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VwGH vom 30.04.2018, Ra 2017/01/0417

VwGH vom 30.04.2018, Ra 2017/01/0417

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der Wiener Landesregierung gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 152/022/4650/2017-31, betreffend Staatsbürgerschaft (Mitbeteiligter: E F K in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Antrag vom begehrte der Mitbeteiligte unter der Identität N B, geboren am in A A (Sudan), die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

2 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom abgewiesen.

3 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/01/0049, wurde die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde abgewiesen, weil der Mitbeteiligte weder die Aufenthaltsfrist gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) noch jene nach § 11a Abs. 4 StbG erfüllt habe (gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen).

4 Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom wurde das Ansuchen des Mitbeteiligten "E F K, geboren am in B/Bundesrepublik Nigeria, alias N B, geboren am in A A/Republik Sudan" um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewiesen.

5 Begründend führte die Wiener Landesregierung im Wesentlichen aus, neben den festgestellten Rechtsverletzungen (Verwaltungsstrafverfahren nach der StVO und der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung) seien auch positive Umstände wie die langjährige Aufenthaltsdauer des Mitbeteiligten zu berücksichtigen. Doch überwiegten die negativen Umstände, welche sich primär aus dem Umstand ergäben, dass der Mitbeteiligte wissentlich über 12 Jahre hinweg falsche Angaben hinsichtlich seiner Person gemacht sowie dem Amt eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt habe. Weiters könne die Anzahl der Verwaltungsvormerkungen nicht außer Acht gelassen werden, insbesondere da sich der Mitbeteiligte aus beruflichen Gründen im Straßenverkehr bewege. Somit liege ein Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vor.

6 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an

das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht).

Angefochtenes Erkenntnis

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben und dem Mitbeteiligten unter der Identität E F K, geboren am in B, Nigeria, gemäß § 20 Abs. 1 iVm § 11a Abs. 6 Z 1 StbG die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass dieser innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (der Bundesrepublik Nigeria) nachweise (I.).

8 Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (II.). 9 Begründend stellte das Verwaltungsgericht folgenden

Sachverhalt fest:

10 Der Mitbeteiligte heiße E F K und sei am in B (Bundesrepublik Nigeria) geboren. Er sei Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria. Zum Zeitpunkt seiner Antragstellung (am ) sei der Mitbeteiligte unverheiratet gewesen und habe keine Kinder gehabt. Am habe der Mitbeteiligte seine nunmehrige Ehefrau geheiratet. Am sei das eheliche Kind geboren worden.

11 Im Jahr 1997 sei der Mitbeteiligte unter dem Namen N B nach Österreich eingereist und habe sich als sudanesischer Staatsangehöriger ausgegeben. Seitdem lebe der Mitbeteiligte durchgehend in Österreich.

12 Erst im Jahr 2016 habe der Mitbeteiligte erstmals gegenüber der belangten Behörde seine wahre Identität bekanntgegeben.

13 Am sei dem Mitbeteiligten ein bis gültiger Niederlassungsnachweis ausgestellt worden. Am sei dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU erteilt worden.

14 Gegen den Mitbeteiligten liege keine ungetilgte rechtskräftige Verurteilung wegen einer Vorsatztat vor. Ebenso wenig sei der Mitbeteiligte wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch sei gegen ihn kein Strafverfahren bei einem inländischen Gericht anhängig.

15 Seit 2011 habe der Mitbeteiligte drei näher bezeichnete Verwaltungsübertretungen begangen.

16 Der Mitbeteiligte habe im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt, um seine falsche Identität zu bescheinigen. Das in der Folge eingeleitete Strafverfahren wegen Urkundenfälschung sei nach Zahlung eines Geldbetrages gemäß § 200 Abs. 5 StPO diversionell erledigt worden.

17 Am sei der Mitbeteiligte vom Landesgericht für Strafsachen Wien schuldig gesprochen worden, von Mitte 1996 bis Herbst 1998 wiederholt Haschisch für den eigenen Konsum erworben und besessen und in der Zeit von April 1999 bis drei Gramm Heroin und Kokain an unbekannte Abnehmer verkauft zu haben. Wegen dieser Taten sei der Mitbeteiligte zu zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden.

18 Seit seiner Entlassung aus der Haft sei der Mitbeteiligte durchgehend beschäftigt gewesen. Nach dem Abschluss einer Schlosserlehre sei er für einen Autohersteller und später bis heute als Taxilenker beschäftigt.

19 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe den Antrag des Mitbeteiligten mit der Begründung abgewiesen, dass er die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht erfülle. Das bisherige Verhalten des Mitbeteiligten, insbesondere die Vorlage einer gefälschten Geburtsurkunde im Zuge des Verfahrens zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie die begangenen Verwaltungsübertretungen, würde keine Gewähr dafür bieten, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, noch andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährde.

20 Das Verwaltungsgericht teile diese rechtliche Beurteilung nicht.

21 Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits klargestellt, dass die Verwendung einer falschen Identität im Zuge eines Staatsbürgerschaftsverfahrens bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zwar grundsätzlich von Bedeutung sein könne, dass aber nicht jede Verwendung einer falschen Identität zu einer negativen Beurteilung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG führe (Verweis auf ). Der Verwaltungsgerichtshof habe weiters festgestellt, dass selbst eine strafrechtliche Verurteilung wegen des Fälschens einer besonders geschützten Urkunde nicht den Schluss zulasse, dass der Betreffende keine bejahende Einstellung gegenüber der Republik Österreich habe (Verweis auf ). In diesem Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof betont, dass aus der Fälschung einer besonders geschützten Urkunde alleine nicht abgeleitet werden könne, dass der Betreffende eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Diese Rechtsansicht habe der Verwaltungsgerichtshof auch im Erkenntnis vom , 2001/01/0515, zum Ausdruck gebracht, indem er dargelegt habe, dass die Verwendung einer besonders geschützten Urkunde zwar eine Handlung darstelle, die im Zuge einer Beurteilung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zu berücksichtigen sei, dass aber diese Handlung nicht zwingend dazu führe, dass diese Beurteilung negativ auszufallen habe.

22 Das Verwaltungsgericht sehe es als erwiesen an, dass der Mitbeteiligte im Zuge des Verfahrens zur Verleihung der Staatsbürgerschaft eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt habe. Der Mitbeteiligte habe dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch bestätigt.

23 Das Verwaltungsgericht könne aber nicht erkennen, dass der Mitbeteiligte durch diese Handlung einen Vorteil für sein Verfahren hätte erzielen können. Vielmehr wäre die Angabe seiner wahren Identität unter Vorlage einer richtigen Urkunde zu seinem Vorteil gewesen, wie das nunmehr abgeschlossene Ermittlungsverfahren ergeben habe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Mitbeteiligte unter seiner richtigen Identität Handlungen gesetzt hätte, die ein Hindernis für die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellen würden.

24 Dem Verwaltungsgericht scheine es naheliegend, dass es für den Mitbeteiligten, der seit etwa 20 Jahren in Österreich mit einer falschen Identität gelebt habe und sich mit dieser Identität ein neues Leben aufgebaut habe, schwieriger gewesen sei, diese Identität aufzugeben, als eine gefälschte Urkunde vorzulegen.

25 Schließlich habe es der Mitbeteiligte unter seiner falschen Identität geschafft, sich rechtmäßig in Österreich niederzulassen und sowohl dauerhaft als auch durchgehend beschäftigt zu sein. Es sei auffallend, dass der Mitbeteiligte auch gegenüber der belangten Behörde den Schritt zur Offenbarung seiner wahren Identität (mit Schriftsatz vom ) gemacht habe, nachdem er wenige Monate davor seine nunmehrige Ehefrau geheiratet habe und seine Tochter geboren worden sei. Dass der Mitbeteiligte bereit gewesen sei, nach der Gründung einer Familie, den Fehler der Verwendung einer gefälschten Urkunde einzugestehen und seine wahre Identität preiszugeben, spreche bei einer Zukunftsprognose für den Mitbeteiligten.

26 Dass der Mitbeteiligte wegen relativ geringfügiger Drogendelikte im Jahr 2000 zu einer Haftstrafe verurteilt worden sei, habe für das Verwaltungsgericht nur noch sehr geringe Bedeutung. Der weitere Werdegang des Mitbeteiligten zeige, dass er sich stets darum bemüht habe, seinen Lebensunterhalt selbständig und rechtmäßig zu besorgen. Es sei durchaus außergewöhnlich, dass es der Mitbeteiligte geschafft habe, unmittelbar nach seiner Haftentlassung sein Leben in geregelte Bahnen zu lenken.

27 Die von der belangten Behörde genannten Verwaltungsübertretungen seien ebenfalls differenzierter zu betrachten.

28 Das Verwaltungsgericht komme daher zur Ansicht, dass das bisherige Verhalten des Mitbeteiligten Gewähr dafür biete, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, noch andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährde.

29 Dafür spreche vor allem der außergewöhnliche Werdegang des Mitbeteiligten nach seiner Entlassung aus der Haft und seine vorbildliche Integration, wovon nicht nur seine Sprachkenntnisse, sondern auch sein berufliches Fortkommen zeugten.

30 Dass der Mitbeteiligte jahrelang unter einer falschen Identität in Österreich gelebt habe, sei für das Verwaltungsgericht für sich genommen ohne besondere Bedeutung. Dass der Mitbeteiligte zum Schutz dieser Identität bereit gewesen sei, eine gefälschte Urkunde im Verwaltungsverfahren zu verwenden, werfe zwar einen Schatten auf sein Gesamtverhalten, wiege aber die positiven Aspekte seines bisherigen Verhaltens nicht auf. Auch die vom Mitbeteiligten in den letzten Jahren begangenen Verwaltungsübertretungen seien weder so zahlreich noch so schwerwiegend, dass eine negative Gefährdungsprognose im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 6 StbG angezeigt sei.

31 Nach Prüfung der übrigen Verleihungsvoraussetzungen kam das Verwaltungsgericht sodann zum Ergebnis, dass dem Mitbeteiligten die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zuzusichern sei.

32 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

33 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

34 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei im angefochtenen Erkenntnis in unvertretbarer Weise von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewichen.

35 So habe das Verwaltungsgericht bei der Würdigung des Gebrauches einer falschen Identität sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden die Art und Schwere dieser Verstöße nicht berücksichtigt. Der Mitbeteiligte habe sowohl im Asylverfahren als auch im Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels und im Staatsbürgerschaftsverfahren durchgehend eine falsche Identität gebraucht. Auch noch unter Vorhaltung seiner widersprüchlichen Identitäten und des Gutachtens der forensisch-anthropologischröntgenologischen Untersuchung habe es der Mitbeteiligte unterlassen, zur Aufklärung seiner wahren Identität beizutragen. Stattdessen habe er eine gefälschte Geburtsurkunde aus dem Sudan vorgelegt. Durch diese Verstöße komme die negative Einstellung in deutlicher Weise zum Ausdruck und handle es sich bei den Rechtsbrüchen um solche, die den Schluss rechtfertigten, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für die Sicherheit sowie die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten.

36 Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor allem Taxifahrer auf Grund der gewerbsmäßigen Beförderungen ein erhöhtes Maß an Verantwortungsbewusstsein im Straßenverkehr treffe.

37 Auch die gerichtliche Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz aus dem Jahr 2000 sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes sehr wohl von großer Gewichtung. Dabei handle es sich um Drogendelikte, welche der Mitbeteiligte in der Zeit seines Asylantrages begangen habe. Bei Suchtgiftkriminalität handle es sich um ein die in § 10 Abs. 1 Z 6 StbG genannten öffentlichen Interessen besonders gefährdendes Fehlverhalten (Verweis auf ).

38 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt. Grundsätzlich zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG

39 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

40 Nach dem ersten Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG wird vom Gesetz eine positive Einstellung zur Republik Österreich gefordert. Dies bezieht sich auf die politische Gesinnung eines Einbürgerungswerbers und soll gewährleisten, dass nicht Personen mit antidemokratischer Einstellung in den österreichischen Staatsverband aufgenommen werden (vgl. , mwN).

41 Zum zweiten Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch auf von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck.

42 Aus dem Umstand, dass vor allem vom Verleihungswerber begangene Straftaten in diese Beurteilung einzufließen haben, lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die strafrechtliche Unbescholtenheit eines Einbürgerungswerbers in jedem Fall zu einer für ihn positiven Prognose zukünftigen Wohlverhaltens führen muss. Die Gefährlichkeit eines Verleihungswerbers im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann sich nämlich auch aus besonderen Umständen in seiner Person ergeben, die bislang noch zu keinem Konflikt mit dem Strafgesetz geführt haben.

43 Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Einbürgerungswerbers dürfen daher zum Einen grundsätzlich auch getilgte Vorstrafen berücksichtigt werden.

44 Zum Anderen hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG eine gerichtliche Verurteilung wegen einer als erwiesen angesehenen Straftat nicht voraussetzt. Vielmehr knüpft § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht an eine gerichtliche Verurteilung, sondern an das Verhalten des Einbürgerungswerbers an. Auch Taten, hinsichtlich derer es zur Verfahrenseinstellung (zB. nach einer Diversion) kommt, gehören zum Gesamtverhalten, von dem die belangten Behörde bei ihrer Prüfung auszugehen hat (vgl. zu allem , mwN, sowie auch bis 0261, mwN).

Die Verwendung einer falschen IdentitätAusgangslage

45 Nach den (unstrittigen) Feststellungen des Verwaltungsgerichtes lebte der Mitbeteiligte seit seiner Einreise nach Österreich im Jahre 1997 bis zur Offenlegung seiner wahren Identität vor der belangten Behörde mit Schriftsatz vom mit einer falschen Identität in Österreich.

46 Der Mitbeteiligte führte unter dieser falschen Identität auch ein Verfahren zur Zl. 2010/01/0049 vor dem Verwaltungsgerichtshof. Aus der diesbezüglichen Entscheidung , ergibt sich, dass der Mitbeteiligte sich (unter falscher Identität) vom bis als Asylwerber rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe und dem Mitbeteiligten (wiederum unter dieser falschen Identität) diverse Niederlassungsbewilligungen erteilt worden seien.

Verwendung einer falschen Identität im Asylverfahren

47 Die Verwendung einer falschen Identität im Asylverfahren

ist wie folgt zu beurteilen:

48 Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung

erkannt, dass Fragen der Identität für die Gewährung von Asyl insoweit eine Rolle spielen, als Zweifel an den diesbezüglichen Angaben des Fremden - im Besonderen daran, dass er derjenige ist, für den er sich ausgibt - zu dem Ergebnis führen, seine behauptete Bedrohung als nicht glaubhaft zu qualifizieren (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des , mwN, und die daran anschließende ständige Rechtsprechung, etwa ).

49 Dass die Identität des Asylwerbers für die Gewährung von Asyl eine Rolle spielt, wird schon daran deutlich, dass das AsylG 2005 (§ 3) wie bereits das AsylG 1997 (§ 7) darauf abstellt, ob glaubhaft ist, dass einem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung droht. Der Herkunftsstaat des Fremden ist danach wesentlicher Teil seiner Identität, welche maßgebend für die Frage der Asylgewährung ist.

50 Aber auch sonst ist die Identität des Fremden für die Frage der Asylgewährung maßgeblich, weil die diesbezüglichen Angaben des Fremden - im Besonderen, dass er derjenige ist, für den er sich ausgibt - maßgeblich und unverzichtbar für die Beurteilung des sonstigen Vorbringens und die darauf beruhende Asylgewährung sind (vgl. nochmals in diesem Sinne die genannte Rechtsprechung , mwN).

51 Die rechtliche Bedeutung der Identitätsfeststellung wird vom Gesetzgeber mehrfach hervorgehoben:

52 Stellt ein Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 42 Abs. 1 BFA-VG eine erste Befragung (gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005) durchzuführen und den Fremden erkennungsdienstlich zu behandeln, sofern dies nicht bereits erfolgt ist und dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat. Die Regelung des § 42 BFA-VG orientiert sich nach den Materialien "an der Neukonzeption der ersten Phase des Asylverfahrens und am tatsächlichen zeitlichen Ablauf der Geschehnisse entsprechend dem gemeinsamen Konzept des Bundes und der Länder" und stellt somit den Regelfall dar (vgl. , mit Verweis auf die Materialien in RV 582 BlgNR 25. GP, 9).

53 Die in § 19 Abs. 1 AsylG 2005 geregelte Erstbefragung dient (nach dem Gesetzeswortlaut) insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen.

54 Die erkennungsdienstliche Behandlung ist in § 24 BFA-VG geregelt. Nach dieser Bestimmung ist das Bundesamt ermächtigt, einen Fremden, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er (unter anderem) einen Antrag auf internationalen Schutz stellt (Z 1) oder die Feststellung seiner Identität anders nicht möglich ist (Z 9).

55 Dieser Regelungszusammenhang zeigt deutlich, dass die Feststellung der Identität des Asylwerbers bereits zu Beginn des Asylverfahrens wesentlicher Teil dieses Verfahrens ist.

56 In diesem Sinn enthielt § 44 Abs. 4 AsylG 2005 (bis zu seiner Aufhebung durch BGBl. I Nr. 87/2012) für Zwecke eines Asylverfahrens eine spezielle Sicherstellungsbefugnis, die bezüglich aller Dokumente und Gegenstände, die Aufschluss (unter anderem) über die Identität und die Staatsangehörigkeit geben können, obligatorisch vorgesehen war (vgl. ).

57 Entsprechende Nachfolgebestimmungen finden sich im BFA-VG:

§ 38 BFA-VG ermächtigt die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, zum Zwecke der Sicherstellung von Beweismitteln die Kleidung und die mitgeführten Behältnisse eines Fremden zu durchsuchen, wenn dieser einen Antrag auf internationalen Schutz einbringt, und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Fremde Gegenstände und Dokumente, die Aufschluss (unter anderem) über seine Identität und seine Staatsangehörigkeit geben können, mit sich führt und diese auch nicht auf Aufforderung vorlegt.

58 Die Bedeutung der Bekanntgabe der wahren Identität durch den Fremden im Asylverfahren wird durch den Gesetzgeber auch dadurch hervorgehoben, dass einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werden kann, wenn der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat.

59 Die Bedeutung der Bekanntgabe der wahren Identität wurde bereits im AsylG 1997 dokumentiert. So regelte § 6 Abs. 1 Z 2 AsylG 1997, dass Asylanträge in jedem Stadium des Verfahrens als offensichtlich unbegründet abzuweisen sind, wenn - ohne begründeten Hinweis auf eine Flüchtlingseigenschaft oder das Vorliegen subsidiärer Schutzgründe gemäß § 8 AsylG 1997 - der Asylwerber die Asylbehörde über seine wahre Identität oder seine Staatsangehörigkeit (trotz Belehrung über die Folgen) getäuscht hat. Eine Durchsuchungsermächtigung zur Sicherstellung von Gegenständen und Dokumenten, die Aufschluss über die Identität oder die Staatsangehörigkeit geben können, enthielt bereits § 24 Abs. 4 AsylG 1997. § 34a Abs. 3 AsylG 1997 enthielt eine Ermächtigung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Gegenstände und Dokumente sicherzustellen, die unter anderem Aufschluss über die Identität und Staatsangehörigkeit des Fremden geben können.

60 All dies zeigt deutlich, welche Bedeutung der Gesetzgeber der Bekanntgabe der wahren Identität im Asylverfahren zugemessen hat.

61 Im Übrigen hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), darauf hingewiesen, dass es das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems erfordert, "dass die zuständigen nationalen Behörden über verlässliche Informationen bezüglich der Identität oder Staatsbürgerschaft der Person, die internationalen Schutz beantragt, und bezüglich der Beweise, auf die sich ihr Antrag stützt, verfügen" (vgl. K. gegen Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie, C-18/16, Rn. 48). In diesem Zusammenhang hat der EuGH ausgeführt, "dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 verpflichtet sind, mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten, insbesondere zur Feststellung ihrer Identität, ihrer Staatsangehörigkeit und der Gründe für ihren Antrag, was voraussetzt, dass die geforderten Nachweise und gegebenenfalls die verlangten Erklärungen und Auskünfte vorgelegt werden" (Rn. 38 des zitierten Urteils).

Verwendung einer falschen Identität im Staatsbürgerschaftsverfahren

62 Auch staatsbürgerschaftsrechtlich ist die Bekanntgabe der wahren Identität von wesentlicher Bedeutung.

63 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass unrichtigen Namensangaben im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren wesentliche Bedeutung zukommt, geht es doch in diesem Verfahren darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen identifizierbaren Person die Staatsbürgerschaft zu verleihen und insofern ihren rechtlichen Status zu gestalten. Von daher kann jedenfalls nicht gesagt werden, es sei belanglos, auf welchen Namen ein Verleihungsbescheid ausgestellt wird (vgl. ).

64 Daher ist die Staatsbürgerschaftsbehörde auch bei Vorlage eines Lichtbildes nicht ihrer Verpflichtung enthoben, sich von der Identität des Verleihungswerbers auf geeignete Weise zu überzeugen (vgl. ).

65 Der Antragssteller ist wiederum verpflichtet, der Staatsbürgerschaftsbehörde seine persönlichen Umstände im Verleihungsverfahren vollständig darzulegen (vgl. , mwN). Auf diese Verpflichtung hat der Verwaltungsgerichtshof auch in einer Rechtssache hingewiesen, in der ein Verleihungsverfahren nach StbG wiederaufgenommen wurde, weil hervorgekommen sei, dass der (dortige) Beschwerdeführer auf Grund falscher Angaben über seine Identität in Österreich unter verschiedenen Namen registriert worden sei und ein unter einer Alias-Identität erlassenes Aufenthaltsverbot verschwiegen habe (vgl. ). Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass die Mitwirkungspflicht nach § 4 StbG auch umfasst, dass die diesbezüglichen Angaben wahrheitsmäßig erfolgen. Auswirkungen auf § 10 Abs. 1 Z 6 StbG

66 Das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist nach dem Obgesagten erfüllt, wenn die Prognose besteht, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten.

67 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass das Verschweigen von früher verwendeten Alias-Identitäten eines Verleihungswerbers im Hinblick auf die nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorzunehmende Beurteilung seines Gesamtverhaltens grundsätzlich von Bedeutung sein kann (vgl. ).

68 Mit der vorsätzlichen Verwendung einer falschen Identität sowohl im Asylverfahren als auch im staatsbürgerschaftsrechtlichen Verleihungsverfahren wird ein Verhalten gesetzt, in dem eine negative Einstellung gegenüber den - im vorliegenden Zusammenhang -

zum Schutz vor Gefahren für die Sicherheit sowie die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassenen Gesetzen zum Ausdruck kommt (vgl. zur negativen Einstellung gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen als Maßstab des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG , mwN).

69 Der Verwaltungsgerichtshof kann daher die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, für sich genommen sei ohne Bedeutung, dass der Mitbeteiligte jahrelang unter einer falschen Identität in Österreich gelebt habe, in keiner Weise teilen. Vielmehr handelt es sich angesichts der dargestellten Bedeutung der Bekanntgabe der wahren Identität sowohl im Asylverfahren als auch im staatsbürgerschaftsrechtlichen Verleihungsverfahren um eine grobe Verkennung der Rechtslage durch das Verwaltungsgericht.

70 In diesem Zusammenhang ist in der vorliegenden Rechtssache alleine der Zeitraum der Verwendung einer falschen Identität durch den Mitbeteiligten auffallend. Dass dieses Verhalten durch die Vorlage einer gefälschten Geburtsurkunde weiter verstärkt wurde, hat - ebenso wie das Verhalten selbst - in die Gesamtbetrachtung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG einzufließen. Zwar wurde das diesbezügliche Strafverfahren nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes diversionell erledigt, jedoch gehören nach dem Obgesagten auch Taten, hinsichtlich derer es zur Verfahrenseinstellung (z.B. nach einer Diversion) kommt, zum Gesamtverhalten, von dem die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Prüfung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auszugehen hat. Letztlich ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auch aus besonderen Umständen in seiner Person ergeben kann, die bislang noch zu keinem Konflikt mit dem Strafgesetz geführt haben (vgl. hiezu ).

71 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die (in der vorliegenden Rechtssache festgestellte) vorsätzliche Verwendung einer falschen Identität sowohl im Asylverfahren als auch im staatsbürgerschaftsrechtlichen Verleihungsverfahren ohne Zweifel ein Verhalten darstellt, welches das Einbürgerungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG verwirklicht, zumal fallbezogen noch erschwerend hinzukommt, dass der Mitbeteiligte unter dieser falschen Identität jahrelang in Österreich gelebt hat. Sonstiges

72 Bei diesem Ergebnis braucht auf die gerichtliche Verurteilung des Mitbeteiligten nach dem Suchtmittelgesetz sowie auf die festgestellten Verwaltungsübertretungen nicht mehr eingegangen zu werden.

73 Anzumerken ist jedoch, dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es sich bei Suchtgiftkriminalität regelmäßig um ein die in § 10 Abs. 1 Z 6 StbG genannten öffentlichen Interessen besonders gefährdendes Fehlverhalten handelt (vgl. , mwN) und gerade von einem Berufskraftfahrer zu verlangen ist, bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften besondere Sorgfalt an den Tag zu legen (vgl. , mwN), nicht berücksichtigt hat.

Ergebnis

74 Aus diesen Erwägungen erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017010417.L00

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