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VwGH vom 11.09.2013, 2010/04/0087

VwGH vom 11.09.2013, 2010/04/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde des X in Y (Tschechien), vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zl. BMWFJ- 34.082/0289-I/4/2010, betreffend Gleichhaltung eines ausländischen Prüfungszeugnisses nach § 27a Berufsausbildungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen "Gleichhaltungsantrag: Lehrabschlussprüfung". Darin ersuchte der Beschwerdeführer zunächst um Gleichhaltung seiner in Tschechien abgelegten Abschlussprüfung bzw. absolvierten Ausbildung mit der österreichischen Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf "Fleischer u. Fleischerverarbeitung" gemäß § 27a Abs. 2 des Berufsausbildungsgesetzes (BAG); falls die von ihm vorgelegten Unterlagen nicht zum Nachweis der Gleichwertigkeit seiner Ausbildung ausreichen sollten, ersuchte der Beschwerdeführer um Zulassung zur Lehrabschlussprüfung gemäß § 27a Abs. 4 BAG.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens - dem Antrag auf Gleichhaltung der vom Beschwerdeführer in Tschechien abgelegten Abschlussprüfung mit der Lehrabschlussprüfung im österreichischen Lehrberuf Fleischverarbeiter gemäß § 27a Abs. 2 BAG nicht statt; allerdings gab die belangte Behörde dem (Eventual )Antrag des Beschwerdeführers mit der Maßgabe Folge, dass dieser gemäß § 27a Abs. 4 BAG zur Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fleischverarbeiter (gemäß der Fleischverarbeitung-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 188/2000) im Umfang der Gegenstände "Prüfarbeit" und "Fachgespräch" zugelassen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, es lägen nunmehr folgende Unterlagen vor:

"1. Abschlussprüfungszeugnis vom über die

an der Lebensmittelberufsschule in (T.) im Studienfach Metzger und

Selcher bestandene Abschlussprüfung,

2. Zeugnis über die an der Fachberufsschule für

Nahrungsmittel in (T.) im Lehrfach Fleischer und Selcher im

Schuljahr 1987/1988 vermittelten Unterrichtsgegenstände der

dritten Klasse,

3. zwei Zeugnisse für die Schuljahre 1985/1986 und

1986/1987, nicht übersetzt,

4. Arbeitsbescheinigung, Dienstvertrag, An- und

Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse über die Tätigkeit als

Fleischer bei der (K.) OEG in (H.) in der Zeit vom bis

,

5. Arbeitsbescheinigung über die Tätigkeit als Metzger

in der Zeit vom bis , bestätigt durch die (I.)

GmbH in Wels,

6. Arbeitsbescheinigung, Lohnzettel und

Kündigungsschreiben über die Tätigkeit als Metzger bei der

(P.) GmbH in (K.) in der Zeit vom bis ,

7. Versicherungsdatenauszug über alle

Beschäftigungszeiten in den Jahren 1993 bis 2006,

8. Lebenslauf,

9. tschechischer Reisepass."

Begründend führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 27a Abs. 2 bis 4 BAG - im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe in Tschechien eine dreijährige Lebensmittelberufsschule mit einschlägigen Unterrichtsgegenständen besucht und mit einer Abschlussprüfung abgeschlossen. Ein Nachweis über das Ausmaß der praktischen Ausbildung sei jedoch trotz Aufforderung nicht beigebracht worden. Die vom Beschwerdeführer absolvierten Ausbildungsinhalte hätten zwar facheinschlägige Kenntnisse vermitteln können, eine Gleichwertigkeit "mit der österreichischen dualen Ausbildung" im Lehrberuf Fleischverarbeiter sei allerdings, insbesondere wegen der überwiegend schulisch orientierten Ausbildung, nicht gegeben.

Aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung und des negativen Ergebnisses einer (im Zuge eines Verfahrens auf Zuerkennung einer Invaliditätspension in Österreich durchgeführten) Berufs- und Qualifikationsprüfung komme eine völlige Gleichhaltung gemäß § 27a Abs. 2 BAG mangels erworbener und nachgewiesener Fertigkeiten und Kenntnisse, wie sie "in Österreich bei Absolvierung der Lehre im Lehrberuf Fleischverarbeiter üblicherweise erlangt" würden, nicht in Betracht. Die vorgelegten Unterlagen reichten aber für die Annahme aus, dass der Beschwerdeführer nach entsprechender Vorbereitung und erfolgreicher Absolvierung der vorgeschriebenen Prüfungsteile der Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fleischverarbeiter über die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse im Sinn des § 21 Abs. 1 BAG verfüge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die von der belangten Behörde zugrunde gelegten Bestimmungen des BAG (in der Fassung des BGBl. I Nr. 82/2008) lauten wie folgt:

" Lehrabschlußprüfung

§ 21. (1) Zweck der Lehrabschlußprüfung ist es festzustellen, ob sich der Lehrling die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeignet hat und in der Lage ist, die dem erlernten Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten selbst fachgerecht auszuführen. Die Lehrabschlußprüfung gliedert sich in eine praktische und eine theoretische Prüfung und besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil.

(…)

Gleichhaltung von ausländischen Prüfungszeugnissen

§ 27a. (1) Ausländische Prüfungszeugnisse sind den entsprechenden österreichischen Prüfungszeugnissen, die von diesem Bundesgesetz erfaßt sind, gleichgehalten, wenn dies in Staatsverträgen oder durch Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Gleichwertigkeit im Sinne des Abs. 2 festgestellt wurde, festgelegt worden ist. Hierüber ist über Antrag eine Bestätigung durch die Lehrlingsstelle auszustellen.

(2) Eine im Ausland erfolgreich abgelegte Prüfung, die durch

Abs. 1 nicht erfaßt ist, ist auf Antrag desjenigen, der diese

Prüfung abgelegt hat, vom Bundesminister für wirtschaftliche

Angelegenheiten der entsprechenden Prüfung, die von diesem

Bundesgesetz erfaßt ist, gleichzuhalten, wenn nachgewiesen wird,

a) daß die Berufsausbildung und die in der Prüfung

nachgewiesenen Fertigkeiten und Kenntnisse in Zusammenhalt mit

allenfalls bereits zurückgelegten facheinschlägigen Tätigkeiten in

der Hinsicht gleichwertig sind, daß der Antragsteller in der Lage

ist, die dem entsprechenden Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten

selbst fachgerecht auszuführen (Gleichwertigkeit) und

b) daß der betreffende ausländische Staat die

österreichische Prüfung ebenfalls anerkennt (Gegenseitigkeit).

(3) Das Erfordernis der Gegenseitigkeit entfällt, wenn die

Prüfung im Ausland abgelegt wurde

a) von einem österreichischen Staatsbürger oder

b) von einer auf Grund von Staatsverträgen

gleichgestellten Person oder

c) von einer Person, der die Erbringung dieses

Nachweises unzumutbar ist und deren berufliches Fortkommen ohne Gleichhaltung wesentlich beeinträchtigt wäre.

(4) Wenn die Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen werden kann, jedoch glaubhaft gemacht wird, daß die im Ausland zurückgelegte Berufsausbildung in weiten Bereichen einer Ausbildung in einem Lehrverhältnis und die bei der Prüfung im Ausland nachgewiesenen Fertigkeiten und Kenntnisse in weiten Bereichen dem im § 21 Abs. 1 festgelegten Zweck einer Lehrabschlußprüfung nahekommen, ist vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten statt der Gleichhaltung die Zulassung zur Lehrabschlußprüfung auszusprechen und unter Bedachtnahme auf die berufspraktischen Erfordernisse gleichzeitig festzulegen, welche Gegenstände des praktischen Teils der Lehrabschlußprüfung abzulegen sind."

2. Die im Beschwerdefall maßgebliche Fassung des § 27a BAG geht auf die Novelle des BAG durch BGBl. Nr. 23/1993, ausgegeben am , zurück und ist am in Kraft getreten.

Nach diesem Zeitpunkt wurde die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom , 22 (Berufsqualifikationsrichtlinie; im Folgenden: BQ-RL), erlassen, welche nach ihrem Art. 63 von den Mitgliedstaaten bis spätestens umzusetzen war.

Unter den für den Anwendungsbereich dieser Richtlinie zentralen Begriff des "reglementierten Berufes" fallen alle beruflichen Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a BQ-RL); dazu gehören sowohl Ausbildungsnachweise für Abschlüsse, die von einer Behörde ausgestellt werden, als auch Befähigungsnachweise im Sinne von anderweitigen Prüfungszeugnissen oder Berufserfahrung (vgl. Kluth/Rieger , EuZW 2005, 487).

3. Mit dem gegenständlichen (Haupt )Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Gleichhaltung seiner in Tschechien abgelegten Abschlussprüfung mit der Lehrabschlussprüfung im österreichischen Lehrberuf Fleischverarbeiter. Schon mit Blick auf die Bestimmungen der Fleischverarbeitung-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 188/2000, handelt es sich bei diesem Lehrberuf ohne Zweifel um einen reglementierten Beruf im Sinn des Art. 3 Abs. 1 lit. a BQ-RL (vgl. auch § 94 Z. 19 GewO 1994).

Art. 17 BQ-RL (unter Kapitel II des Teiles III) sieht für die im Anhang IV Verzeichnis I der Verordnung genannten Tätigkeiten (darunter "Schlachterei und Herstellung von Fleischwaren und - konserven") grundsätzlich eine Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat erworbener Berufserfahrung als Nachweis für die Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausübung dieser Tätigkeiten vor.

Wird eine Berufsqualifikation allerdings den (u.a.) in Kapitel II aufgestellten Anforderungen nicht gerecht, so findet als allgemeine Auffangregelung Kapitel I des Titels III der BQ-RL Anwendung (vgl. Kluth/Rieger , EuZW 2005, 488). Nach diesen Bestimmungen haben die Mitgliedstaaten in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise, welche dort zur Aufnahme und Ausübung eines Berufs erforderlich sind, anzuerkennen (Art. 13 BQ-RL). Art. 11 BQ-RL unterscheidet in diesem Zusammenhang fünf verschiedene Qualifikationsniveaus von Befähigungs- und Ausbildungsnachweisen.

Im Kern wird durch die Berufsqualifikationsrichtlinie somit im Wege der gegenseitigen Anerkennung der Berufsqualifikationen Personen der Zugang zum Markt des Aufnahmemitgliedstaates ermöglicht, indem ihnen gestattet wird, im Aufnahmemitgliedstaat denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat qualifiziert sind, aufzunehmen und unter denselben Voraussetzungen wie Inländer auszuüben (Art. 4 Abs. 1 BQ-RL; vgl. Hauser , zfhr 2008, 6 ff).

4. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bestimmungen des § 27a BAG (in der Fassung des BGBl. Nr. 23/1993) wurden allerdings vom Gesetzgeber nicht an das Anerkennungsregime der BQ-RL angepasst.

§ 27a Abs. 2 BAG, der von der belangten Behörde zur Abweisung des (Haupt )Antrages des Beschwerdeführers herangezogen wurde, stellt im Kern auf die Gleichwertigkeit der "im Ausland erfolgreich abgelegten Prüfung" und auf die Gegenseitigkeit der Prüfungsanerkennung ab. Mit Blick auf die dargestellten Bestimmungen der am in Kraft getretenen (und bis umzusetzenden) BQ-RL ist diese Bestimmung unionsrechts-, also richtlinienkonform auszulegen (vgl. zur richtlinienkonformen Interpretation die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/03/0107, und vom , Zl. 2011/03/0143, sowie - unter Bezugnahme gerade auf § 27a Abs. 2 BAG - das Zl. 10 ObS 90/12a = DRdA 2013, 172).

Die belangte Behörde hätte somit die Frage der Anerkennung der Berufsqualifikation des Beschwerdeführers (und damit der Gleichhaltung im Sinn des § 27a Abs. 2 BAG) anhand der in der BQ-RL normierten Voraussetzungen prüfen müssen. Zunächst wäre demnach zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsmitgliedstaat eine der in Art. 17 BQ-RL beschriebenen Tätigkeiten ausgeübt hat. Falls dies nicht der Fall sein sollte, wäre zu prüfen, ob der vom Beschwerdeführer durch die in Tschechien abgelegte Abschlussprüfung allenfalls erlangte Ausbildungsnachweis nach den Bestimmungen des Kapitels I des Titels III der BQ-RL (insbesondere deren Art. 11, 13) anzuerkennen ist.

5. Da die belangte Behörde eine Prüfung nach § 27a Abs. 2 BAG in der dargelegten richtlinienkonformen Weise nicht vorgenommen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am