vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Umstand, er sei am Tag nach der Führerscheinabnahme von seinem Dienstgeber aufgefordert worden, den Flugdienst zu versehen und habe dies auch gemacht, für die nach § 32 LFG vorzunehmende Beurteilung seiner Verlässlichkeit etwas zu seinen Gunsten abzuleiten wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.
Nicht zielführend ist schließlich der Versuch des Beschwerdeführers, aus dem hg Erkenntnis vom , Zl 2002/03/0069, abzuleiten, in seinem Fall sei die Verlässlichkeit gegeben. In dem diesem Vorerkenntnis zu Grunde liegenden Beschwerdefall war von der belangten Behörde die fehlende Verlässlichkeit im Wesentlichen auf zwei knapp hintereinander durchgeführte unzulässige gewerbliche Ballonfahrten des dortigen Beschwerdeführers gestützt worden, wobei das diesbezüglich mangelhafte Verfahren zur Aufhebung zu führen hatte, weil auch die im Übrigen aufgezeigten strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht näher konkretisiert, insbesondere die zugrunde liegenden Verhaltensweisen nicht festgestellt worden waren. Aus dieser Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften können aber nicht die vom Beschwerdeführer gewünschten Schlüsse gezogen werden.
Vielmehr wurde vom Verwaltungsgerichtshof schon im hg Erkenntnis vom , Zl 2000/03/0040, die große Bedeutung eines in jeder Hinsicht unbeeinträchtigten körperlichen und geistigen Zustandes eines Piloten bei Ausübung der Zivilluftfahrt dargestellt.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann auch der Nachweis der Fliegertauglichkeit durch ein psychologisches Gutachten nicht "zu seinen Gunsten" gewertet werden, betrifft dieser Nachweis doch die - gesondert geforderte - Voraussetzung der Tauglichkeit (§ 30 Abs 1 lit c iVm § 33 LFG).
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2004/05/0258).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.
Wien, am